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Haftung für Hygienekonzepte in Zeiten der Corona-Pandemie

Die von Hoteliers und Gastronomen gesetzlich abverlangten Hygiene- beziehungsweise Schutzkonzepte hatten es von Anfang an in sich. Denn die in den Hygienekonzepten zu beachtenden landesrechtlichen Vollzugsvorschriften haben sich seit März 2020 nahezu permanent verändert. Worin liegt die Herausforderung bei der Aufstellung von Hygienekonzepten? Und worin liegt die rechtliche Haftungsrelevanz der Thematik? Rechtsanwalt Dr. Ulrich Schulte am Hülse beantwortet diese Fragen im Überblick.
Dr. Ulrich Schulte am Hülse
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Wenn nach Angaben des DEHOGA Bundesverbandes über 61,6 Prozent der gastgewerblichen Unternehmen gegenwärtig um ihre Existenz bangen (Corona Zwischenbilanz vom 08. September 2020), dann hat die Corona-Pandemie in diesem Wirtschaftszweig längst erhebliche Auswirkungen und es stellen alle damit einhergehenden Gegenmaßnahmen zur Linderung der Not eine substanzielle Herausforderung dar. Die langfristigen Auswirkungen auf die Gesellschaft sind möglicherweise noch nicht in Gänze in das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit vorgedrungen, denn bekanntlich stillt etwa die Gastronomie nicht nur die Bedürfnisse von Hunger und Durst, sondern seit jeher auch den kulturellen Bedarf an Erlebnis und Kommunikation. Welche Gegenmaßnahmen sind sinnvoll, damit die Pandemie das durch die „Onlinekonkurrenz“ ohnehin schon seit Längerem zurückgehende Leben der Innenstädte nicht noch ausufernd weiter reduziert? Auch nach dem Ende des jetzigen Lockdowns werden diese Herausforderungen kaum kleiner werden. Insbesondere die von den Häusern des Gastgewerbes abverlangten Hygienekonzepte bzw. die Schutzkonzepte, bei denen aufgrund der geltenden Abstandsgebote nicht mehr die gleichen Besuchermengen in den Häusern empfangen werden dürfen, wie vor der Pandemie, hatten es von Anfang an in sich. Eine Herausforderung besteht darin, dass sich die in den Hygienekonzepten zu beachtenden landesrechtlichen Vollzugsvorschriften allein seit März 2020 nahezu permanent verändert haben. Insofern müssen Veranstalter ihre Hygienekonzepte für die Dauer der Pandemie permanent an die zahlreichen Veränderungen anpassen. Selbst größere Hotelketten oder Konzerne, die über eine eigene Rechtsabteilung verfügen, betreiben einen erheblichen Aufwand. Da das Ende des neuerlichen Lockdowns absehbar ist, lohnt es sich Vorsorge zu treffen, sobald die Bedingungen des jetzigen Lockdowns aufgehoben werden und wieder mehr erlaubt ist.

Worin liegt die Herausforderung bei der Aufstellung von Hygienekonzepten?

Der in ein Hygienekonzept aufzunehmende Inhalt besteht darin, die in den SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnungen des jeweiligen Bundeslandes enthaltenen Vorgaben mit den individuellen Verhältnissen des jeweiligen Unternehmens mit seinen branchenspezifischen Besonderheiten in Einklang zu bringen; also etwa die in den jeweiligen Verordnungen definierten Mindestabstände anhand von individuellen Bestuhlungsplänen darzulegen, Personenobergrenzen anhand der zur Verfügung stehenden Raumgröße und Fläche zu berechnen, die Besucherströme pandemiekonform zu leiten und verschiedene Hygienestandards zu definieren. Alle Vorgaben bemessen sich anhand der rechtlichen Restriktionen nach dem jeweiligen Landesrecht. Die Herausforderungen bestehen allerdings darin, dass sich die Vorgaben in nahezu jedem Bundesland permanent ändern und auch von Bundesland zu Bundesland in Details unterscheiden. Kaum ist ein Hygienekonzept geschrieben, droht aller Erfahrung nach kurz darauf schon wieder die nächste Änderung der jeweiligen SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung.

Worin liegt die Haftungsrelevanz der Thematik?

Die Haftungsrelevanz liegt einerseits darin, dass die abverlangten Hygienekonzepte im Infektionsfall an das Gesundheitsamt herauszugeben sind. Dort sind sie dann absehbar Teil einer Akte, in die Strafverfolgungsbehörden, Geschädigte und ggf. auch Hinterbliebene möglicherweise Einsicht nehmen können. Passiert nun ein Fehler, weil in der Hektik von sich permanent verändernden behördlichen Restriktionen eben auch mal etwas übersehen werden kann, kann sich diese im Schadensfall, wenn die weiteren Voraussetzungen der Haftung vorliegen, gegen das Unternehmen richten. Andererseits fragen Gäste durchaus im Vorfeld einer Buchung, insbesondere dann, wenn Sie zu den Risikogruppen gehören, vereinzelt gezielt nach den Hygienekonzepten nach. Die Hygienekonzepte dienen deshalb zugleich dazu, Vertrauen in die Kompetenz des Unternehmens aufzubauen und werden regelmäßig auf Webseiten veröffentlicht. Erfüllt das Hygienekonzepte die materiellen Anforderungen der jeweils geltenden SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung des jeweiligen Bundeslandes, wird man zulasten des Veranstalters daraus kaum einen Vorwurf herleiten können, wenn er alle Anforderungen der sich oft im Wochenrhythmus ändernden Verordnungslage eingehalten hat.

Was bieten die Verbände?

In diesem Kuddelmuddel einer sich permanent ändernden Rechtslage und das auch noch mit erheblichen Unterschieden anhand von sechzehn Bundesländern allein in Deutschland, rief dies die jeweiligen Unternehmensverbände und die Branchenverbände auf den Plan. Sie wollten ihren Mitgliedsunternehmen sogenannte Musterhygienepläne zur freien Verwendung anbieten, bei der ein Hausjurist die Rechtslage gleich für den gesamten Verband überprüft hat. Diese Musterhygienepläne sind durchaus als erster Einstieg tauglich, um zunächst branchenspezifische Besonderheiten auszumachen, die es mit einem besonderen Augenmerk zu beachten gilt. Allerdings ist nicht alles, was im Internet zu finden ist, gegenwärtig noch richtig. Alle Musterhygienepläne oder Checklisten haben prinzipiell das gleiche Problem: Sobald sich die jeweilige SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung ändert, was beispielsweise in Berlin seit dem Beginn der Pandemie schon über 20 Mal der Fall war, ist auch der Musterhygieneplan veraltet, sofern er nicht aktualisiert wird. Grob vereinfacht lässt sich anhand einer Stichprobenrecherche von ilex Rechtsanwälte sagen, dass mehr als die Hälfte der derzeit im Internet aufgefundenen Hygienepläne eine Rechtslage widerspiegelt, die nicht mehr aktuell ist und selbst wenn sie aktuell ist, absehbar nicht mehr aktuell sein wird. Das wird etwa daran deutlich, wenn Hygienepläne im November 2020 den Stand von Oktober 2020 aufweisen. Das Problem wird auch in der Zukunft voraussichtlich weiter anhalten.

Kuriositäten im Einzelfall

Dazu kommen verschiedene Kuriositäten im Einzelfall, etwa für die Gastronomie der Deutschen Bahn AG. Denn beispielsweise deren Intercity Express Sprinter von Berlin nach München durchfährt auf seinem Weg zum Ziel bekanntlich sechs Bundesländer und sein Bordbistro durchkreuzt damit binnen vier Stunden den Geltungsbereich von sechs unterschiedlichen SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnungen.

Wie kann man sich sinnvoll auf die Zeit nach dem Lockdown vorbereiten?

Der einzelne Unternehmer ist mit der permanenten Überwachung eines sich beständig verändernden Rechtes möglicherweise überfordert. Zum Zweck der Meidung einer Haftung bietet es sich an, den Rechtsrat extern einzukaufen. Das Geheimnis einer zielführenden Beauftragung besteht allerdings darin, nicht eine Einmalleistung zu beauftragen, sondern die Dauerüberwachung auf Rechtsänderungen bis zum Ende der Pandemie aus einer Hand mit einzukaufen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass man nur eine punktuelle, aber sinnfreie Rechtsberatung erfährt, die aber schon binnen weniger Tage oder Wochen veraltet sein könnte.

Wie lassen sich Aufwand und Kosten sparen?

Für den einzelnen Hotelier oder Restaurantbetreiber beispielsweise bietet es sich an, wenn entweder ein Unternehmer- oder ein Branchenverband die zielführende Rechtsberatung für das jeweilige Bundesland zentral einkauft und diese seinen Mitgliedern zur Verfügung stellt. Oder aber, man schließt sich mit einigen Mitbewerbern aus dem gleichen Bundesland in einer Arbeitsgemeinschaft zusammen und kauft den Rechtsrat ebenfalls gemeinsam ein. Je nach Budget sollten oder könnten dabei einzelne Leistungen aus dem Outsourcing herausgenommen werden: Beispielsweise ergibt es Sinn, dass Bestuhlungspläne inklusive Abstandsvermessungen ggf. auch durch den Auftraggeber erstellt werden können; ebenso wie die Darstellung und Aufbereitung der unterschiedlichen Veranstaltungsformate oftmals einen Sachverhalt darstellt, der nur durch den Veranstalter sinnvoll geliefert werden kann. Abzustimmen wäre, ob die anschließende Schulung des eigenen Personals durch den Rechtsberater erfolgt oder der Rechtsberater nur den Projektleiter schult und die Schulung der eigenen Mitarbeiter dann Inhouse erledigt wird.

Autor:

Dr. Ulrich Schulte am Hülse ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und zudem Gründungspartner von ilex Rechtsanwälte.

Kontakt:
ilex Rechtsanwälte
Hohenzollerndamm 123
14199 Berlin
Tel. 030 80 58 53 30
 ilex-recht.de

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