Suche

Ungeklärte Pflichtteilsansprüche können Unternehmen schädigen

In Deutschland kann niemand einfach so „enterbt“ werden, und auch über den Begriff des Pflichtteils kursieren viele Falschmeinungen. Der Pflichtteil besteht grundsätzlich in der Hälfte des Werts des gesetzlichen Erbteils. Aber wie wirkt sich das Pflichtteilsrecht auf gastgewerbliche Unternehmer aus?
jacoblund | iStockphoto
Anzeige

Was bedeutet der Pflichtteil im deutschen Erbrecht?

Der Pflichtteil ist ein wichtiger Bestandteil des Erbrechts. Zwar ist das deutsche Zivilrecht vom Prinzip der Privatautonomie geprägt, die sich auch in der Testierfreiheit widerspiegelt. Jeder Erblasser kann also in seinem Testament grundsätzlich eigene, von der gesetzlichen Erbfolge abweichende, Regelungen treffen. Dabei kann er auch seine nächsten Angehörigen enterben, diese also vom Erbe ausschließen. „Das bedeutet aber nicht, dass diese dann wirklich ‚enterbt‘ sind und sie keinerlei Ansprüche mehr gegen den Erben stellen können. Sie können nach §§ 2303ff. BGB Pflichtteilsansprüche geltend machen“, erläutert der Düsseldorfer Rechtsanwalt und Erbrechtsexperte Dr. Christopher Riedel.

Wie hoch ist dieser Pflichtteilsanspruch?

Der Pflichtteil besteht grundsätzlich in einem Geldbetrag in Höhe der Hälfte des Werts des gesetzlichen Erbteils. Damit hängt er vor allem davon ab, wie viele Erben es gibt. Christopher Riedel gibt ein Beispiel: „Hat ein verwitweter Erblasser zwei Kinder, steht ihnen nach der gesetzlichen Erbquote jeweils 50 Prozent des Nachlasses zu. Der Pflichtteil beläuft sich in diesem Fall also auf 25 Prozent, nämlich die Hälfte der Hälfte. Bei einem beispielhaften Vermögen von einer Million Euro beläuft sich der Pflichtteil also je Kind auf 250.000 Euro.“ Etwas anderes ist die Konstellation, wenn der Erblasser einen Ehepartner und drei Kinder hat, von denen eines nicht bedacht werden soll. Dann wäre es – Zugewinngemeinschaft als Güterstand unterstellt –  die Hälfte der gesetzlichen Erbquote von 16,66 Prozent, also rund 8,33 Prozent. Im Beispiel mit einer Million Euro läge der Pflichtteil bei 8333 Euro. „Wichtig: Der Pflichtteil ist grundsätzlich ein Baranspruch und unverzüglich zu begleichen. Das bedeutet also, dass der übergangene Erbe gegenüber dem oder den Erben den Anspruch direkt nach dem Erbfall geltend machen kann“, betont Christopher Riedel.

Wie wirkt sich der Pflichtteil bei Unternehmern aus?

„Das ist eine wichtige Frage von enormer Tragweite. Denn durch die durchaus teilweise hohen Vermögenswerte fällt natürlich durch das Pflichtteilsrecht ein ordentlicher Anspruch an“, sagt Christopher Riedel. Auch dies macht der Rechtsanwalt wieder an einem Beispiel fest: Werden im Ausgangsbeispiel Gesellschaftsanteile im Wert von zehn Millionen Euro nur an eines der Kinder weitergegeben, resultiert daraus zunächst, wenn es keine alternativen Regelungen gibt, ein Anspruch von 2,5 Millionen Euro, also die Hälfte des eigentlichen Erbteils von fünf Millionen Euro. „Im Rahmen der Unternehmensübertragung kann es also bei einer Pflichtteilsberechtigung zu einer hohen Belastung kommen, die der Erbe tragen muss – aber woher soll der Erbe diesen Baranspruch nehmen? Das geht oftmals nur durch den Verkauf anderer Vermögenswerte wie einer Immobilie oder sogar Unternehmensanteilen.“

Wie kann dieses Problem umgangen werden?

Sofern Unternehmer dazu neigen, einen oder mehrere gesetzliche Erben testamentarisch von der Unternehmensnachfolge auszuschließen, sollten sie das Thema Pflichtteil keinesfalls einfach auf sich zukommen lassen, rät der Erbrechtsexperte. Es sei entscheidend, dass sie langfristig planten, wie sie mit etwaigen Pflichtteilsansprüchen umgehen wollten und könnten. „Sie brauchen eine Strategie dafür, die rechtlich und betriebswirtschaftlich sinnvoll ist. Es geht schlicht darum, dass die Substanz des Familienvermögens nicht geschädigt wird.“ Eine gängige Lösung sei die Vereinbarung eines Pflichtteilsverzichts gegen Abfindung. Dies kann langfristig betrachtet äußerst sinnvoll sein, um die späteren Pflichtteilsansprüche eines Abkömmlings gegen die Erbmasse frühzeitig auszuschließen beziehungsweise abzufinden. „Das bedeutet konkret, schlicht eine Summe zu verhandeln, die dem übergangenen Erben gezahlt wird, während der andere Erbe das Unternehmen erhält. Das kann Barvermögen sein, das können Immobilien oder auch Wertpapierdepots sein. Es muss aber professionell gestaltet und in jedem Fall notariell beurkundet werden.“ Solche Fallstricke bei der Unternehmensnachfolge müssten gastgewerbliche Unternehmer beachten, um nicht in ein potenzielles Krisenszenario zu geraten. In die rechtliche und steuerliche Strategie der Vermögensübertragung sollten daher auch Fragestellungen rund um mögliche Pflichtteilsansprüche implementiert werden. Erst das führe zu einer professionellen Planung der umfassenden Nachfolge und verhindere teure Fehlentscheidungen.

Weitere Artikel zum Thema

Mikhail Nilov, Pexels
Von 60 Euro bis über 5.000 Euro: Die Preise bei Gewerbeversicherungen variieren je nach Branche und Unternehmensgröße enorm. Finanzchef24 rät, Policen genau zu vergleichen.[...]
Yuri Arcurs | iStockphoto
Der Gesetzgeber hat das Mutterschutzgesetz reformiert. Die wesentlichen Verschärfungen gelten für Arbeitgeber mit Stichtag 1. Januar 2018. Was Firmen tun sollten, um keinen Ärger mit der Gewerbeaufsicht zu riskieren.[...]
Negtar GmbH
In vielen Gesellschaften bleibt das Thema Lohn ein sensibles und oft gemiedenes Gesprächsthema, sowohl im privaten als auch im öffentlichen Raum. Diese Geheimniskrämerei führt zu Ungerechtigkeiten, verringert die Transparenz am Arbeitsplatz und verstärkt das Machtgefälle[...]
Rolf Klein
Die Übertragung von Vermögenswerten an die nächste Generation ist ein zentraler Aspekt der Nachlassplanung. Lebensversicherungen spielen dabei eine immer wichtigere Rolle, da sie neben finanzieller Sicherheit auch steuerliche Vorteile und eine hohe Flexibilität in der[...]
Pablo Merchán Montes, Unsplash
Wenn die Preise steigen, werden die Deutschen kreativ – auch beim Restaurantbesuch. Rund ein Drittel lässt Vor- und Nachspeise gern auch mal als Sparmaßnahme weg, wie eine aktuelle Umfrage von Lightspeed, globaler Anbieter einer cloudbasierten[...]
Unser Newsletter

Bleiben Sie auf dem Laufenden mit regelmäßigen Informationen zum Thema Gastgewerbe. Ihre Einwilligung in den Empfang können Sie jederzeit widerrufen.