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Die Tradition wird transformiert

Nichts bleibt wie es ist und das ist gut so – wenn es nach Holger Lange, Küchenchef der Münchner Wirtshäuser Ayinger am Platzl und Ayinger in der Au, geht. Nicht nur die traditionelle Wirtshausküche wandelt sich, auch das Berufsbild Koch und Köchin, genauso wie das Gästebild. Für Lange ein Grund zur Freude, denn sein Traumberuf gewinnt wieder mehr Ansehen – und auch neue kulinarische Facetten.
Platzl Hotels München

Was macht für Sie als Koch mit gut drei Jahrzehnten Erfahrung die Wirtshausküche heute so interessant?

Das Ehrliche, das Authentische, das Einfache auf einem hohen Niveau von Zutaten und Zubereitung zu bewegen, das ist eine Kunst, der es sich zu widmen lohnt. Bayerische Lebensart sehen, riechen und schmecken – intensiv wahrnehmen, nicht nur satt werden, sondern Gerichte entdecken wie eine Landschaft, die man mit allen Sinnen durchwandert. All das kann eine hochwertige traditionelle bayerische Wirtshausküche ihren Gästen bieten und bleibt dabei immer geerdet, bodenständig und nicht kulinarisch verkünstelt. Das ist einzigartig, unverwechselbar und gerade heute in einer Zeit, in der wieder viel bewusster wahrgenommen wird, sehr gefragt. Dazu gehört auch, dass Gäste viel mehr nachfragen und wissen wollen, woher welche Zutat auf dem Teller kommt.

Welchen Wandel erkennen Sie im Gästebild? Ist für die meisten nicht ein Schweinsbraten ein Schweinsbraten – und gut ist?

So war das früher. Doch das hat sich geändert. Unsere Gästestruktur hat sich deutlich verjüngt und die jüngeren Gäste von heute verfügen über eine höhere Kaufkraft als junge Gäste vor 20 Jahren. Heute will man den kulinarischen Kontext eines Gerichts kennen. Woher stammt das Fleisch? Wurde das Gemüse nachhaltig oder konventionell angebaut? Nicht jeder Gast stellt diese Fragen laut, aber immer mehr legen sie bei ihrer Entscheidung zugrunde, wohin es zum Essen gehen soll. Regionalität ist ein Mega-Trend und ein Thema, das für uns in den beiden Ayinger Wirtshäusern schon seit Jahren Bestandteil unserer Küchen-Philosophie ist. Heute machen wir das auch nach außen transparent: über unsere Speisenkarte mit Herkunftsangaben zu unseren Zutaten und im persönlichen Gespräch mit unseren Gästen.

Manchmal könnte man den Eindruck gewinnen, dass heute jeder mindestens vegetarisch, ja eigentlich nur noch vegan essen sollte – wie gehen Sie damit um?

Man muss schon noch unterscheiden zwischen öffentlich wahrnehmbaren Trends und dem, was die Menschen ganz individuell für sich möchten. Das geht Hand in Hand, ist aber nicht identisch. Natürlich gibt es hier eine klare Bewegung hin zu mehr vegetarischen und veganen Speisen. In meinen Augen ist jedoch der eigentliche Trend der, hin zu einem wachsenden Qualitätsbewusstsein und dem Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit – auch auf dem Teller. Aber ganz klar gehen wir auch hier mit der Zeit. Und das ist für mich als Koch sehr spannend. Wir integrieren, variieren und kombinieren immer mehr vegetarische und vegane Komponenten in unseren Gerichten und übersetzen dabei kulinarisch das Traditionelle der Gerichte in eine moderne Küchensprache. Das ist sehr spannend und wir als gesamtes Küchenteam können uns hier auf eine neue, kreative Weise einbringen und die Tradition transformieren.

Sie sprechen von Ihrem Küchenteam und vom Wandel des Gästebildes. Wird heute auch das Berufsbild Koch und Köchin wieder attraktiver? Hat es sich verändert?

Ja, auf jeden Fall. Und das hat viele Gründe. Einer davon ist, dass die Zeit der cholerisch führenden Küchenchefs eindeutig der Vergangenheit angehört. Es ist noch nicht lange her, da dachte man beim Kochberuf an knallharte Hierarchien, einen lauten und rauen Umgangston, eine Sechstageswoche und schlechte Bezahlung. Das hat sich erkennbar verändert – in der Küche selbst und als wahrgenommenes Berufsbild in der Öffentlichkeit. Klar, dazu haben auch die vielen Kochsendungen im Fernsehen ihren Teil beigetragen. Aber auch in der Küche selbst hat sich vieles zum Positiven gewendet. Was für mich persönlich vor rund drei Jahrzehnten der Grund war, den Kochberuf zu ergreifen, ist auch heute für viele wieder der Grund, diesen Weg zu gehen: Koch sein bedeutet, einen Beruf auszuüben, in dem man mit allen Sinnen arbeitet. Man kann sich entfalten wie man möchte und unglaublich viele Wege gehen – kulinarisch wie kulturell und geografisch. Als Koch oder Köchin kann ich auf der ganzen Welt arbeiten, ich kann mich ausprobieren – vom Restaurant über die Kantine bis hin zur Patisserie.

Haben Sie in Ihren Ayinger Wirtshäusern denn Nachwuchsprobleme?

Wir haben derzeit zehn Koch-Azubis, drei sind in diesem Januar neu hinzugekommen. Nachwuchsprobleme haben wir glücklicherweise nicht. Ich hoffe, das ist auch das Ergebnis unserer guten Arbeit und des guten Arbeitsklimas in beiden Wirtshäusern. Der Gewinn des Hospitality HR Award 2021 der Platzl Hotels, zu denen unsere Betriebe gehören, in der Kategorie „HR-Strategie, Individualhotellerie und Gastronomie“ ist für uns Nachwuchswerbung und Bestätigung zugleich, dass wir uns gastronomisch und unternehmerisch auf dem richtigen Weg befinden.

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