Herr Lindner, Sie setzen in Ihren Hotels konsequent auf die Digitalisierung. Hat Ihnen das während der Zwangsschließung geholfen?
Otto Lindner: Unsere Hotels waren wie überall für Übernachtungsgäste geschlossen. Die wirtschaftliche Existenz ist uns innerhalb kurzer Zeit weggebrochen. Wir mussten unsere Mitarbeiter in die Kurzarbeit schicken. Aber da die Hotels breitbandig ans Internet angeschlossen sind und wir in den Zimmern Hochgeschwindigkeitsanschlüsse bieten, haben wir uns entschieden, in den meisten unserer Häuser Zimmer als Homeoffice-Alternative zu vermieten. Wer zuhause nicht arbeiten konnte oder wollte, kann seitdem ein Hotelzimmer kurzerhand stundenweise als Homeoffice buchen. Das wird auch gut angenommen. Das hat uns nicht vor den katastrophalen Folgen des Lockdowns bewahrt, aber ein Stück weit geholfen. Wir konnten ein Zeichen geben, dass wir noch da sind.
Wie haben Sie Ihre Hotels digitalisiert?
Otto Lindner: Wir haben einen siebenstelligen Betrag in die Digitalisierung unserer Häuser – unter anderem in den Ausbau mit WLAN – gesteckt. Wo immer es technisch möglich ist, sind die Hotels per Glasfaser an das Internet angeschlossen. Dort erreichen wir dann Geschwindigkeiten von 1 Gigabit pro Sekunde. Teilweise haben unsere Zimmer eigene Hotspots. Geschäftsreisende können problemlos im Hotel arbeiten und Videokonferenzen durchführen. Und das störungsfreie Streamen von Netflix oder Amazon Prime gehört zum Standard.
Haben Ihnen digitale Lösungen auch nach der Wiedereröffnung geholfen?
Otto Lindner: Digitalisierung schafft uns die Möglichkeit, Abstand zu halten. Unsere Gäste können online ein- und auschecken. Sie reservieren ihr Zimmer mit dem Smartphone und erhalten rund 24 Stunden vor dem Einchecken einen QR-Code, mit dem sie einen Zimmerschlüssel ausdrucken können. Der Check-out erfolgt auch mobil. Die Rechnung lässt sich online begleichen. Für uns war das Wiederhochfahren damit trotz der Hygienebestimmungen sofort möglich.
Auf welches Format setzen Sie bei der Gästedaten-Erfassung (Kontaktdaten-Nachverfolgung)? Welches digitale System setzen Sie ein oder planen es einzusetzen?
Otto Lindner: Da wir die Daten unserer Gäste für die Länge der gesetzlichen allgemeinen Pflichten im normalen Buchungsvorgang in unserem CRM-System speichern, benötigen wir hier keine zusätzliche Lösung.
Manche scheuen die Einführung von digitalen Lösungen, da es ihnen an technischem Know-how fehlt?
Thomas Spreitzer: Detailliertes, technisches Know-how ist auf Kundenseite nicht notwendig. Wichtiger ist ein Verständnis, welche Chancen Digitalisierung bieten kann und die Bereitschaft, mit einem Technologiepartner zu kooperieren. Bei Bedarf installieren wir nicht nur, sondern betreiben auch. Das ist für kleinere Betriebe ein Alternative. Bei Lindner ist es eine Mischung: Über ein zentrales Dashboard kann die Lindner-IT jederzeit die Bandbreiten gleichmäßig im gesamten Hotel verteilen und bei Bedarf weitere hinzubuchen. Auch die zentrale Telefonanlage ist integriert. Die Administration und Wartung des Rechenzentrums und der Telefonanlage übernimmt die Telekom. Das Netz und der E-Mail-Verkehr der Hotels sind mit einer Firewall aus der Cloud der Telekom geschützt. So sind auch die Daten der Hotelgäste stets sicher.
Eine Studie von Roland Berger aus dem April 2019 zum Stand der Digitalisierung in der Hotellerie hat gezeigt: Zwar sehen in Deutschland vier von fünf Befragten die Digitalisierung als einen wesentlichen Faktor für die Entwicklung der Hotelbranche, doch nur ein Viertel stuft sich selbst als digital fortgeschritten ein. Warum diese große Diskrepanz?
Thomas Spreitzer: Das sehen wir nicht nur in der Hotel- und Gaststättenbranche. Der Effekt der Digitalisierung wird massiv unterschätzt. Wer stärker digitalisiert ist, senkt Kosten: sowohl im Betrieb als auch in der Kundenakquise, da sich Zielgruppen gezielter erreichen lassen.
Otto Lindner: Es gibt zwei Gründe für die verhaltene Digitalisierung. Viele Hotelbetreiber unterschätzen, welche Bedeutung digitale Services inzwischen für ihre Hotelgäste und Mitarbeiter haben. Dass sie inzwischen sogar ein Kriterium für die Auswahl des Hotels sind. Zweitens sehen viele Hotelbetreiber nicht den Nutzen, den die Digitalisierung – unter anderem wirtschaftlich – für sie hat. Sie schätzen daher die Investitionen in die Lösungen als zu hoch ein.
Glauben Sie, dass die Erfahrungen aus der Lockdown-Zeit die Nachfrage nach digitalen Lösungen antreiben wird?
Thomas Spreitzer: Auch wenn der Lockdown fast alle Unternehmen getroffen hat, kamen stärker digitalisierte Betriebe besser durch die Krise. Sie waren widerstandsfähiger, weil sie sich schneller anpassen konnten und sie waren effizienter. Lindner ist dafür ein gutes Beispiel. Wir haben schon vor zwei Jahren über Coworking Spaces gesprochen. Deswegen war der Schritt zum Homeoffice-Angebot ein sehr mutiger, innovativer Schritt. Solche Beispiele zeigen, was mit Digitalisierung möglich ist. Insofern hoffe ich, dass das Thema Digitalisierung nicht mehr nur als Spielerei begriffen wird. Es ist ein konkretes Instrument, um sich deutlich schneller und flexibel auf neue Herausforderungen einstellen zu können. Covid-19 ist also ein Brandbeschleuniger für die Digitalisierung. Schon zu Beginn der Krise ist das Interesse an unseren digitalen Lösungen deutlich gestiegen. Das lag vor allem an der Notwendigkeit, Mitarbeiter ins Homeoffice zu schicken oder Webshops einzurichten. Hier bestand von jetzt auf gleich ein großer Bedarf an schnelleren Internetanschlüssen, Videokonferenzsystemen oder Cloud Computing. Auch das Thema Sicherheit verzeichnet einen Schub. Wir sind daher überzeugt, dass jetzt viele Digitalisierung als Chance begreifen.
Was raten Sie Unternehmen für die nächsten Monate?
Thomas Spreitzer: Sich seiner Kernkompetenzen und Differenzierung bewusst zu werden und die Digitalisierung jetzt anzugehen. Will ich neue oder bestimmte Zielgruppen erreichen, kann ich das mit Kundenmanagementsystemen und Online-Marketing verbessern. Für die Kunden kann ich Hürden von der Anmeldung bis zum Check-out abbauen. Oder Entertainment-Angebote im Zimmer und ein breitbandiges WLAN. Wer jetzt digitalisiert, kommt nicht nur besser durch die nächste Krise, sondern ist langfristig erfolgreicher. Der Einstieg geht schnell und ist einfach.
Seit dem 1. Juli 2020 beinhaltet der Katalog der Hotelsterne-Vergabe durch Hotelstars.EU auch eine Reihe von Digitalisierungskriterien. Wurde es Zeit, digitale Bewertungskriterien aufzunehmen?
Otto Lindner: Unbedingt, da dies hilft, die Digitalisierung der Hotels voranzutreiben. Möglicherweise einen Stern wegen fehlender Digitalisierung zu verlieren oder nicht zu bekommen, will sich kaum jemand leisten. Wenn aus der Kür eine Pflicht wird, werden auch die zögerlichen Hotelbetreiber jetzt schneller an die Umsetzung gehen. Ich kann nur sagen: Digitalisierung schafft Freiräume.