Dennoch gibt es hierzulande noch viele Vorbehalte gegen den Verzehr von Mehlwürmern, Heuschrecken und Co. Grund genug für Studierende der Universität Hohenheim in Stuttgart, um sich im „Wissenschaftsjahr 2020 – Bioökonomie“ näher mit der Thematik auseinanderzusetzen. Denn als alternative Proteinquellen könnten Insekten einen wichtigen Beitrag für die nachhaltige Wirtschaftsweise von morgen leisten. Wie offen Kommilitonen unterschiedlicher Studiengänge dafür sind, haben sie im Rahmen eines Humboldt reloaded-Projektes genauer untersucht.
Warum essen eigentlich viele Menschen Garnelen, aber keine Heuschrecken? Diese Frage beschäftigt Jessica Bartholomä, die an der Universität Hohenheim Ernährungswissenschaft studiert, seit sie eine Reportage über die ökologischen Vorteile von essbaren Insekten gesehen hat.
„Am Geschmack selbst scheint es nicht zu liegen“, glaubt die Bachelor-Studentin. Den Selbsttest hat sie bereits gemacht: „Wie Insekten schmecken hängt eigentlich vor allem von der Zubereitungsart ab. Knusprig frittiert und gewürzt können sie z.B. ein pikanter Snack sein. Nudeln mit Insektenmehl haben hingegen kaum Eigengeschmack.“
Genuss ist Kopfsache
Während der Verzehr von Insekten hierzulande nicht zuletzt mit Ekelprüfungen im TV assoziiert wird, sind Insekten in vielen Regionen Afrikas, Asiens und Südamerikas traditioneller Bestandteil des Speiseplans. Reich an Eiweiß, aber z.B. auch an Eisen und Vitamin A, können sie einen wichtigen Beitrag zu einer ausgewogenen Ernährung leisten.
„Ich glaube, dass Insekten angesichts der Klimakrise und der wachsenden Weltbevölkerung in Zukunft auch bei uns eine wichtige Rolle für eine nachhaltige und gesunde Ernährung spielen könnten. Einzelne Produkte wie Burger-Patties oder Nudeln haben es ja bereits ins Ladenregal geschafft. Mich interessiert, ob und wie sich die Einstellung zu solchen Nischenprodukten verändert“, so Jessica Bartholomä.
Genau um diese Frage geht es in einem aktuellen Humboldt reloaded-Projekt am Institut für Ernährungswissenschaft der Universität Hohenheim. Zunächst haben sich die Studierenden dabei in einer umfangreichen Literaturrecherche einen Überblick über die Forschungslage verschafft. Anschließend entwickelten die Studierenden gemeinsam mit Projektbetreuerin Sandra Flory eine eigene Online-Befragung.
Noch überwiegt die Skepsis
Insgesamt nahmen 140 Personen im Alter von 19 – 35 Jahren an der anonymen Umfrage teil: Jeweils 35 Studierende aus ernährungswissenschaftlichen, gesellschaftswissenschaftlichen, technischen und naturwissenschaftlichen Studiengängen (inkl. Agrarwissenschaften und Medizin).
„Eigentlich hatten wir vermutet, dass Studierende der Ernährungswissenschaften besonders aufgeschlossen für das Thema wären. Tatsächlich zeigte sich aber das umgekehrte Bild: Nur 3,6 % gaben an schon einmal Insekten gegessen zu haben. Im Bereich Gesellschaftswissenschaften liegt der Anteil hingegen bei 40 %“, berichtet Projektbetreuerin Sandra Flory.
Wenn es um die Frage geht Insekten in die alltägliche Ernährung zu integrieren, fällt die Bereitschaft bei Studierenden aller Studiengänge unterm Strich jedoch gleichermaßen verhalten aus: Auf einer Skala von 1 (= gar nicht bereit) bis 5 (= auf jeden Fall) bewegen sich die
durchschnittliche Akzeptanzwerte aller vier Gruppen zwischen 2,0 und 2,25 *. *
Das Auge isst mit
Unterschiedliche Insektenarten wirken dabei auf die befragten Studierenden unterschiedlich appetitanregend: Beispielsweise lehnten 99 % der Probanden Kakerlaken ab, während sich 50 % vorstellen könnten Heuschrecken und Grashüpfer zu verzehren. 35 % verschmähen hingegen den Verzehr jeglicher Art von Insekten.
Auch die Darreichungsform spielt für viele Studierende eine entscheidende Rolle: 33,6 % gaben an, Insekten ausschließlich verarbeitet konsumieren zu wollen. Die höchsten Akzeptanzwerte erzielten Burger-Patties, gefolgt von Insekten-Mehl und Nudeln. Etwas weniger aufgeschlossen zeigten sich die Befragungsteilnehmer hingegen für Brot, Kekse oder Kapseln mit Insekten-Bestandteil.
„36 % der Befragten sind bereit Insekten als Ganzes frittiert zu verzehren. Allerdings bestehen nur 6,5 % der Befragten darauf, Insekten ausschließlich in sichtbarer Form verzehren zu wollen“, ergänzt Jessica Bartholomä.
Motiv Neugier überwiegt
Außerdem wollten die Teilnehmer des Humboldt reloaded-Projekts von ihren Probanden wissen, aus welchen Gründen sie sich für den Verzehr von Insekten entscheiden würden. Mit einem Zustimmungswert von 64 % überwiegt hierbei ganz eindeutig die Neugier. Umwelt- und Tierschutz stehen mit 46 % hingegen erst an zweiter Stelle und nur 17 % der befragten Studierenden gaben Gesundheit als ausschlaggebendes Motiv an.
„Repräsentativ sind die Ergebnisse des Projektes nicht. Denn im Rahmen des Humboldt reloaded-Projekts stand zunächst im Vordergrund geeignete Methoden und Schwerpunkte herauszufiltern. Die Studierenden lernten dabei einen kompletten Forschungsprozess kennen“, erklärt Projektleiterin Sandra Flory. „Dennoch liefern die ermittelten Daten einen ersten Eindruck. In Zukunft interessant wäre eine Vergrößerung des Stichprobenumfangs oder z.B. ein Vergleich mit anderen Altersgruppen oder sozialen Milieus.“
Vertieft werden soll die Thematik u.a. im Rahmen der Humboldt reloaded-Summer School „FUTURE LABS – Redesigning Life“ im September. Dann haben Studierende die Gelegenheit mit internationalen Experten über das Potenzial von essbaren Insekten für die menschliche und tierische Ernährung zu diskutieren, in Hinblick auf Nachhaltigkeit sowie ernährungsmedizinische Aspekte.