Suche

Gastgewerbe: Viele Mitarbeitende fühlen sich in der Krise nicht angemessen unterstützt

Nur wenige Unternehmen hat die Covid-19-Pandemie so sehr getroffen wie die Gastronomiebetriebe. Das macht sich auch in den dortigen Arbeitsbedingungen bemerkbar. Viele Beschäftigte sehen sich mit Unsicherheit und veränderten Anforderungen konfrontiert, was den Fachkräftemangel in den beiden Branchen zusätzlich befeuern kann. New-Work-Expertin Nicole Thurn kommentiert aktuelle Studiendaten zur Personalsituation im Gastgewerbe.
Tijana Simic, iStockphoto

Die Daten entstammen aus einer Erhebung von Yonder Consulting im Auftrag von Workday sowie dem Whitepaper „New Work in Retail 2021“ des EHI Retail Institute – und zeigt auf, welche möglichen Handlungsfelder es für Arbeitgebende jetzt gibt.

„New Work“ für viele in weiter Ferne

In Handel und Gastgewerbe spielen Service-Fachkräfte nach wie vor eine entscheidende Rolle. Obwohl laut der EHI-Studie 71 Prozent der befragten HR-Verantwortlichen „New Work“ im Handel für ein Must-Have halten, sind viele Konzepte hier deutlich schwerer umzusetzen als für Mitarbeitende in klassischen Büro-Rollen. Entsprechend schwer lasten die Entwicklungen der vergangenen 18 Monate auf den beiden Branchen. Laut der Yonder-Studie, die im Auftrag von Workday unter über 17.000 Arbeitnehmenden in Europa durchgeführt wurde, hatten in deutschen Handels- und Gastronomiebetrieben nur 24 Prozent der Mitarbeitenden die Möglichkeit, im vergangenen Jahr ins Homeoffice zu gehen. Zum Vergleich: In Medien-, Technologie und Telekommunikationsunternehmen arbeiteten beinahe alle Befragten (87 Prozent) zumindest zeitweise von Zuhause. Wer in Handel und Gastronomie beschäftigt ist, war zudem vergleichsweise unzufrieden mit der Unterstützung durch den Arbeitgeber: Nur rund 59 Prozent sind der Meinung, die nötigen Ressourcen bekommen zu haben, um einen guten Job zu machen. Ein ähnlich geringer Anteil (61 Prozent) fühlte sich dafür gerüstet, guten Kundenservice bieten zu können.

Negative Mitarbeitererfahrung verschärft Fachkräftemangel

Unter allen Befragten berichteten Mitarbeitende aus Handel und Gastgewerbe am häufigsten, sich am Ende der Woche erschöpft zu fühlen. Das spiegelt sich auch in der Beurteilung der Führungsebene wider: Im Leadership-Performance-Index kommen Managementverantwortliche aus Handel & Gastgewerbe auf lediglich 107 Punkte. Das ist ein deutlich geringerer Wert als in den Vergleichsbranchen Finanzdienstleistungen (112) sowie Medien, Technologie und Telekommunikation (115). Einzig Mitarbeitende aus dem Bereich Professional Services (105) sind noch unzufriedener mit der Leistung ihrer Vorgesetzten.
Nicole Thurn sieht in der negativen Employee Experience von Handels- und Gastronomiebeschäftigten zwei zentrale Herausforderungen: Zum einen verschärft sich der Fachkräftemangel in den Branchen weiter. Zum anderen leidet auch die Kundenzufriedenheit, wie die EHI-Studie aufzeigt: 100 Prozent der Befragten stimmen zu, dass es einen Zusammenhang zwischen einem positiven Kundenerlebnis und der wahrgenommenen Sinnhaftigkeit der Arbeit auf Seiten der Mitarbeitenden gibt. Die Lösung besteht für Thurn daher in konsequenten Digitalisierungsinitiativen: „Wegen des Fachkräftemangels ist ein Umdenken hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und der Berufsrollen notwendig: Incentives wie flexible Arbeitszeiten, selbstgesteuerte Projektarbeit mit Collaboration Apps und Partizipation bei der Gestaltung von ganzheitlichen Kundenerlebnissen ziehen Talente an.“

Digitalisierung braucht ein konsequentes Re- und Upskilling

Um die Attraktivität von Handels- und Gastronomieberufen zu stärken, ist es entscheidend, Perspektiven durch Weiterbildungsmaßnahmen zu schaffen. Denn die beruflichen Anforderungsprofile verändern sich nicht nur in Folge der Pandemie. Thurn erläutert weiter: „Die persönliche Kundenbeziehung und die individuelle Customer Journey werden immer wichtiger. Verkäufer benötigen neue Kompetenzen in Verhaltens- und Verkaufspsychologie, ebenso wie digitale Kompetenzen für Bestellungen, Kundenkommunikation und Informationsfluss. Einfache Tätigkeiten, wie die der Supermarktkassiererin, werden von der Automatisierung abgelöst. Hier braucht es ein Upskilling in Richtung spezialisierter Beratung oder die Möglichkeit, intern neue Rollen und Aufgaben zu finden. Auch in der Gastronomie sind Beratungskompetenzen und digitale Skills wichtiger denn je, wie etwa beim Umgang mit Buchungs-Apps. Digitale Tools können die interne Weiterbildung der Mitarbeitenden erleichtern und sorgen gleichzeitig für einen besseren Workflow durch Mitarbeiterpartizipation sowie Elemente der Selbstorganisation.“

Weitere Artikel zum Thema

FG Trade, iStockphoto
Perspektiven sind wichtig – gerade in der aktuellen Lage. Und zu Perspektiven gehört auch ein Job. Das Startup shjft aus Hamburg hilft Menschen, die ihr Land verlassen mussten. Als größte Job-Community für Gastronomie und Hotellerie[...]
PeopleImages.com - Yuri A/Shutterstock.com
Laut des Workplace Report 2024 ist das Gastgewerbe mit 21 % die Branche mit dem höchsten Anteil an Mitarbeitern mit Burnout in Deutschland. Da die Branche auch einige der stärksten Risikofaktoren aufweist, ist es besonders[...]
Rodolfo Quirós, Pexels
Das Best Western Hotel Das Donners schafft Wohnraum für seine Mitarbeitenden. Nur wenige Minuten zu Fuß vom Hotel entfernt, entsteht in den kommenden Monaten ein vierstöckiges, modernes Mitarbeiterhaus nach Energieeffizienzstandard mit insgesamt elf Wohneinheiten. Mit[...]
Performance Hotel
Der Fachkräftemangel in Deutschland stellt Hotels vor eine große Herausforderung: Wie können sie potenzielle Bewerber auf sich aufmerksam machen, Arbeitskräfte gewinnen und sie auf lange Sicht binden? Schließlich verursacht nicht nur fehlendes Personal, sondern auch[...]
Emma Simpson, Unsplash
Unternehmer aus High-Performance Branchen wie der Hotellerie und Gastronomie erbringen täglich Höchstleistungen. Höchstleistungen, die außer ihnen niemand wahrnimmt. Alles andere hat meist höhere Priorität als der Unternehmer selbst, ganz zu schweigen seine Gesundheit oder Performance.[...]
Unser Newsletter

Bleiben Sie auf dem Laufenden mit regelmäßigen Informationen zum Thema Gastgewerbe. Ihre Einwilligung in den Empfang können Sie jederzeit widerrufen.