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Von Daten und Digitalisierung: Wie kommt die Hotelbranche aus der Krise?

Dass nun auch die „Stars” der Branche zunehmend unter finanziellen Druck geraten zeigt, dass sich gerade traditionelle Hotels spätestens jetzt für neue Lösungen öffnen müssen. Die Corona-Krise hat den Digitalisierungsdruck enorm beschleunigt. Dr. Josef Vollmayr, Co-Gründer und Geschäftsführer des digitalen Hotelkonzepts Limehome, klärt über Herausforderungen auf und gibt Denkanstöße.
South_agency | iStockphoto

Hohe Fixkosten – Der Kern des Problems

Die Branche steckt mitten im Umbruch. Während die Hotellerie in den letzten 15 Jahren durchweg sehr konjunkturresistent war, trifft sie die Krise als Folge der Pandemie dieses Mal direkt und führt voraussichtlich zu Umsatzeinbußen von ca. 20 Milliarden Euro in 2020. Für traditionelle Hotelkonzepte bedeutet das, sich spätestens jetzt mit innovativen Lösungen auseinandersetzen zu müssen, um langfristig bestehen zu können. In diesem Jahr wurde deutlich, dass es hochriskant ist, sich auf die gewohnt stabile Auslastung von etwa 60 Prozent zu verlassen, um die enormen Fixkosten zu tragen. Selbst, als Beherbergungsbetriebe mit passendem Hygienekonzept wieder öffnen durften, blieben viele Häuser geschlossen, da sich der Betrieb nur bei der üblichen Auslastung rechnet. Hotels mit kleineren Standorten und digitalen Konzepten konnten den Betrieb hingegen fortsetzen. Dank geringerer Fixkosten und damit auch der Möglichkeit, günstigere Preise anzubieten, konnte die jüngere Konkurrenz eine Auslastung zwischen 40 und 45 Prozent zu Beginn und bereits nach einigen Monaten von 70 bis 80 Prozent sicherstellen. Kleinere Standorte bieten dem Anbieter deutlich mehr Flexibilität im Produkt und im Modell. Dadurch konnten Serviced-Apartment-Anbieter den Fokus schnell auf Long-Stay-Vermietung shiften, die Zielgruppenansprache kurzfristig anpassen und ihre Kosten so mühelos decken und gar gute Gewinne erzielen.

Bei einem Großteil der klassischen Hotels belaufen sich hingegen allein die Personalaufwendungen auf bis zu 40 Prozent der Gesamtkosten, da die wenigsten Prozesse digitalisiert ablaufen. Dabei lassen sich beispielsweise Check-In, Rechnungsstellung oder das Buchungsmanagement recht einfach automatisieren. Trotz des enormen Einsparungspotenzials, ergreifen nur die Wenigsten diese Chance. Neben den Aufwendungen für Personal ist die Immobilie ein großer Kostenpunkt. Im Schnitt weisen die großen Hotels lediglich eine Flächeneffizienz von 65 Prozent auf. Hinzu kommt, dass Hotels dieser Größe eine extrem lange Vorlaufzeit bis zur Aufnahme des Betriebs haben. Die meisten dieser Hotels haben eine Vielzahl weiterer großer Objekte in der Pipeline, die jedoch noch Jahre brauchen, bis sie überhaupt den ersten Gast empfangen können. Während der Zeit bis zur Inbetriebnahme werden jedoch bereits hohe Mieten fällig, die unweigerlich gezahlt werden müssen. Selbst bei einem normalen Ablauf bis zur Inbetriebnahme stehen extrem hohe Ausgaben überdurchschnittlich lange fehlenden Einnahmen gegenüber. Spätestens in der Krise zeigt sich nun umso deutlicher, wie problematisch dieses Konstrukt sein kann, da Hotelbetreiber auf ihren Mietverträgen und entsprechenden Kosten für Objekte festsitzen, die jahrelang nicht betrieben werden können. Ein signifikanter Shift im Mindset der großen Hotelanbieter ist dabei jedoch bislang nicht zu erkennen.

Jedoch bieten kleinere Standorte nicht nur enormes Einsparungspotenzial, auch der oder die moderne Reisende wünscht sich eine Unterkunft, die seinen oder ihren individuellen Ansprüchen besser gerecht wird. Studien belegen, dass sich Reisende nicht einschränken und so flexibel wie nur möglich sein wollen (vgl. Dynata & Getyourguide, 2020). Sprich: Lange Warteschlangen beim Check-In und standardisierte Hotelzimmer widersprechen so gänzlich ihrer Vorstellung. Interessant wird es für sie dort, wo ein Anbieter es schafft, ein Gefühl von Zuhause mit einem ansprechenden Preis und guter Lage zu verbinden. Aber wie ist das möglich?

Think big? Think small!

Wenn wir an große Hotels denken, dann auch meist automatisch an Städte wie Berlin oder Barcelona. Denn der Fokus liegt eben meist genau auf jenen A-Städten, die im ersten Moment am lukrativsten erscheinen. Eigentlich schade. Denn B- und C-Städte, wie Erfurt oder Bamberg, haben in absoluten Zahlen meist weniger Reisende im Jahr. Jedoch fehlt es gerade dort oftmals an einem guten Beherbergungsangebot, da größere Hotelmarken die geringere Nachfrage in ihrem Kundensegment mit ihrem Betriebskonzept nicht profitabel betreiben können. Gerade Geschäftsreisende, die die größte Kategorie aller jährliche Reisenden innerhalb Deutschlands darstellen, müssen in puncto Lage Einbußen in Kauf nehmen oder deutlich höhere Preise zahlen. Das Potenzial, das sich Anbietern an diesen Standorten abseits der Metropolen bietet, ist unverkennbar.

Neben der hohen Nachfrage und dem geringen Wettbewerb in kleineren Städten ist ein weiterer Faktor entscheidend: Die Suche nach potenziellen Immobilien gestaltet sich deutlich einfacher bei deutlich günstigeren Preisen – Win-Win-Win sozusagen. Eine wichtige Eingrenzung gibt es jedoch. Der Betrieb kleinerer Flächen ist ausschließlich mit entsprechender Technologie möglich. Damit schließt sich der Kreis. Wer in einem weniger umkämpften Markt schneller und besser wirtschaften möchte, der muss sich auch für digitale Modelle öffnen und diese implementieren. Dabei sollte nicht nur im Betrieb auf eine technologische Lösung gesetzt werden, bereits der Auswahlprozess von Standorten und Objekten sollte datengetriebenen Mustern folgen.

Datengetriebene Standortauswahl als Erfolgsfaktor

Machine Learning ist weiterhin ein großes Buzzword, wenn es um Digitalisierung geht. Dabei scheinen viel zu wenige Player dem Begriff seine verdiente Relevanz zuzuordnen. Verfahren des Machine Learning erlauben es, die Marktnachfrage und das konkurrierende Angebot sehr exakt zu bestimmen. Im Falle der Standortauswahl wären dies Faktoren wie Abhängigkeit des Standorts von Saisonalität, Anzahl und Art von Veranstaltungen, Auslastung anderer Hotels oder auch die Zahl von Geschäftsreisenden. Hinzu kommen Eigenschaften der zu akquirierenden Immobilie wie die Lage oder das konkurrierende Angebot in der Nähe. Standortexperten können die Erkenntnisse im nächsten Schritt mit ihrem Erfahrungsschatz kombinieren und in die Entscheidungsfindung einfließen lassen. Die Erfahrung zeigt, dass ein solches Verfahren höchst effizient und erfolgversprechend ist, während menschliche Fehleinschätzungen minimiert werden können.

Wie sieht die Zukunft aus? Worauf können wir uns 2021 einstellen?

Auch im neuen Jahr wird die Regierung zunächst an den Reisebeschränkungen festhalten. Zwar werden die Reisen weiterhin stark reduziert und den Bestimmungen angepasst bleiben, einige Reisesegmente werden aber sehr schnell wieder zur Normalität zurückkehren können. So werden Geschäftsreisen zu Beginn des Jahres reduziert und vor allem im hochpreisigen Segment stattfinden, aber sich mit anziehender Konjunktur auch wieder positiv entwickeln.

Von Vorteil ist für den deutschen Reisemarkt dabei im Besonderen, dass 86 Prozent der Nachfrage innerdeutsch sind. Der heimische Markt ist dementsprechend weniger von internationalem Tourismus abhängig, der voraussichtlich länger eingeschränkt sein wird. Event-Tourismus ist als Ausnahme zu betrachten, da Konferenzen und Veranstaltungen länger eingeschränkt bleiben werden und sich das Segment dadurch zwangsläufig langsamer erholen wird. Mit den Lockerungen, die wir im Laufe des Jahres erwarten können, werden auch die Reisen wieder automatisch zunehmen. Auch die mögliche Impfung in Deutschland wird sicherlich ein Normalitätsbeschleuniger sein.

Für Hotelbetreiber bedeutet das zunächst aber weiterhin hohe Umsatzeinbußen. Die beschriebenen Anpassungen im Geschäftsmodell sind unmöglich innerhalb kürzester Zeit umzusetzen. Mit Sicherheit wird das Krisenjahr aber ein Augenöffner für viele Big Player gewesen sein, wodurch wir im nächsten Jahr mit einer deutlich höheren Anzahl an digitalen Projekten in der Hotellerie rechnen dürfen als bisher. Die einzige Chance für alteingesessene Hotels bei der rasant fortschreitenden Digitalisierung mit den jungen Unternehmen mitzuhalten, ist, digitale Lösungen zu implementieren – im Produkt, aber auch im Unternehmen selbst und allen zugehörigen Prozessen.

Die Corona-Krise wird zwangsläufig zu einer Konsolidierung des Marktes führen, was für tech-getriebene Hotelkonzepte natürlich gute Chancen birgt, ihren Marktanteil weiter auszubauen. 2021 wird ein Schlüsseljahr für die Zukunft der Hotellerie und vor allem vieler Big Player im Markt. Aber eines ist sicher: Die aufstrebenden digitalen Hotelkonzepte führen schon jetzt die digitale Transformation im Gastgewerbe an.

Über den Autor

(Foto: Dr. Josef Vollmayr)

Dr. Josef Vollmayr ist Co-Gründer und Geschäftsführer des digitalen Hotelkonzepts Limehome. Er verantwortet die strategische Ausrichtung des Unternehmens, die Weiterentwicklung des Produkts, nationale und internationale Expansion, sowie die Bereiche Marketing und Finanzen. 2018 gründete er gemeinsam mit Lars Stäbe Limehome, ein radikal technologiebasiertes Hotelkonzept, das durch eine vollständige Automatisierung aller Prozesse, voll ausgestattete Suiten zu Preisen eines Standard-Hotelzimmers anbieten kann. Dank seines technologiebasierten Modells konnte das Münchner Unternehmen seinen Umsatz inmitten der Krise mehr als verdoppeln und eine weitere Finanzierungsrunde erfolgreich abschließen.

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