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BFH-Urteil zur Erbschaftsteuer: Gefahr für Familienbetriebe der Gastronomie und Hotellerie?

Das Erbschaftsteuerrecht sieht für Betriebsvermögen teils umfangreiche Befreiungen von der Erbschaftsteuer vor. Das galt in der Vergangenheit auch für Betriebe aus der Gastronomie und Hotellerie. Nun sorgt ein Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) für Aufregung in Familienbetrieben im Beherbergungsgewerbe: Denn quasi im Vorbeigehen lässt das Gericht verlauten, dass diese Steuervorteile nicht für Beherbergungsbetriebe und ggf. die Gastronomie gelten.
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Vorteile bei Erbschaftsteuer für Betriebsvermögen

Das Erbschaftsteuer- und Schenkungsgesetz (ErbStG) legt in den §§ 13a und 13b ErbStG fest, dass bestimmte Betriebsvermögen bei der Bemessung der Erbschaftsteuer begünstigt sind. So ist es möglich, dass das Finanzamt Verschonungsabschläge von 85 % oder sogar von 100 % festlegt.

Das entlastet Erben dieser begünstigten Betriebsvermögen finanziell immens und führt vor allem bei Familienbetrieben dazu, dass diese Betriebe im Erbfall nicht finanziell unter der Erbschaftsteuerlast zusammenbrechen.

Keine Privilegien für „Verwaltungsvermögen“

Vereinfacht ausgedrückt sollen für unproduktives, risikoloses, renditeorientiertes Verwaltungsvermögen diese Privilegien nicht gelten. Mit den Regelungen zur erbschaftsteuerrechtlichen Begünstigung von Betriebsvermögen wollte der Gesetzgeber mithin produktives Vermögen begünstigen. Vermögen hingegen, das in erster Linie der weitestgehend risikolosen Renditeerzielung dient und meist weder die Schaffung von Arbeitsplätzen noch zusätzliche volkswirtschaftliche Leistungen bewirkt, sollte von der Begünstigung ausgenommen sein (vgl. BTDrucks 16/7918, S. 35 f.).

Von der Einordnung als steuerlich begünstigtes Betriebsvermögen oder „schädliches Verwaltungsvermögen“ hängt also für Erben oft viel ab – gerade auch, wenn es um Beherbergungsbetriebe als Familienbetriebe geht.

Kann damit etwa ein Hotelgebäude privilegiertes Betriebsvermögen sein?

Grundsätzlich sind „Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke und Grundstücksteile“ schädliches Verwaltungsvermögen und damit in Hinblick auf die Erbschaftsteuer nicht begünstigt.

In einer aktuellen Entscheidung des BFH hat dieser festgestellt, dass jedenfalls ein Parkhaus kein steuerlich privilegiertes Betriebsvermögen sein könne (BFH, Urteil v. 28.02.2024, Az.: II R 27/21).

Der BFH beließ es bei seiner Entscheidung aber nicht bei den Parkhäusern, sondern gab den Hinweis, dass ebendies auch für Beherbergungsbetriebe gelten könne.

Er führt aus, dass auch keine andere „Überlassung von Grundstücksteilen an Dritte“, wie z. B. Beherbergungsbetriebe (Hotels, Pensionen, Campingplätze) und Räume in Gaststätten begünstigt ist.

Finanzieller Ruin für Familienbetriebe im Beherbergungsgewerbe?

Kommt diese Rechtsprechung in der Praxis zur Anwendung, würde das den Betrieb zahlreicher Hotels, Pensionen und Campingplätze beim Generationenwechsel wegen hoher finanzieller Belastung durch Erbschaftsteuern gefährden.

Dabei erscheint das Urteil in Bezug auf Beherbergungsbetriebe wenig nachvollziehbar, da bisher „produktives (Betriebs-)Vermögen“ in Hinblick auf die Erbschaftsteuer entlastet wird.

Ein Beispiel: Ein Familienunternehmen produziert beispielsweise Stoffe oder Eisenwaren. Wird die Fabrik/Fertigungsstätte Teil der Erbmasse – geht also nach einem Erbfall auf die nächste Generation über – und wird das Unternehmen/die Produktion fortgeführt, greift die Erbschaftsteuerbegünstigung. Das Gleiche gilt in der Land- und Fortwirtschaft.

Das soll sich nun jedenfalls für Beherbergungsbetriebe bzw. das Gastgewerbe ändern, die nach diesem Urteil rein renditeorientiertem Verwaltungsvermögen gleichgestellt werden. Das erscheint allerdings nicht sachgerecht und wird auch dem Sinn und Zweck der Vorschriften zur Entlastung von Betriebsvermögen nicht gerecht.

Denn das Gastgewerbe inkl. der Beherbergungsbetriebe hat eine vollkommen andere arbeitsmarktpolitische und volkswirtschaftliche Bedeutung, der mit Erleichterungen im Bereich der Erbschaftsteuer bei Familienbetrieben Rechnung getragen werden sollte.

Ist die Gastronomie auch betroffen?

In diesem Kontext stellt sich dann eine wichtige Frage: Ist die Gastronomie auch betroffen?

Hier kommt es wohl nach aktuellem Stand darauf an, wie genau der gastronomische Betrieb arbeitet. Letztlich dürfte entscheidend sein, ob eine Gaststätte „Grundstücksteile an Dritte überlässt“.

Wer in einem Familienunternehmen mit eigener Immobilie nur Menschen bewirtet, also Gäste in seine Räume einlässt und sie bewirtet, kann wohl aufatmen.

Problematisch könnte es allerdings werden, wenn Betreiber von Gaststätten über so etwas wie einen Festsaal oder abgetrennte Räume verfügen und diese Räume z. B. für Feiern wie Hochzeiten, Geburtstage etc. vermieten. Hier muss man – wenn man die Rechtsprechung des BFH eng auslegt – wohl auch davon ausgehen, dass derartige Gastronomiebetriebe nicht mehr erbschaftsteuerlich privilegiert sind, wenn die Immobilie an die nächste Generation vererbt wird.

Und Gaststätten, die ihre Räume für geschlossene Veranstaltungen oder für Feiern im laufenden Betrieb an Gäste vermieten? Auch hier könnte es in Anbetracht dieses Urteils aktuell erbschaftsteuerrechtlich eng werden.

Da vor allem das letztere Modell in der Gastronomie gang und gäbe ist, würde die Rechtsprechung des BFH wohl auch voll in gastronomischen Familienbetrieben mit eigener Immobilie durchschlagen, wenn diese Immobilie auf die nächste Generation übertragen und weiter betrieben wird.

Ist das Urteil für die Finanzverwaltung bindend?

Grundsätzlich gilt für Urteile des BFH, dass es sich dabei um Einzelfallentscheidungen handelt, die keine Bindungswirkung über den entschiedenden Sachverhalt hinaus entfalten. Die Finanzverwaltung macht die Entscheidungen erst dann für die Finanzverwaltung bindend, wenn die BFH-Urteile im Bundessteuerblatt veröffentlicht werden. Stand heute hat diese Veröffentlichung nicht stattgefunden. Ob eine solche erfolgen wird, ist nicht vorhersehbar.

Klare gesetzliche Regelung & Nichtanwendungserlass

Damit Familienbetriebe, die nun im Wege der Erbfolge oder Schenkung an die nächste Generation übergehen sollen, nicht wegen der erbschaftsteuerlichen Belastung ihren Betrieb einstellen müssen, sollten Gesetzgeber und Ministerien aktiv werden.

Einerseits müsste das Gesetz klarer gefasst werden, damit eindeutig ist, welche Betriebe begünstigt sind und welche nicht. Andererseits müsste das Bundesfinanzministerium mit einem Nichtanwendungserlass dafür sorgen, dass diese Rechtsprechung vorerst nicht zur Anwendung kommt und die bisherigen Richtlinien weiter angewendet werden können.

Was ist nun zu tun?

Sollte die Übertragung eines Beherbergungs- bzw. Gastronomiebetriebes anstehen, ist unabhängig von dieser BFH-Entscheidung frühzeitig mit der Planung zu beginnen.

Dabei sind 2 Alternativen zu durchdenken.

Soll der Betrieb zu Lebzeiten auf die Kinder übergehen, wäre es beispielsweise möglich, für den Übertragungsvorgang eine verbindliche Auskunft beim Finanzamt einzuholen. Diese Auskunft ist zwingend vor Umsetzung des Betriebsüberganges einzuholen. Das schafft Rechtssicherheit.

Bei der Übertragung durch einen Todesfall gestaltet sich die Situation schwieriger, weil sich die „Planbarkeit“ auf die testamentarischen Verfügungen beschränkt. Hier wird es keine pauschalen Lösungsansätze in der Beratung geben. Stattdessen wird man den Einzelfall prüfen und auf dieser Situation eine passende Gestaltung erarbeiten müssen.

Im Ergebnis ist in vielen Situationen darauf zu vertrauen, dass die Finanzverwaltung die BFH-Entscheidung nicht weitreichend auf die Hotellerie und Gastronomie anwendet.

Das BFH-Urteil vom 28.02.2024, Az. II R 27/21 hat u. U. Folgen für Familienbetriebe in der Gastronomie & Hotellerie bzgl. der Erbschaftsteuerlast. 

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