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Wie und wann sich der Lieferservice für die Gastronomie lohnt

Der schnelle Aufbau eines Lieferservices und steigender Außerhausverkauf versprechen den Gastronomen, ihre Umsatzeinbrüche durch die Corona-Krise abzufedern und so das Überleben zu sichern. Doch wie geht es den betroffenen UnternehmerInnen mit den neuen Vertriebswegen? Geht die Rechnung des scheinbar einfachen Auswegs aus der Krise auf? Eine Gastronomin aus Potsdam berichtet über Ihre Erfahrungen.
ThaiThaoLe

Die 29-jährige Thai Thao Le ist Inhaberin des „Le‘s Cyclo“ in Potsdam. Ihr Team baute beim ersten Lockdown erstmalig einen Lieferservice auf, stellte ihn nach vorläufigem Ende der Schließungen dann wieder ein. Im gemeinsamen Gespräch über die alte, neue Lieferrealität wird deutlich: Die Restaurants sind besser vorbereitet als noch im März, doch ist Vorbereitung bei Weitem nicht alles.

Digitale Infrastruktur gefragt

Vieles von dem, was Anfang des Jahres gelernt wurde, gilt nun erneut. Nur wer Möglichkeiten des Außerhausverkaufs anbietet, kann überhaupt noch arbeiten. Für die meisten GastronomInnen macht das die Zusammenarbeit mit größeren Plattformen notwendig. Doch die digitale Sichtbarkeit kostet: „Die bekannten Apps kamen für uns nicht in Frage. Bis zu 30 Prozent der Einnahmen wären hier direkt wieder weg gewesen. Dank „Hello Potsdam“, einer lokalen Initiative, konnten wir uns aber relativ unkompliziert einen eigenen Lieferdienst aufbauen“, erinnert sich Thai Thao. Die Aktualisierung der Webseite und das Teilen der Angebote auf Social Media hatten dabei auch ihren Anteil, doch ohne die faire Plattform der Potsdamer Community sei die Auftragslage sicherlich anders gewesen.

Der Aufbau einer digitalen Infrastruktur ist auch für Gastro-Experte und Geschäftsführer von resmio, Christian Bauer, der erste Schritt, bei dem Betreibende unterstützt werden können. Die Managementlösung für GastronomInnen stellte ihren Kunden zu Beginn der Krise eine Bestellsoftware bereit, um unabhängig von großen Plattformen weiter agieren zu können. „Wir haben beobachtet, wie mit der Funktion schnell hunderte Bestellungen am Tag abgewickelt wurden. Nach Ende des ersten Lockdowns konnten wir aber auch sehen, wie schnell die Restaurants das Liefergeschäft wieder beendeten, obwohl die Branche weiterhin mit einem deutlich niedrigeren Umsatzniveau rechnen musste“, berichtet Bauer. Und so stellte auch das Le’s Cyclo in Potsdam den Außerhausverkauf nach Wiedereröffnung umgehend wieder ein. Wieso verzichtete das Team auf den zweiten Vertriebsweg?

Umsatz ist nicht alles

„Ein Gericht entweder im Restaurant oder bei zu sich zuhause zu genießen, sind zwei sehr unterschiedliche Dinge“, erklärt Thai Thao. „Und genau so unterschiedlich sind auch die Gegebenheiten, die ein Restaurant haben muss, um das eine oder das andere perfekt und auf Dauer für sich lukrativ anzubieten. Das gilt für die Kapazitäten beim Personal, für die Räumlichkeiten in der Küche und am Ende natürlich auch für die Marge.“ Durch fehlende Einnahmen bei Getränken, weniger Trinkgeld und neu entstehenden Kosten für Lieferpersonal sei die Rentabilität in der Lieferrealität nämlich eine deutlich andere. Der Experte Bauer sieht diese für Betriebe in ländlicheren Räumen besonders kritisch: „Wenn die Anfahrtswege für die Lieferungen länger werden, müssen für einen tatsächlichen Gewinn noch mehr Speisen verkauft werden“. Die Kosten mit den Einnahmen abzugleichen, sei dabei eine sehr individuelle Rechnung. Als am 15. Mai die Lokale in Potsdam wieder öffnen konnten, war für Thai Thao Le schnell klar, dass sich die zusätzlichen Verkäufe im Außerhausgeschäft in ihrem Fall nicht lohnen würden. „Wir waren damals in der glücklichen Lage, dass wir während der Stoßzeiten mit gut angenommenem Lieferservice sogar überlastet waren. Eine Rückkehr zum Liefern ist nur dann geplant, wenn es sonst keine andere Möglichkeit gibt.“

Lockdown bis vorerst Monatsende

Dieser Fall ist erneut am 2. November eingetreten. Bis vorerst zum Monatsende wird aus „Le’s Cyclo“ wie aus allen anderen Restaurants Deutschlands wieder ein Lieferservice – für die Gastronomin eine erneute Bewährungsprobe, für die sie und ihr Team aber bestens gewappnet sind. „Viele Restaurants sind aktuell besser aufgestellt als im Vergleich zu den Krisenmonaten März und April“, sagt auch Bauer. „Die Branche reagiert zum kommenden Weihnachtsgeschäft erneut mit tollen Angeboten und viel Kreativität. Dass das Liefern aber nur für einen Teil der Betriebe möglich ist und auch nur teilweise als Ersatz für das eigentliche Geschäft dienen kann, lässt sich nicht ignorieren.“ Der Experte empfiehlt GastronomInnen, sich in Zukunft noch digitaler aufzustellen. So sorgt der Aufbau einer eigenen Reichweite auf Social Media für mehr Unabhängigkeit und neuartige Konzepte, wie der Aufbau eines Online-Shops, für die Abgrenzung von anderen.

Unterstützung fand Thai Thao Le zudem immer in der Gemeinschaft. „Projekte wie ‚Hello Potsdam‘ zeigten den Zusammenhalt der Branche und werden auch den zweiten Lockdown vergehen lassen.“ Nur über eines beklagt sich die zweifache Mutter dann doch: „Die Gäste und das Gastgebersein – das ist es, was wirklich fehlt!“

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