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Rechtsstreitigkeiten um Betriebsschließungspolicen im Gastgewerbe

Seit dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 mussten Restaurants und Hotels ihren Betrieb monatelang herunterfahren oder komplett einstellen. Umsatzeinbrüche oder finanzielle Totalausfälle sind die Folge. Um genau solche existenzbedrohenden Schieflagen zu vermeiden, sollte die Betriebsschließungsversicherung einspringen. Doch der Weg zur Entschädigung verläuft in den seltensten Fällen geradlinig. Der Rechtsanwalt Felix Korten gibt Antworten auf die dringlichsten Fragen zur Crux mit der Police.
Korten Rechtsanwälte AG

Wann kommt die Betriebsschließungsversicherung zum Einsatz?

Grundsätzlich sollen Betriebsschließungsversicherungen vor Vermögensschäden schützen. Diese entstehen unter anderem, wenn aufgrund behördlicher Anforderungen auf Basis des Infektionsschutzgesetzes beim Auftreten von meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserregern ein Betrieb geschlossen werden muss oder entsprechend ein vollständiges Tätigkeitsverbot für alle Mitarbeiter ausgesprochen wurde. In der Regel beinhaltet das Leistungsversprechen der Police – für die Dauer eines festgelegten Zeitraums – eine vereinbarte Tagesentschädigung sowie die befristete Zahlung der Bruttolohn- und Gehaltskosten. Je nach Vertrag können Unternehmen beispielsweise auch notwendige Ausgaben für Desinfektion oder die Kosten der Warenvorräte, inklusive ihrer Brauchbarmachung oder ihrer Vernichtung, ersetzt verlangen.

Welche Probleme können aufgrund der Corona-Pandemie auftreten?

Im Fall von Corona liegt die Crux vor allem im Vertragstext und in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Häufig verweisen Versicherer auf das Infektionsschutzgesetz (IfSG) und knüpfen ihre Leistungen an das Vorliegen meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger nach den §§ 6, 7 IfSG. Entsprechend erfolgt in den meisten Verträgen auch eine namentliche Auflistung aller in diesen Paragrafen genannten Erkrankungen. Aufgrund seiner Neuartigkeit taucht Covid-19 in solchen Katalogen jedoch nicht auf. Diesen Umstand nehmen viele Versicherer zum Anlass, ihre Einstandspflicht abzulehnen. Sie berufen sich darauf, dass die Listen in den Verträgen abschließend seien. Wieder andere Versicherer lehnen Entschädigungszahlungen mit der Begründung ab, dass es sich bei den behördlichen Auflagen um regionale und überregionale Allgemeinverfügungen handelt, die sich nicht speziell auf das jeweilige Unternehmen beziehen. Und sogar die geringe Zeitspanne zwischen dem ersten Lockdown im Frühjahr und dem erneuten Shutdown im November dient als Grund, Forderungen gegen Mehrfachanordnungen abzuweisen. Zusätzlich erschwert wird die Situation von einer unklaren Rechtslage, wodurch es vor Gericht teilweise zu entgegengesetzten Auslegungen in der Urteilssprechung kommt.

Können die Ansprüche aus der Betriebsschließungspolice trotzdem geltend gemacht werden?

Bisher hängen Entschädigungszahlungen aus Betriebsschließungs- versicherungen oft vom Wohlwollen der Versicherer ab. Einige unter ihnen haben sich im vergangenen April mit dem Bayerischen Wirtschaftsministerium, der DEHOGA Bayern und der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. auf eine gemeinsame Empfehlung geeinigt, nach der zumindest ein Teil des Schadens übernommen wird. Ob diese sogenannte bayerische Lösung mit einer Reduzierung der Leistungen auf 10 bis 15 Prozent interessengerecht erscheint, ist allerdings sehr fraglich. Die Chancen für den Versicherungsnehmer, die vertraglich vereinbarte Entschädigungsleistung zu erhalten, sind nicht schlecht. Mittlerweile gibt es richtungsweisende Urteile unter anderem vom Landgericht München (Urteil vom 01.10.2020 – 12 O 5895/20), dem Landgericht Hamburg (Urteil vom 04.11.2020 – 412 HKO 91/20), dem Landgericht Darmstadt (Urteil vom 09.12.2020 – 4 O 220/20) sowie dem Landgericht Flensburg (Urteil vom 10.12.2020 – 4 O 153/20), bei denen Klägern die volle Versicherungssumme zugesprochen wurde. Betriebe, die einem Vergleich bereits zugestimmt haben, können sich jedoch nicht mehr gerichtlich wehren. In den meisten dieser Fälle werden die angebotenen Leistungen rechtlich daran geknüpft, dass der Betreib seinen Versicherer nicht mehr coronabedingt in Anspruch nehmen darf. Das bedeutet also: Der Versicherer zahlt lediglich einmalig eine kleine Vergleichssumme und mögliche zukünftige Ansprüche aufgrund des Coronavirus werden ausgeschlossen. Diese Tatsache wird leider von vielen Versicherungsnehmern übersehen.

Besteht ein Leistungsanspruch auch beim zweiten Lockdown?

Eine pauschale Antwort lässt sich auf diese Frage nicht geben. Es kommt auf den Einzelfall und auf die vertraglichen Bedingungen an. Wie bereits erwähnt, besteht grundsätzlich kein Anspruch, wenn sich Versicherer und Versicherungsnehmer auf Basis eines Vergleiches vorgerichtlich einigen. Selbst wenn ein Entschädigungsanspruch grundlegend besteht, muss dies nicht automatisch bedeuten, dass der Versicherungsnehmer mehrmals auf seine Betriebsschließungsversicherung zurückgreifen kann. Einige Verträge beinhalten ausdrückliche Klauseln, die sogenannte Mehrfachanordnungen aufgrund gleicher Umstände ausschließen. Im Einzelfall sind solche Einschränkungen jedoch unwirksam. Eine obergerichtliche Klärung dieser Thematik steht noch aus.

Wie können Betriebe eine Zahlung bei Corona-Ausfällen durchsetzen?

Weigert sich der Versicherer, für Ausfallschäden durch Corona aufzukommen, sollten Betroffene unbedingt ihre bestehenden Policen durch einen Rechtsbeistand prüfen lassen und gegebenenfalls den Rechtsweg in Betracht ziehen. Insbesondere die bisherigen Gerichtsentscheidungen, welche sich inhaltlich positiv für den Versicherungsnehmer ausgesprochen haben, zeigen, dass es durchaus Erfolgsaussichten für Kläger gibt. Diese hängen jedoch im Einzelfall von den konkreten Vertragstexten ab.

Über den Autor:
Felix Korten ist Rechtsanwalt und Vorstand der Kanzlei Korten Rechtsanwälte AG mit Standorten in Hamburg, München und Göttingen. 2021 wurde er in den Senat der Wirtschaft berufen.

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