Ob an den künftigen Ladesäulen nur die eigenen Mitarbeiter oder auch Dritte laden dürfen, ist dabei nur eine von vielen essenziellen Variablen. Hinzu kommen bauliche als auch gesetzliche Rahmenbedingungen, in denen sich das Projekt bewegen muss. Bevor die Unternehmen also kalkulieren, wie viele Ladepunkte sie bräuchten, sollten sie für sich einige grundlegende Fragen beantworten.
1. Ist ausreichend Zeit für das Vorhaben eingeplant?
Wer das Thema Ladeinfrastruktur innerhalb eines Quartals abhaken möchte, sollte bereits in der Zeitplanung einige Korrekturen vornehmen. Von der Entscheidung bis hin zur Inbetriebnahme und finalen Nutzung können schnell bis zu zwölf Monate vergehen. Sowohl Baugenehmigungen als auch die nötige Netzbereitstellung für die benötigte Kapazität der Ladesäulen machen das Vorhaben zu einem mittel- bis langfristigen Projekt.
2. Welche Förderungen stehen dem Unternehmen zu?
Oder auch: Eignet sich das Projekt für den nächsten Förderaufruf der Bundesregierung? Allein in den vergangenen drei Jahren förderte das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) den Aufbau von 22.400 Ladesäulen. Das BMVI unterstützt dabei die Ladesäulen-Hardware, den Netzanschluss sowie Modernisierungsmaßnahmen an bestehender Ladeinfrastruktur mit Förderquoten von bis zu 60 Prozent. Sollen Fördergelder genutzt werden, darf oftmals mit dem Bau der Ladeinfrastruktur erst nach der Genehmigung begonnen werden.
3. Gilt die geplante Ladeinfrastruktur als öffentlich zugänglich?
Und sei es auch nur theoretisch: Sind die geplanten Ladesäulen öffentlich zugänglich, beispielsweise in einem Parkhaus, unterliegt das Projekt automatisch der gesetzlichen Ladesäulenverordnung. Diese birgt wiederum zusätzliche Anforderungen an Hard- und Software. Beispielhaft zu nennen wären da die Eichrechtskonformität oder die vorgeschriebene Möglichkeit einen Ladevorgang ad-hoc oder ohne Vertragsbeziehung starten zu können. Diese entscheidende Klassifizierung bedingt bereits die nächste grundsätzliche Frage.
4. Wer wird die Ladesäulen nutzen?
Wessen E-Fahrzeug soll die Säule in Zukunft laden? Wird es sich dabei ausschließlich um den internen Fuhrpark handeln? Sollen mehrere Personen die Ladestationen nutzen, bedarf es bereits einer Authentifizierung der einzelnen Nutzer. Auch wenn die Möglichkeit bestehen soll, eine Rechnung für den geladenen Strom zu stellen, müssen in der Planung entsprechende Vorüberlegungen angestellt werden. Unternehmen, die mit ihrem Vorhaben mehr als nur die Versorgung ihrer eigenen Flotte planen, benötigen eine flexible Software, die alle Informationen über den Ladevorgang bis hin zur Abrechnung abbildet. „Diese [Fragen] so früh wie möglich, auch für die langfristige Vision des Unternehmens zu beantworten, ist der Schlüssel für einen erfolgreichen Einstieg in den Markt.“ Christopher Kirschbaum, chargecloud
5. Welche Marktrolle nimmt das Unternehmen ein?
Der Betrieb einer Ladesäule und die Bereitstellung des dort geladenen Stroms sind zwei Rollen, die sich voneinander getrennt etabliert haben. Ladeinfrastrukturbetreiber oder „CPO“ (Charge Point Operator) sind für die Installation und den Betrieb einer Ladeinfrastruktur verantwortlich. Davon zu unterscheiden sind Elektromobilitätsanbieter bzw. „EMP“ (E-Mobility Provider). Diese bieten den Fahrern dann einen Zugang zur Ladeinfrastruktur über einen sogenannten Fahrstromvertrag, ähnlich, wie man es von seinem Hausstromanbieter kennt. Mit den unterschiedlichen Marktrollen sind auch andere Aufgaben verbunden. Die EMPs verantworten hierbei im Regelfall das Kundenmanagement wohingegen der CPO den technischen Betrieb sicherstellt. Viele Unternehmen und Stadtwerke fungieren simultan als EMP wie auch als CPO.
6. Welche technischen Spezifikationen muss die Ladeinfrastruktur haben?
Abhängig von den technischen Möglichkeiten der anzuschaffenden Ladeinfrastruktur, dem Fahrprofil sowie dem Nutzerverhalten ergeben sich weitere wesentliche Aspekte für die Planung: Mit welchem Fahrzeugtyp wird die Ladesäule beispielsweise genutzt werden, welche Ladeleistung hat das Fahrzeug, ist es schnellladefähig, wann soll geladen werden und welche Zeit steht zum Laden des Fahrzeuges zur Verfügung? Die Antworten auf diese Fragen klären, welche Ladeleistung angebracht ist und ob eine AC-Ladesäule ausreicht oder eine DC-Ladesäule besser geeignet ist. Um hier Fehlern vorzubeugen, sollte die zu erwartende Anzahl der Ladevorgänge sowie die notwendige Leistung im Vorfeld definiert werden.
7. Sind die baulichen Anforderungen gegeben?
Ob öffentlich zugänglich oder nicht – die Liste baulicher Anforderungen ist lang und detailliert. So ist der Schutz vor Umwelteinflüssen ebenso beschrieben wie zulässige Umgebungstemperaturen und Luftfeuchtigkeit. Ist eine Authentifizierung des Fahrers an der Ladesäule erforderlich, um die Ladevorgänge zu monitoren, muss eine WLAN oder Mobilfunkanbindung vorhanden bzw. möglich sein.
8. Sind Hard- und Software interoperabel?
Dass Hard- und Software miteinander kommunizieren können, ist nicht nur Grundvoraussetzung für Ladevorgänge, für die das Unternehmen später eine Rechnung stellen will. Auch für das Roaming und Lastmanagement bedarf es eines gemeinsamen Protokolls. Proprietäre Ladestationen, die nicht mit dem Standard- OCPP-Protokoll betrieben werden können, sind in ihrer Flexibilität stark eingeschränkt wenn es darum geht, flexible und herstellerübergreifende Abrechnungssysteme einzusetzen.
9. Ist die Datensicherheit bei allen Vorgängen garantiert?
Die Umsetzung der Datensicherheit und der Schutz der persönlichen Daten müssen nach gesetzlichen Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes, den Landesdatenschutzgesetzen und der Europäischen Datenschutzkonvention erfolgen. Das Hosting und die Verarbeitung der Daten in europäischen Rechenzentren ist damit ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl des Software-Partners.
Fazit: Langfristig planen, Fremdexpertise nutzen „Das Angebot und der Betrieb von Ladesäulen ist für Unternehmen zunächst mit vielen Fragen verbunden. Diese so früh wie möglich, auch für die langfristige Vision des Unternehmens zu beantworten, ist jedoch der Schlüssel für einen erfolgreichen Einstieg in den Markt“, so Christopher Kirschbaum. Ist nicht von Anfang an klar definiert, welche Ziele das Unternehmen in Punkto E-Mobilität verfolgt, sind kostenintensive Umrüstungen eine mögliche Folge. Um dies zu verhindern, sollten Interessierte schon früh auf die Beratung von Experten setzen.