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Keine Pflicht zur elektronischen Arbeitszeiterfassung

Am 02.12.2022 wurden die mit Spannung erwarteten Entscheidungsgründe zum aufsehenerregenden Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 13.09.2022 zur Arbeitszeiterfassung veröffentlicht. Entgegen aller Erwartungen klärt das BAG wesentliche, im Vorfeld aufgeworfene Fragen, so u.a. zur Art und Weise der Zeiterfassung. Worauf Unternehmen nun achten müssen, erklärt Frau Rechtsanwältin Annabelle Marceau, Mitglied des Arbeitsrechtsteams von Oppenhoff.
Oppenhoff
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1. Entscheidung des BAG vom 13.09.2022

Dem BAG lag der Fall zugrunde, dass ein Betriebsrat ein Initiativrecht bei der Einführung eines elektronischen Arbeitszeiterfassungssystems geltend machte. Unter Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidung des LAG Hamm (Beschl. v. 27.07.2021 – 7 TaBV 79/20) lehnte das BAG am 13.09.2022 (1 ABR 22/21) den Antrag des Betriebsrats aber mit der Begründung ab, dass sich eine Verpflichtung zur Erfassung sämtlicher Arbeitszeiten bereits aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) ergebe, sodass für ein Initiativrecht des Betriebsrats kein Raum mehr bestehe.

Hiermit löste das BAG einen Paukenschlag aus, da insbesondere am Tag der Entscheidung lediglich eine knappe Pressemitteilung veröffentlicht wurde, welche mehr Fragen aufwarf als Klarheit schuf. Unter anderem stellte sich die Frage, ob Unternehmen nun zwingend zur elektronischen Arbeitszeiterfassung verpflichtet sind und händische Stundenzettel der Vergangenheit angehören. Zudem blieb die Frage zunächst ungeklärt, ob die Arbeitszeit von Beschäftigten im Gastgewerbe mit einem regelmäßigen Monatsentgelt von mehr als EUR 4.176,00 brutto entgegen der bisherigen Regelungen in § 17 Abs. 1 Mindestlohngesetz (MiLoG) in Verbindung mit § 1 Mindestlohndokumentationspflichtenverordnung (MiLoDoKV) ebenfalls zu erfassen ist.

2. Die Entscheidungsgründe

In den Entscheidungsgründen führt das BAG nunmehr ausführlich aus, dass Unternehmen bereits jetzt gesetzlich verpflichtet sind, ein System zur Erfassung von Arbeitszeiten einzuführen und auch zu nutzen. Dies galt aber bereits zuvor schon im Bereich der geringfügigen Beschäftigung und im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe seit der Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 für die Aufzeichnung von Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit betroffener Arbeitnehmer (§ 17 Abs. 1 MiLoG). Nunmehr ist die Arbeitszeit aber auch für Beschäftigte oberhalb der in § 1 MiLoDoKV statuierten Lohngrenze zu erfassen. Die Sonderregelungen des § 17 MiLoG, insbesondere hinsichtlich der Aufbewahrungsfristen, gelten aber weiterhin nur für den dort genannten Personenkreis.

Eine Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung leitender Angestellter besteht allerdings nach Auffassung des BAG nicht. Aus einem Erstrecht-Schluss kann hieraus zudem abgeleitet werden, dass Arbeitszeiten von Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern ebenfalls nicht erfasst werden müssen. Die vom BAG an dieser Stelle angewandte Dogmatik erscheint allerdings mehr als fragwürdig, da ein Ausnahmetatbestand des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) auf eine generelle Regelung des ArbSchG angewandt wird.

Mit erstaunlicher Klarheit stellt das BAG aber klar, dass eine elektronische Arbeitszeiterfassung nicht zwingend erforderlich ist. Vielmehr kann auch (weiterhin) ein händischer Stundenzettel zur Erfassung der Arbeitszeiten genutzt werden. Unternehmen haben aber bei der Wahl des Zeiterfassungssystems die Besonderheiten der jeweils betroffenen Tätigkeitsbereiche der Beschäftigten sowie die Eigenheiten des Unternehmens (insbesondere seine Größe) zu berücksichtigen. Rein wirtschaftliche Erwägungen genügen insoweit nicht.

Des Weiteren stellte das BAG fest, dass die tatsächliche Aufzeichnung der Arbeitszeiten auf die Beschäftigten delegiert werden kann und nicht unmittelbar durch das Unterneh-men durchgeführt werden muss.

3. Fazit

Die Entscheidungsgründe des BAG schaffen – wenn auch mit zum Teil fragwürdiger Begründung – Klarheit und beantworten die zuvor aufgeworfenen Fragen.

Gleichwohl stellt das BAG seine rechtliche Entscheidung gleich an mehreren Stellen in seiner Begründung unter den Vorbehalt zukünftiger Änderungen durch den Gesetzgeber und spielt somit den Ball erneut nach Berlin. Es bleibt abzuwarten, ob und wie die Bundesregierung im kommenden Jahr mit den Entscheidungsgründen und den bisher geltenden gesetzlichen Regelungen umgehen wird.

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