Schaut man beim Spaziergang durch die Fußgängerzonen der Republik auf das geschäftige Treiben in den Restaurants, Bars und Cafés, könnte man meinen, die durch die Corona-Pandemie verordnete Zwangspause habe es nie gegeben. Auf den zweiten Blick aber sind die allgegenwärtigen Aushänge mit der Suche nach neuen Mitarbeitern nicht zu übersehen. Sie signalisieren: Im Gastgewerbe ist nach wie vor nichts normal. Das unterstreichen die Zahlen des Branchenverbandes Dehoga: Demnach verlor die Branche im vergangenen Jahr 325.000 Mitarbeitende. Im Mai 2021 gab es rund 162 000 sozialversicherungspflichtige Jobs weniger als im Mai 2019, vor der Krise.
In der zweiten Folge der neuen ETL ADHOGA ETL ADHOGA – Steuerberatung für Hotellerie und Gastronomie Interview-Reihe „Auf einen Espresso… Aktuelle Trends und Herausforderungen für Hotellerie und Gastronomie“ plädiert der gelernte Hotelfachmann Konstantin F. Ballek an Arbeitgeber in der Gastronomie, ihre Mitarbeiterrekrutierung auf den Prüfstand und ihre Leistungen in den Vordergrund zu stellen.
Dabei kann sich Ballek auf den reichhaltigen Erfahrungsschatz berufen, den er in über zehn Jahren beruflicher Selbstständigkeit in der Branche gesammelt hat. Das von ihm gezeichnete Bild bietet daher einen tiefen Einblick in die jüngere Vergangenheit des Gastgewerbes, die schon vor der Corona-Pandemie keinesfalls reibungslos funktionierte. Während vor zehn Jahren über 100.000 Auszubildende jährlich verzeichnet werden konnten, hat sich die Zahl bis heute nahezu halbiert. Der Mangel an qualifizierten Mitarbeitern wird von Jahr zu Jahr größer.
Ballek führt dafür viele Faktoren ins Feld. „Corona hat diese Tatsache einfach nur aufgedeckt und fungiert als Indikator dessen, dass gewisse Punkte in dem Bereich defizitär funktionieren“. Ihm zufolge muss sich das Image der Arbeit im Gastgewerbe ändern. Dabei nimmt Ballek insbesondere Arbeitgeber in die Pflicht: „Die Leute müssen ‚Bock‘ haben, bei dir zu arbeiten. Sie müssen sich wohlfühlen.“ Es gelte daher eine Atmosphäre zu schaffen, in der dies gewährleistet ist.
Gerade in einer Branche mit oftmals „schwierigen Arbeitszeiten“ müsse man für seine Mitarbeiter Planungssicherheit herstellen und nach außen kommunizieren: „Die Customer Journey muss zu einer Human Ressource Journey weiterentwickelt werden. Denn nur, wenn ich meinem Mitarbeiter viel gebe, bekomme ich auch viel zurück.“
Besonders beim Thema „Stellenanzeigen“ gebe es Optimierungsbedarf. „Eine Stellenausschreibung muss authentisch sein. Schon im Wording transportiert man seine Marke und signalisiert genau, wen man sucht. Umso besser die Ausschreibung ist und umso mehr Zeit man in sie investiert, desto besser sind die Bewerbungen, die man erhält. Im Grunde ist das Business Speed-Dating!“
Was kennzeichnet ihn also unterm Strich, den „perfekten Arbeitgeber“? „Aus meiner Sicht geht es nur um Respekt“, betont Ballek. „Für mich bedeutet ein perfekter Arbeitgeber, dass ein System geschaffen wird, von dem beide Seiten profitieren und gemeinsam besser werden“. Viel Veränderungsbedarf also für eine Branche, die „Gott sei Dank“ nach der Pandemie nicht mehr so aussehen wird wie davor, ist Ballek überzeugt. Hotellerie und Gastronomie müssten sich verändern, man sei aber bereits auf einem sehr guten Weg zu mehr Bodenständigkeit, Struktur und somit auch Größe. Corona, so scheint es, könnte sich auch hier langfristig als Katalysator für Fortschritt herausstellen.