Ausgangspunkt für die Gründer des Salam Kitchen Thomas Wehrmann, Niklas Blömeke und Mike Gottlob, die schon in unterschiedlichen Konstellationen mehrere Lokale in Münster betreiben, war die Feststellung, dass es in der Universitätsstadt kein modernes arabisches Restaurant gab – obwohl die Nachfrage nach Gerichten aus dem Nahen und Mittleren Osten groß genug war. „Zuerst wollten wir also ein modernes arabisches Konzept etablieren“, berichtet Niklas Blömeke. Im Zuge der großen Flüchtlingsbewegungen aus dem arabischen Raum 2015 entstand dann die Idee, Flüchtlinge in das Konzept zu integrieren.
„Doch dies stellte sich als schwierig heraus“, berichtet Blömeke. Denn: Zum einen suchten viele Flüchtlinge nicht einfach nur einen Job, sondern wollten sich qualifizieren, um langfristig weiterzukommen – um Erfolg zu haben in einer Branche wie dem Gastgewerbe. Doch einer qualifizierten Ausbildung standen oftmals Sprachprobleme im Weg. So kamen die drei von einer Idee zur nächsten und kreierten neben dem Salam Kitchen als Restaurant noch ein zweites Element, die Kitchen Class – ein Projekt, das sie in Zusammenarbeit mit einem Bildungsträger, der Gesellschaft für Berufsförderung und Ausbildung (GEBA), als akkreditierte Maßnahme bei der Agentur für Arbeit entwickelten. Ein neues Konzept, das aber beispielhaft sein könnte.
Ein gewinnorientiertes Unternehmen …
Was hat sich also innerhalb des letzten Jahres entwickelt? „In erster Linie sind wir ein privatwirtschaftliches und gewinnorientiertes Restaurant“, sagt Blömeke. Zum Mittagsgeschäft und am Abend bekommen die Gäste auf den 80 Plätzen innen und 30 Plätzen außen arabisch inspirierte Gerichte serviert. „Wir haben diese Gerichte selbst entwickelt und uns bewusst davon gelöst, irgendwelche Nationalgerichte nachzukochen. Hauptsache, es schmeckt“, lautet Blömekes Ansatz. Ein Kitchen-Cross zwischen deutscher und orientalischer Küche ist durchaus gewollt. Alle Gerichte sind halal, die Hälfte vegetarisch, vegane Angebote gehören dazu. Das Konzept kommt an, seit der Eröffnung im Juli 2017 strömen die Gäste.
… aber auch Schule
Und dann ist da der zweite Teil: die Kitchen Class im Restaurant. Ab 9 Uhr wird drei Stunden Deutsch gebüffelt, geht es um Vokabeln und Grammatik, allerdings immer mit gastronomischem Hintergrund. „Das ist kein klassischer Sprachkurs, sondern eher berufsfeldbezogene Ausbildung auf Probe mit Eignungsfeststellung“, berichtet Blömeke. Am Nachmittag steht Praxisunterricht auf dem Programm – in der Küche oder im Service. Die Salam-Kitchen-Inhaber betonen aber, dass die Teilnehmer an diesem viermonatigen Programm nicht in den betrieblichen Alltag eingeplant werden, sondern begleitend und beobachtend tätig sind. Sie sollen die Branche kennenlernen, hineinschnuppern und erste Erfahrungen sammeln.
Der entscheidende Faktor ist die Integration dieser Flüchtlinge in die Branche von der ersten Minute der Maßnahme an. Schon vier der bislang 30 Absolventen der Kitchen Class haben eine Lehre in einem der Betriebe der drei Gründer begonnen. „Der große Vorteil ist, dass wir diese Menschen bereits kennen. Die Absolventen der Kitchen Class wissen aber auch, was in der Gastronomie auf sie zukommt und welche Anforderungen in einer gastronomischen Ausbildung gestellt werden“, sagt Blömeke. Die Flüchtlinge werden so nicht nur an die Gastronomie herangeführt, sondern von der ersten Sekunde an in der Branche integriert. Wer in keinem der Betriebe der drei Gründer weiterarbeitet, beginnt alternativ woanders mit einer gastronomischen Ausbildung, macht weitere Sprachkurse oder jobbt nebenher in der Gastronomie. Der Branche bleiben die meisten irgendwie verbunden. „Das Salam Kitchen ist das Sprungbrett für diese Menschen in unsere Branche“, sagt Blömeke mit einem bisschen Stolz. Allerdings in der Tat nur ein Sprungbrett, denn auch während der eigentlichen Ausbildung, die sich an die Kitchen Class anschließt, gibt es jede Menge Herausforderungen. Die drei kümmern sich auch weiterhin um die Flüchtlinge, organisieren Nachhilfe und Hausaufgabenbetreuung bei schulischen Problemen.
Die Resonanz auf das Projekt ist überwiegend positiv, wenngleich auch erklärungsbedürftig. „Unser Betrieb ist kein Zoo für Flüchtlinge, kein Flüchtlingsladen“, sagt Blömeke. „Wir wollen nicht, dass die Leute aus Neugier oder auf der Suche nach einem Quoten-Syrer kommen, sondern wegen des Essens.“ Auf der Karte und im Internet wird die Idee erklärt, werden die Hintergründe aufgezeigt. Auch wenn das Salam Kitchen für die drei Gründer primär als Restaurant funktionieren muss, wollen sie die Möglichkeit nutzen, neue Fachkräfte für die Branche zu begeistern. „Und ein bisschen kommen wir auch unserer sozialen Verantwortung nach“, sagt Blömeke. Es sei schön, etwas beitragen zu können – sowohl zur Integration von Flüchtlingen als auch gegen den Fachkräftemangel in der Gastronomie. Für die gesamte Branche ist der Betrieb in Münster nicht nur ein Gewinn, sondern ein Beispiel, das Schule machen sollte.
Die Statistik der Bundesagentur für Arbeit spricht eine eindeutige Sprache: Das Gastgewerbe leistet einen maßgeblichen Anteil bei der Beschäftigung von ausländischen Arbeitnehmern, insbesondere bei der Integration von Asylbewerbern. Ende Mai waren von den insgesamt knapp 6,7 Millionen sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern in NRW über 176 000 im Gastgewerbe beschäftigt. Während von allen Beschäftigten rund 10 Prozent aus dem Ausland kommen, liegt dieser Anteil im Gastgewerbe bei überdurchschnittlichen 31 Prozent. Und: 14,4 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer aus Asylherkunftsländern arbeiten im Gastgewerbe, bei den geringfügig Beschäftigten sind es über 39 Prozent. „Das Gastgewerbe in NRW ist nicht nur bei den Gästen und auch bei den Mitarbeitern eine multikulturell ausgerichtete und internationale Branche, sondern leistet auch einen wichtigen Beitrag zur Integration“, interpretiert Präsident Bernd Niemeier diese Zahlen. Integrationsmotor Gastgewerbe