Erneuter Versicherungsfall?
Wer über eine Betriebsschließungsversicherung verfügt, könnte den nun eintretenden Schaden von der Versicherung ersetzt bekommen. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die erneute Schließung der Betriebe im November 2020 einen weiteren Versicherungsfall darstellt, sodass nach der Betriebsschließung im Frühjahr ein zweiter Entschädigungsanspruch gegen den Versicherer besteht.
Um dies beurteilen zu können, muss vorerst geklärt werden, wann der Versicherungsfall in der Betriebsschließungsversicherung eintritt. Für welche Fälle die Versicherung Leistungen verspricht, ist in den jeweiligen Versicherungsbedingungen geregelt. Eine allgemeingültige Aussage lässt sich hier nicht treffen, da die Bedingungen unterschiedlich sind.
In den meisten Versicherungsbedingungen wird aber eine Leistung versprochen, wenn der Betrieb durch die zuständige Behörde aufgrund einer im Infektionsschutzgesetz (IfSG) aufgeführten Krankheit oder eines Krankheitserregers zur Verhinderung der Verbreitung der Krankheit oder des Erregers schließt. Findet sich in den Bedingungen eine solche Regelung, ist die erneute Schließung im November als weiterer Versicherungsfall zu qualifizieren.
Der Grund liegt darin, dass die Versicherungsbedingungen auf die im Infektionsschutzgesetz (IfSG) aufgeführten Krankheitserreger und Krankheiten verweisen. Hier spricht man von einer sog. „dynamischen Verweisung“. Diese bedeutet, dass auch neue Krankheitserreger, die im Laufe der Zeit in das Infektionsschutzgesetz aufgenommen werden, von dem Versicherungsschutz umfasst sind.
In manchen Versicherungsbedingungen sind aber im Anschluss an die oben genannte Formulierung einzelne Krankheitserreger und Krankheiten genannt. Da die Versicherung meistens vor dem Auftreten des Corona-Virus abgeschlossen wurden, findet sich in der Aufzählung das Corona-Virus nicht. Die Versicherungen vertreten bei solchen Bedingungen häufig die Ansicht, dass eine sog. „statische Verweisung“ vorliege. Demnach soll eine Betriebsschließung aufgrund des Corona-Virus nicht vom Versicherungsschutz umfasst sein, da dieser Erreger nicht in den Versicherungsbedingungen aufgeführt ist. Ob dies zutreffend ist, beurteilen die Gerichte unterschiedlich. Jedenfalls kommt es in einem solchen Fall auf die genaue Formulierung an. So wird von den Gerichten teilweise angenommen, dass das Corona-Virus nicht versichert sei, wenn in den Versicherungsbedingungen aufgeführt wird, dass „nur die folgenden Krankheitserreger“ vom Versicherungsschutz umfasst sind, wobei im Anschluss dann eine abschließende Aufzählung der Erreger folgt, in der das Corona-Virus nicht zu finden ist.
Festzuhalten bleibt, dass für die Beurteilung, ob ein Versicherungsfall eingetreten ist, zwischen den „dynamischen“ und „statischen“ Verweisungen zu unterscheiden ist.
Versicherung liefert verschiedene Argumente, um nicht zu zahlen
Wenn die Versicherung gebraucht wird, drängt sich teilweise der Eindruck auf, dass die Versicherung alles tut, um nicht zahlen zu müssen. Bei der Schließung im Frühjahr haben sich die Versicherungen bereits mit unterschiedlichen Begründungen auf den Standpunkt gestellt, dass kein Leistungsanspruch bestehe.
So wurde beispielsweise argumentiert, dass eine generalpräventive Schließung nicht versichert sei. Versichert sollen nach Ansicht der Versicherer nur direkt im Betrieb auftretende Krankheitserreger sein. Die wenigen Gerichte, die zwischenzeitlich in den Betriebsschließungsversicherungen entschieden haben, sind allerdings der Auffassung, dass dieses Argument falsch ist.
Auch haben die Versicherungen argumentieren, dass keine vollständige Schließung vorliege, da Außer-Haus-Verkäufe weiterhin möglich seien. Aber auch die Möglichkeit der Außer-Haus-Verkäufe oder die Beherbergung von Geschäftsreisenden stellt eine faktische Betriebsschließung dar, so hat es jedenfalls das Landgericht Mannheim in seiner Entscheidung vom 19.04.2020, Az.: 11 O 66/20, gesehen. So dürfte auch dieses Argument unzutreffend sein.
Da im Frühjahr keinerlei Gerichtsentscheidungen zu Fragen der Betriebsschließung aufgrund des Corona-Virus ergangen waren, haben die Versicherungen die Leistungen teilweise mit vielen Argumenten abgelehnt. Den Versicherungsnehmern wurde daraufhin im Rahmen der sog. „bayerischen Lösung“ ein Kulanzangebot unterbreitet. Hiernach sollten 15 % des Schadens von der Versicherung ersetzt werden. Die „bayerischen Lösung“ wurde dabei als vorteilhafte Lösung verkauft. In den Kulanzangeboten ist allerdings meist geregelt, dass bei Annahme des Angebotes auch zukünftige Schäden im Zusammenhang mit COVID-19 ausgeschlossen sind. Wer ein solches Angebot angenommen hat, kann nun also keinen erneuten Anspruch aus der Betriebsschließungsversicherung stellen. Insoweit wäre zu prüfen, ob eine damals geschlossene Vereinbarung mit der Versicherung einen solchen Ausschluss enthält.
Wer auf die „bayerischen Lösung“ aber nicht eingegangen ist, hat nun die Chance, einen erneuten Anspruch geltend zu machen.
Fazit:
Demnach dürfte der erneute Lockdown im November 2020 zu einem weiteren Anspruch gegen die Versicherungen darstellen. In einigen Versicherungsbedingungen ist allerdings geregelt, dass die Entschädigung nur einmal gezahlt werden, wenn die Maßnahme mehrmals angeordnet wurde und die mehrfachen Anordnungen auf den gleichen Umständen beruhen. Eine solche Regelung dürfte allerdings intransparent und damit unwirksam sein. Bisher sind die einzelnen Fragen zu der Betriebsschließungsversicherung durch die Gerichte noch nicht abschließend geklärt, da nur relativ wenige Urteile dazu ergangen sind. Die Betroffenen sollten sich allerdings nicht mit den Ablehnungsgründen der Versicherungen abfinden, sondern die einzelnen Versicherungsbedingungen und Ansprüche im Einzelfall prüfen lassen.
Über den Autor:
Jonathan zur Nieden ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht in der Kanzlei zur Nieden Rechtsanwalt und Fachanwalt in Hamburg. Durch Rechtsanwalt zur Nieden werden die Betroffenen bundesweit in Fragen zu den Betriebsschließungsversicherungen beraten und vertreten. Ein Erstgespräch ist dabei selbstverständlich kostenfrei.
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