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Partizipative Dienstplanung: HR-Konzept aus Skandinavien bringt mehr Flexibilität

Das Gastgewerbe hat ein Employer-Branding-Problem, denn unzählige Arbeitskräfte verlassen derzeit die Branche aufgrund von starren Top-Down-Arbeitsbedingungen. Partizipative Dienstplanung hat das Potenzial, dies künftig zu verändern. Doch worum geht es bei diesem neuartigen HR-Konzept aus Skandinavien und worauf gilt es bei der Umsetzung zu achten? Jakob Toftgaard, Gründer und CEO von tamigo, erläutert, worauf es bei dem neuen HR-Trend ankommt, und gibt konkrete Tipps zur Umsetzung.
tamigo

Jeder fünfte Erwachsene in Deutschland überlegt aktuell den Job zu wechseln. Das ergab kürzlich eine Umfrage des ZDF. Die wichtigsten Gründe: Unter anderem ein Mangel an Wertschätzung und überwältigender Stress im Berufsleben. Besonders im Gastgewerbe sind diese Probleme gravierend.

Um dies zu ändern und bei der Gewinnung sowie Bindung von Arbeitskräften ganz vorne mit dabei zu sein, müssen Unternehmen ihre Personalplanung künftig mitarbeiterfreundlicher gestalten. Denn mehr Mitarbeiterautonomie und Mitspracherecht bei der Personalplanung sind die neuen Erfolgsgaranten. Das Schlüsselwort lautet partizipative Dienstplanung.

Doch worum geht es bei diesem neuartigen HR-Konzept aus Skandinavien und worauf gilt es bei der Umsetzung zu achten?

Work-Life-Balance als oberste Priorität

Egal ob Hotels, Restaurants oder Resorts – die Sommersaison steht kurz bevor und vielerorts zeichnet sich das gleiche Bild ab. Es fehlt an Personal.

Die Pandemie hat zahlreiche Angestellte im Gastgewerbe dazu gebracht, ihr Leben zu überdenken und neu zu priorisieren. Nach monatelangen Lockdowns und unsicheren Arbeitsbedingungen suchen sie heute nach einem Arbeitsumfeld, das ihnen mehr Autonomie und Mitspracherecht bei der Arbeitszeitgestaltung bietet. Ein Phänomen, das in den letzten Jahren zur viel diskutierten “Great Resignation” geführt hat. Unzählige Arbeitskräfte kündigten ihre Jobs, um bessere professionelle Möglichkeiten zu finden. Dabei ist für viele eine bessere Work-Life-Balance zum A und O geworden.

Insbesondere die Dienstleistungsbranchen – allen voran das Gastgewerbe – wurden von dieser Kündigungswelle hart getroffen. Eine Branche, mit traditionell schlechtem Ruf, wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht. So gibt es nach Einschätzungen des Branchenverbandes Dehoga bundesweit aktuell um die 50.000 offene Stellen. Kein Wunder also, dass der Mitarbeitermangel neben den explodierenden Kosten für Lebensmittel, Energie und Personal zu den größten Herausforderungen der Branche zählt.

Der HR-Trend aus Skandinavien: Was ist partizipative Dienstplanung?

Doch wie kann eine flexible Arbeitsregelung mit verstärktem Fokus auf Work-Life-Balance künftig erreicht werden? In vielen Unternehmen lautet die Antwort: Homeoffice und Flexarbeit. Für die Frontline-Arbeitskräfte im Gastgewerbe ist dies jedoch kaum möglich.

Ein stattdessen erfolgreicher Ansatz zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Gastgewerbe ist die partizipative Dienstplanung. Denn im Gegensatz zur herkömmlichen „Top-down-Planung“ eröffnet der moderne skandinavische Ansatz den Angestellten eine aktivere Rolle bei der Personalplanung und die Möglichkeit, ihre zugewiesenen Arbeitsstunden selbstständig anzupassen. Ihre Bedürfnisse und Prioritäten rücken in den Vordergrund.

Die partizipative Dienstplanung kann demnach als zeitgemäßes Tool des partizipativen Führungsstils betrachtet werden. In Skandinavien wird dieser bereits seit langer Zeit erfolgreich praktiziert. Dabei sind Teilhabe und kontrollierte Autonomie das A und O. Denn das partizipative HR-Konzept ist eine abgeschwächte Form der vollständigen Selbstplanung. Manager und Personalverantwortliche haben stets die letzte Kontrollinstanz inne.

Was sind die konkreten Vorteile der partizipativen Planung?

Die partizipative Dienstplanung ermöglicht den Angestellten eine aktive Teilhabe im Planungsprozess. Sie können sich aktiv auf Schichten bewerben, Schichtpräferenzen in ihren Arbeitsprofilen angeben und Schichten untereinander tauschen. Im Gegensatz zur traditionellen Top-Down-Dienstplanung beteiligen sich alle Mitarbeitenden an der gemeinsamen Entwicklung des Dienstplans und ihre Präferenzen werden bestmöglich berücksichtigt. Dadurch ergeben sich zahlreiche Vorteile für Unternehmen:

  • Gesteigerte Zufriedenheit: Unternehmen, die mit dieser partizipativen Planungsform arbeiten, erleben oft eine Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit. Schließlich erlauben sie ihren Mitarbeitenden mehr Autonomie. Das signalisiert Wertschätzung und Einbindung. Zudem ermöglichen sie ihnen, besser auf ihre Work-Life-Balance zu achten und ihr Arbeitsleben stärker mit dem Privatleben in Einklang zu bringen.
  • Höheres Engagement: Die teilweise Selbstplanung von Diensten erhöht die Beteiligung aller Mitarbeitenden maßgeblich. Denn sie können sich beispielsweise selbstständig auf bevorzugte Schichten bewerben oder unpassende Dienste flexibel untereinander tauschen. Demzufolge erhalten sie mehr Kontrolle über ihren Arbeitsalltag, was wiederum zu einer gesteigerten Partizipation führt.
  • Bessere Dienstplanung: Durch die Übernahme von Verantwortung seitens der Angestellten sparen Unternehmen viel Zeit und vermeiden Unannehmlichkeiten. Schließlich erfolgt der Schichttausch nicht mehr allein durch den Planer. Stattdessen können die Mitarbeitenden selbst einsehen, wer dazu bereit ist, offene Schichten zu übernehmen. Dadurch wird die Kommunikation erleichtert und der gesamte Prozess effizienter gestaltet. Zudem können kostspielige Fehlzeiten besser vermieden werden.
  • Weniger administrativer Aufwand: In klassischen Top-Down-Planung laufen sämtliche Planungsschritte stets über die Manager oder Personalabteilung. Wenn Mitarbeitende jedoch einen Teil der Planung und Administration selbst übernehmen, werden die einstigen Verantwortlichen entlastet und Aufwände minimiert. Dies führt zu erheblichen Zeit- und Kosteneinsparungen im gesamten Unternehmen.

Worauf gilt es bei der Einführung zu achten?

Die Implementierung einer partizipativen Dienstplanung kann ein effektiver Ansatz sein, um die Arbeitsbedingungen im Gastgewerbe attraktiver zu gestalten. Dies erfolgt jedoch nicht von heute auf morgen. Für eine erfolgreiche Umsetzung benötigt es Zeit, den Willen neues auszuprobieren und Verantwortung abzugeben. Die nachfolgenden Tipps können dabei unterstützen:

Transparenz: Eine offene Kommunikationskultur, in der Mitarbeitende ihre Bedürfnisse und Präferenzen bezüglich ihrer Arbeitszeiten frei äußern können, ist entscheidend. So sollten sie beispielsweise stets über die spezifischen Anforderungen und Einschränkungen der Dienstplanung sowie die Anzahl an geplanten und gearbeiteten Schichten informiert werden. Überdies helfen regelmäßige Mitarbeiterbefragungen dabei, die individuellen Bedürfnisse und Präferenzen der Angestellten besser zu verstehen.
Vorlaufzeit und stabile Dienstpläne: Damit die Angestellten ihr Leben bestmöglich planen können, ist es essenziell Dienstpläne rechtzeitig zu erstellen und dafür zu sorgen, dass sie möglichst stabil sind. Kurzfristige Änderungen sollten vermieden werden, um der gesamten Belegschaft Planungssicherheit zu geben.

Technologieunterstützung: Ganzheitliche Workforce-Management-Lösungen helfen, die betrieblichen Prozesse zu erleichtern und den Mitarbeitenden eine bequeme Möglichkeit zu bieten, ihre Verfügbarkeit anzugeben, geplante Schichten einzusehen und Einsatzzeiten flexibel zu tauschen.

Entzieht die partizipative Dienstplanung Kontrolle?

Wenn die traditionelle Top-down-Planung lange Zeit die Norm war, erscheint es oft riskant, die Mitarbeitenden in essenzielle betriebliche Prozesse einzubeziehen.

Jedoch ist wichtig zu betonen, dass die partizipative Planung ausschließlich innerhalb der durch das Unternehmen eingerichteten regulatorischen Leitplanken möglich ist. Dadurch wird sichergestellt, dass flexible Schichtänderungen den Dienstplan nicht durcheinanderbringen. Gleichzeitig werden Verstöße gegen das deutsche Arbeitszeitgesetz (ArbZG) so zu jeder Zeit vermieden, Ruhezeiten eingehalten und die gesetzlichen Vorgaben zur werktäglichen Arbeitszeit sowie Sonn- und Feiertagsarbeit beachtet.

Fazit: In partizipativen Schritten gen Zukunft

Das Gastgewerbe hatte viele Jahre mit einem Mitarbeiterschwund und umstrittenen Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Um den Personalmangel künftig zu verringern, braucht es neue Konzepte, welche die veränderten Anforderungen der Arbeitskräfte berücksichtigen, ohne den Verantwortlichen die Kontrolle zu entziehen. Die partizipative Dienstplanung hat das Potenzial, diesen Platz einzunehmen. Mit einer offenen Kommunikationskultur, Beteiligungsbereitschaft und technologischer Unterstützung können Unternehmen diese innovative Planungsmethode erfolgreich implementieren und so ihre Wettbewerbsfähigkeit in der Branche langfristig steigern.

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