Eine Social-Media-Strategie sollte idealtypisch die beiden Elemente „paid“ und „organic“ enthalten. Organischer und bezahlter Content spielen hier zwar unterschiedliche, aber dennoch wichtige Rollen. Trotz der sich fortwährend verändernden Social-Media-Algorithmen, welche die Reichweite von organischem Content de facto begrenzen, vertieft „organic“ dagegen die Beziehungen zu bestehenden Followern bzw. begleitet potenzielle Kunden und Gäste auf deren gesamter Customer Journey und stellt dadurch eine stabile Kundenbindung her. Beide Content-Arten lassen sich zum Beispiel auch als zielgruppenspezifischer Kanal für Employee Advocacy und Kundenmarketingprogramme nutzen. Dagegen erzielt nutzergenerierter organic Content gerade im Tourismus und Gastgewerbe eine höhere Glaubwürdigkeit und wird von Usern insbesondere bei größeren Kaufentscheidungen verstärkt als Referenz herangezogen.
„Organic Content” als Basis
Organische Social Media fasst alle jene kostenlosen Inhalte zusammen, welche Nutzer, Unternehmen oder Marken mit- und untereinander teilen. „Organic Content“ bildet gewissermaßen die Basis einer modernen Social-Media-Strategie. Das können etwa Artikel, Wortbeiträge, Fotos, Videos oder andere Darstellungsformen sein, die in Feeds veröffentlicht und verarbeitet werden können.
Sobald organische Inhalte als Post in den sozialen Medien erscheinen, können Seitenbetreiber wie zum Beispiel Unternehmen oder Marken davon ausgehen, dass mindestens ein Teil der Follower und Fans, deren Follower und Freunde sowie User, die bestimmten Hashtags folgen, den Post bewusst wahrnehmen.
Gerade der Tourismussektor oder das Gastgewerbe kann mit originärem organischem Content sein Profil extrem schärfen, seiner Marke Individualität verleihen und über gute Posts positive Momente bzw. Touchpoints erzeugen, in welchen er die Peer Groups seiner Zielgruppe(n) auf deren Customer Journey abholt.
Ranking-Algorithmen vs. organic Social Media
Mit organischen Posts festigt der Tourismus die Beziehung zu Kunden und Gästen. Sie erzielen damit allerdings keine nennenswerte zusätzliche Reichweite und erschließen insofern auch keine neuen Kundengruppen. Und: Je niedriger der Marktanteil, desto größer die Follower-Rezeption eines Postings. Das bestätigt das oben gezeigte Beispiel (733 Aufrufe bei ca. 1.300 Followern).
Social-Media-Plattformen „großer“ Marken, die über viele Follower verfügen, erzielen dagegen mit organischen Postings eine weitaus geringere Reichweite. Im Durchschnitt liegt etwa die Reichweite organischer Facebook-Posts bei ca. 5 %.[1] Grund dafür sind die Ranking-Algorithmen der sozialen Netzwerke. Sie wirken organischen Postings diametral entgegen. Das führt generell zu sinkenden Reichweiten. Die weltweit größten Plattformen wie Facebook, Youtube, WhatsApp oder Instagram können daher keine großen Wachstumssprünge mehr versprechen. Sie haben eine Sättigungsphase erreicht, in der es immer schwieriger wird, bestehende Kundengruppen zu erreichen oder gar neue Kundensegmente zu erschließen.
Paid Social Media erschließt neue Zielgruppen
Diesen Konflikt löst Paid-Social-Media. Darunter werden alle Formen von bezahlter Werbung in den sozialen Medien zusammengefasst. Paid-Social-Media kann entweder in Form einer exponierten Feed-Positionierung selbst erstellter (organischer) Posts oder eben durch die Erstellung von Werbeanzeigen umgesetzt werden. Dieser Werbekanal zielt darauf ab, Verbraucher in der frühen Phase der Recherche anzusprechen. Je nach Plattform kann über spezielle Filter ein teilweise sehr zielgruppenscharfes Targeting vorgenommen werden, das u. a. demographische Faktoren mit einbezieht. Teilweise besteht sogar die Möglichkeit auf eigene CRM- und Kundendaten zuzugreifen und durch „Lookalike Audiences“ seine Zielgruppe zu erweitern. Auf diesem Weg erreicht bezahlte Werbung sowohl die Zielgruppe, erschließt aber gleichzeitig auch neue Kundensegmente, die sich zum Beispiel für touristische Angebote und Themen interessieren. Dadurch zeichnet sich Paid per se durch eine extreme Wachstumsorientierung aus.
Digitale Werbebudgets im Tourismus steigen
Das bestätigt auch eine Zenith-Umfrage. Bis 2023 sagt sie wachsende Werbebudgets im Touristik-Sektor für Paid-Social-Medias voraus. Für 2022 prognostiziert die Studie für diesen Marketing-Kanal ein Branchenwachstum von 36 %. Im Jahr 2023 sollen die Ausgaben für digitale Werbung dann schließlich um nochmals 19 % auf 70 % des gesamten Werbebudgets ansteigen.[2] Bestätigt wird dieser Trend auch durch die Berufsgruppe der Marketer in den Social-Media-Trends 2022 von Hootsuite. Mehr als die Hälfte der Befragten gab dort an, dass die Ausgaben für Social Media Werbung in diesem Jahr massiv erhöht werden sollen.[3]
Auf den richtigen Kanal-Mix kommt es an
Strategisch entscheidend ist jedoch, auf welchen Social-Media-Kanälen das Werbebudget für Paid-Social-Media eingesetzt werden soll. Hier kommt es auf einen effizienten Kanal-Mix an. Etablierte Kanäle wie Facebook punkten zwar mit einer großen Reichweite und einem konstantem, aber eher überschaubarem Wachstum. Nischenkanäle wie TikTok, Snapchat oder Pinterest verzeichnen dagegen überproportionale Zuwächse bei den Werbeausgaben, weil sie Werbetreibenden vergleichsweise große Wachstumsdynamiken bieten. Ihnen kam bisher eine eher untergeordnete Bedeutung zu. Jetzt aber verlagern Touristik-Marketer zunehmend ihre Ressourcen auch dorthin, weil auf diesen Kanälen Paid-Social-Media die größte Wirkung erzielt und Unternehmen dabei unterstützt, konkrete Geschäftsziele zu erreichen.
Extreme Wachstumsdynamiken bei Nischennetzwerken
Wie aus den Social-Media-Trends 2022 von Hootsuite hervorgeht, verbuchen TikTok, Pinterest und Snapchat die größten Sprünge bei der wahrgenommenen Effektivität von Paid-Social-Media. Sie verzeichnen im Jahr 2021 zweistellige Wachstumswerte, während sie im Vorjahresvergleich lediglich einstellig zunahmen. So schoss TikTok von 3 % (2020) auf 24 % (2021) in die Höhe – ein Anstieg von 700 %. Und Snapchat steigerte sich von 1 % (2020) auf 13 % (2021) – ein bemerkenswerte Wachstumsrate von 1.200 %.[4]
Mit diesen Wachstumsdynamiken lassen diese „jungen Netzwerke“ Facebook und Co. weit hinter sich. Ein Grund hierfür liegt wahrscheinlich in der zunehmenden Sättigung auf Seiten der Nutzer, welche gleichförmiger Anzeigen und Webebotschaften müde sind. Gerade für den stark gebeutelten Tourismus sowie das Gastgewerbe eine ohnehin kritische Tendenz. Nischennetzwerke wie TikTok, Pinterest oder Snapchat motivieren stattdessen die Werbetreibenden dazu, Inhalte zu erstellen, die sich gewissermaßen in das organische Nutzererlebnis der Plattform einfügen. Auch Tourismus-Marken wie Switzerland Tourism, die in diesen Netzwerken erfolgreich werben, haben längst verstanden, dass die Einstellung des Publikums entscheidend ist, weil die Verbraucher selbst wesentlich höhere Anforderungen an die Kreativität stellen. Gleichzeitig belohnen sie jene Marken, die ihren Erwartungen entsprechen. Marken, die sich von der Masse abhebe wollen, müssen in dieser Hinsicht innovativer in der Content- und Anzeigenentwicklung werden, um Usern einzigartige Erfahrungen auf jedem Kanal zu bieten.
Fazit
In einer Social-Media-Werbe-Strategie ergänzt Paid Content organische Posts. Dadurch lassen sich einerseits Kundenbeziehungen festigen, andererseits bietet sich mit Paid-Social- Media die Chance, neue Kundensegmente zu erschließen. Gerade für den Tourismus-Sektor, der von Bildern und Emotionen lebt, kommt es deshalb auf den richtigen Kanal-Mix an. Hier erzielen Plattformen wie TikTok mit neuen Werbeformaten auf der Customer Journey eine emotional größere Resonanz. Sie bieten eine Umgebung, in der Spaß und Verspieltheit die Hauptmotivation für User darstellen, dort überhaupt erst aktiv zu werden. Diese Kanäle fordern aber auch eine ganz neue Kreativität von Werbetreibenden, die Content-Erstellung anders bzw. neu zu denken. Sich nur auf Display-Werbung zu konzentrieren, wird zukünftig für Social-Media-Marketing-Strategien im Tourismus nicht mehr ausreichen. Aber: Konventionelle Plattformen wie Facebook und Instagram sind deshalb längst noch nicht überholt. User erwarten schlicht und einfach auch und gerade von Tourismus-Marken, dass sie auch auf diesen Kanälen präsent sind.
[2] Vgl. https://www.publicismedia.de/wp-content/uploads/2021/11/2021-11-22-travel-adspend-forecast-de.pdf
[3] Vgl. Social Media Trends 2022, S. 13, https://www.hootsuite.com/de/research/social-trends
[4] Ebda., S. 15