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Kündigung wegen Kaffeepause zulässig

Ein Arbeitgeber darf einer Mitarbeiterin kündigen, weil sie eine zehnminütige Kaffeepause in einem gegenüberliegenden Café machte, ohne sich aus dem Arbeitszeiterfassungssystem auszuloggen, so das Landesarbeitsgericht Hamm in seinem Urteil vom 27.01.2023. Rechtsanwalt Martin Loibl erläutert gemeinsam mit Patricia De Falco das Urteil und gibt einen Überblick über das Thema Arbeitszeit(-erfassung) im Gastgewerbe.
Loibl Law
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Kurz und knapp – das Wichtigste

  • Arbeitgeber trifft Pflicht zur Arbeitszeiterfassen,
  • Pflicht zur Zeiterfassung ist Arbeitsschutz,
  • Arbeitgeber muss ein System zur Arbeitszeiterfassung einrichten und vorhalten,
  • Aufzeichnung der Arbeitszeiten kann an die Beschäftigten delegiert werden,
  • Bußgelder bei Verletzung des Arbeitszeitgesetzes,
  • Regelung im Arbeitsvertrag zur Zeiterfassung sinnvoll,
  • Arbeitnehmer muss Arbeitszeit korrekt erfassen,
  • Kündigung für Arbeitnehmer bei Pflichtverletzung droht.

Arbeitsrecht und Arbeitszeit – was muss erfasst und beachtet werden

Arbeitgeber sind gesetzlich verpflichtet  Beginn und Ende und damit die Dauer der Arbeitszeiten einschließlich der Überstunden im Betrieb zu erfassen. Dies wurde jüngst durch das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit dem Urteil vom 13.09.2022 als Folge der Entscheidung durch den Europäischen Gerichtshof vom 14.05.2019, sog. Stechuhr-Urteil festgestellt. Auch Pausenzeiten müssen erfasst und ausgewiesen werden. Auch Pausenzeiten sind im Arbeitszeitgesetz geregelt und gehören nicht zur tatsächlichen Arbeitszeit und müssen entsprechend abgezogen werden, um die Dauer der Arbeitszeit zu ermitteln. Für bestimmte Personengruppe, wie Schwerbehinderte, Jungendliche unter 18 Jahren und werdende Mütter gilt ein besonderer Schutz, welcher vom Arbeitgeber beachtet werden muss.

Die Möglichkeit, dass die Arbeitszeit gar nicht erfasst werden muss, besteht nicht mehr.

Vertrauensarbeitszeit gilt weiter fort

Die sog. Vertrauensarbeit besteht ohne Änderungen fort, das bedeutet, dass ArbeitnehmerInnen nach den Vorgaben des Arbeitgebers nach wie vor selbst entscheiden können, wann sie arbeiten und wie sie ihre Arbeitszeit frei einteilen. Diese Möglichkeit bleibt grds. bestehen.

Vertrauensarbeitszeit meint die Erfassung der Arbeitszeit dahingehend, dass ArbeitnehmerInnen den Beginn und das Ende ihrer täglichen Arbeitszeit selbst bestimmen. Der Arbeitgeber führt keinerlei Kontrollen durch, er vertraut darauf, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ihre Arbeitszeiten auch einhalten. Trotz Vertrauen des Arbeitgebers gegenüber den ArbeitnehmerInnen müssen die gesetzlichen Regelungen des Arbeitszeitgesetzes wie Höchstarbeitszeiten, Ruhepausen, Ruhezeiten sowie das Sonn- und Feiertagsarbeitsverbot beachtet werden.

Der Unterscheid zu den bisherigen Regelungen ist, dass die Arbeitgeber nicht mehr auf jedwede Dokumentation der Arbeitszeit verzichten können. Das Bundesarbeitsgericht hat hinsichtlich der Arbeitszeiterfassung festgestellt, dass die Dauer der Arbeitszeit von Beginn bis Ende sowie Pausenzeiten und Überstunden erfasst werden müssen. Dass die Arbeitszeit gar nicht erfasst werden muss, ist vom Tisch. Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung besteht unabhängig von der Vertrauensarbeitszeit.

Spezielle Regelungen im Gastgewerbe

Folglich besteht die Zeiterfassungspflicht für die tatsächliche Arbeitszeit des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin. Ein Schicht- oder Dienstplan wird zukünftig nicht mehr ausreichend sein. Die tägliche Arbeitszeit darf laut des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) von maximal 8 Stunden nicht überschritten werden. Dies gilt für die Werktage Montag bis einschließlich Samstag. Die Maximalarbeitszeit eines Arbeitnehmers darf somit insgesamt 48 Stunden (6 Tage x 8h) pro Woche betragen. Die sog. 48-Stunderegelung umfasst hierbei  alle Tätigkeiten eines Arbeitnehmers, d.h. auch eine Nebentätigkeit.

Arbeitszeiten bei verschiedenen Arbeitgebern zusammenzurechnen sind. Bei ArbeitnehmerInnen, die hauptberuflich eine Vollzeitbeschäftigung ausüben und nach Feierabend oder am Wochenende einer Nebentätigkeit im Gastgewerbe nachgehen, um sich was dazuzuverdienen, nehmen die durch die Vollzeitbeschäftigung geleisteten Stunden in den Betrieb im Gastgewerbe mit ein.

Es darf somit nur die zulässige Höchstarbeitszeitgrenze gearbeitet werden. Beschäftigte im Gastgewerbe dürfen 10 Stunden pro Tag arbeiten, da die Normalstundenanzahl von 8 Stunden erhöht werden darf, jedoch nur, wenn die durchschnittliche tägliche Arbeitszeit innerhalb von 6 Monaten acht Stunden nicht überschreitet.

Für Sonn- und Feiertagen besteht von 0 bis 24 Uhr grundsätzlich ein Arbeitsverbot. Das Arbeitsrecht im Gastgewerbe enthält zahlreiche Beschränkungen und Ausnahmeregelungen wie die Ruhezeit zwischen zwei Arbeitsschichten, der Anzahl der freien Sonntage, den Regelungen des Jugendarbeitsschutzgesetz und den Sonderregelungen zur Nachtarbeit.

Welche Pflichten treffen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei der Arbeitszeiterfassung

Den Arbeitgeber trifft die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung und auch ein entsprechendes System vorzuhalten. Aufgrund des Fehlens einer gesetzlichen Grundlage leitet das Bundesarbeitsgericht (BAG) bzw. der Europäische Gerichtshof (EuGH) diese Pflicht aus den Grundpflichten des Arbeitgebers zum Arbeitsschutz her, konkret aus dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG).
Nach der Ansicht des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) trifft den Arbeitgeber die Pflicht zur Einführung und Vorhaltung eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems zur Arbeitszeiterfassung.

Der Arbeitgeber hat die Arbeitszeitnachweise mindestens zwei Jahre aufzubewahren, d.h. für die gesamte Dauer der tatsächlichen Beschäftigung der Arbeitnehmenden. Der Arbeitgeber hat die Nachweise für maximal zwei Jahre in deutscher Sprache bereitzuhalten und des bei einer Überprüfung vorlegen zu können.

Aufgrund eines Arbeitsvertrags hat ein Arbeitnehmer/eine Arbeitnehmerin Rechte, aber auch Pflichten. Zu den Pflichten des Arbeitnehmers zählen, die Arbeits- und Dienstpflicht, die Treuepflicht sowie Gehorsamspflicht, die Pflicht zur Krankmeldung und die Pflicht zur Anwendung von Schutzmaßnahmen.

Der Europäische Gerichtshof hat in mehreren Verfahren geurteilt, dass Arbeitnehmer von dem bereitgestellten Arbeitszeiterfassungssystem auch tatsächlich Gebrauch machen und es verwenden müssen. Nicht ausreichend ist es, dass Arbeitgeber lediglich ein Zeiterfassungs-System anbieten, und die Nutzung des Systems freiwillig erfolgt.

Wenn der Arbeitgeber eine entsprechende Aufforderung zur Arbeitszeiterfassung ausspricht, ist diese verpflichtend. Kommen Beschäftigte dieser Aufforderung nicht nach, kann der Arbeitgeber eine Abmahnung und sogar die Kündigung aussprechen.
In der gesetzlichen Verantwortung zur Arbeitszeiterfassung bleibt aber stets der Arbeitgeber.

Welche Zeiten müssen erfasst werden – Art und Umfang

Bei der Form der Arbeitszeiterfassung herrscht nach wie vor Uneinigkeit zwischen den Gerichten, sodass der Arbeitgeber nur abwarten kann. Konkrete Regelungen zur Art und Weise der Zeiterfassung hat der Gesetzgeber bisher nicht geschaffen, sodass sich Arbeitgeber zunächst mit den Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts (BAG) begnügen müssen.
Nach Ansicht des EuGH entspricht die Arbeitszeiterfassung nur dann den Vorgaben, wenn sie in elektronischer Form erfolgt. Das Bundesarbeitsgericht ist anderer Auffassung. Es hat eine händische Erfassung ausreichen lassen.
Erfasst werden muss die tatsächliche Arbeitszeit von Beginn und Ende und damit die Dauer der Arbeitszeiten einschließlich der Pausen und Überstunden im Betrieb erfassen.

Auch Pausenzeiten müssen erfasst/ausgewiesen werden. Sie sind gesetzlich vorgeschrieben gehören laut Arbeitszeitgesetz aber nicht zur Arbeitszeit und müssen entsprechend abgezogen werden, um die Dauer der Arbeitszeit zu ermitteln. Konkret erfasst werden muss,

  • Beginn / Ende / Dauer der Arbeitszeit
  • Ausweisung der Überstunden und Pausenzeiten

Kaffeepausen müssen erfasst und von der tatsächlichen Arbeitszeit abgezogen werden. Eine Raucher-/Zigarettenpause ist keine Arbeitszeit und muss deshalb bei den Arbeitszeitaufzeichnungen als Unterbrechung der Arbeitszeit eingetragen werden. Diese Zeit gilt als Pause und muss erfasst werden. Anders beim Gang zur Toilette, das Nachfüllen der Kaffeetasse oder auch ein kurzes Gespräch mit Kollegen/innen – hierbei handelt es sich um Arbeitszeit.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm – Kaffeepause & Kündigung

Nach dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 27.01.2023 wurde eine Raumpflegerin zu Recht fristlos gekündigt. Sie hatte die Kaffee-Pause in einem gegenüberliegenden Cafe nicht im Arbeitszeit-Erfassungssystem des Arbeitgebers erfasst. Gegenüber anderen Kollegen machte Sie die Aussage, dass Sie schnell in den Keller gehen müsse, was tatsächlich nicht stimmte.

Das Landesarbeitsgericht Hamm hat mit seinem Urteil festgestellt, dass die außerordentliche, fristlose Kündigung der Mitarbeiterin wirksam war. Die Arbeitnehmerin hatte die Pflicht die Arbeitszeiten, wie auch die Pausen, korrekt im System zu erfassen. Das Gericht stellt fest, dass ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB vorliegt. Der wichtige Grund ist im vorsätzlichen Verstoß der Arbeitnehmerin gegen ihre Pflicht, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit zu dokumentieren, zu sehen.

Insbesondere gilt dies für den vorsätzlichen Missbrauch einer Stempeluhr und ebenso für das wissentliche und vorsätzliche Ausstellen entsprechender Formulare. Besonders schwer wiegt der mit der Pflichtverletzung verbundene schwere Vertrauensbruch. Der Arbeitgeber muss auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer vertrauen können.

Überträgt der Arbeitgeber den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit den Arbeitnehmern selbst und missbraucht ein Arbeitnehmerin wissentlich und vorsätzlich das dafür bereitgestellte Arbeitszeiterfassungssystem, so stellt dies in aller Regel einen schweren Vertrauensmissbrauch dar. Der Arbeitnehmer verletzt damit in erheblicher Weise seine Pflicht zur Rücksichtnahme gegenüber dem Arbeitgeber.

Praxistipp / Handlungsempfehlung – Regelung zur Zeiterfassung

In der Praxis empfiehlt sich daher, eine Regelung in Form einer vertraglichen Vereinbarung (Klausel im Arbeitsvertrag), einer betrieblichen Richtlinie oder einer Betriebsvereinbarung an, um das Verfahren der Zeiterfassung verbindlich zu regeln. Auch ist es möglich, dass der Arbeitgeber die Zeiterfassung an Arbeitnehmer im Rahmen des sog. Direktions- und Weisungsrechts delegiert. Den Arbeitgebern, insbesondere im Gastgewerbe, ist es daher ratsam, die Aufzeichnung an die ArbeitnehmerInnen oder an Schichtleiter/Restaurant-/Hotelleiter zu delegieren. Gleichwohl bleibt die gesetzliche Verantwortung zur Arbeitszeiterfassung beim Arbeitgeber. Bei Verstößen gegen die korrekte Erfassung der Arbeitszeit gibt dem Arbeitgeber das recht zur Kündigung.

Rechtsfolgen von Verstößen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Für Arbeitgeber besteht eine „objektive gesetzliche Handlungspflicht“, die Arbeitszeit zu erfassen und ein entsprechendes Zeiterfassungssystem einzurichten. Arbeitszeiten müssen daher ab sofort erfasst werden. Führt ein Verstoß gleich zu einer Sanktion? Nein – Ein Verstoß gegen das Arbeitsschutzgesetz ist nicht unmittelbar bußgeldbewährt und stellt keine Ordnungswidrigkeit dar.
Zum jetzigen Zeitpunkt droht Arbeitgebern beim Verstoß gegen die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung kein Bußgeld. Dies folgt daraus, weil die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung aus dem Arbeitsschutzgesetz abgeleitet wird. Derartige Verstöße aber bisher noch nicht Bußgeld bewährt sind. Die Arbeitgeber sollten jedoch bedenken, dass die Aufsichtsbehörden bereits jetzt Maßnahmen – Stichwort Anforderung der Dokumentation der Arbeitszeiterfassung – nach dem Arbeitsschutzgesetz anordnen und Bußgelder verhängen können. Derzeit können Bußgelder von bis zu 30.000 EUR verhängt werden.

Hier ein Auszug:
Verstoß
Arbeitnehmer überschreiten die zulässig Höchstarbeitszeit
um 1 Stunde: 80 € Bußgeld je Arbeitnehmer
um mehr als 1 Stunde f. je weitere Std.: 100 € Bußgeld je Arbeitnehmer

Nicht gewährte (Ruhe-)Pausen: 400 € Bußgeld je Arbeitnehmer
Ruhepause nicht rechtzeitig gewährt: 80 € Bußgeld je Arbeitnehmer
Ersatzruhetag nicht gewährt: 500 € Bußgeld je Arbeitnehmer/ je Tag

Verstößt ein Arbeitnehmer gegen die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung, kann dies die Kündigung zur Folge haben. Sofern der Arbeitgeber ein System zur Arbeitszeiterfassung bereithält und die Anweisung zur korrekten Arbeitszeiterfassung an die Arbeitnehmer erfolgt, ist ein Verstoß des Arbeitnehmers als schwere Pflichtverletzung zu werten. Dies gilt nicht nur für eine elektronische Arbeitszeiterfassung, sondern auch für das nicht korrekte festhalten der Arbeitszeit durch den Arbeitnehmer auf einem hierfür bereitgestellten Formular.

Fazit

Die Pflicht der Arbeitgeber zur Zeiterfassung besteht ab sofort. Diese Pflicht soll alsbald konkretisiert und in einer gesetzlichen Grundlage geregelt werden. Trotz einer bisher nur erfolgten Gesetzesvorlage durch das Bundesministerium für Arbeit und ohne bisherige konkrete gesetzliche Regelung, kommen Arbeitgeber nicht um das Thema Arbeitszeiterfassung herum.
Arbeitgeber sollten die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung umsetzen, da ein erhöhtes Bußgeldrisiko besteht und die Aufsichtsbehörden jederzeit einen Nachweis über die dokumentierten und erfassten Arbeitszeiten sowie die Einführung eines Arbeitszeiterfassungssystems verlangen können.
Arbeitgeber im Gastgewerbe sollten in Absprache mit den Mitarbeitern ein Arbeitszeitsystem einführen und die Arbeitnehmer zur konkreten Arbeitszeiterfassung anhalten.
Das Arbeitsrecht ist sehr komplex und mit zahlreichen Regelungen versehen, die einer stetigen Änderung unterliegen. Die Beratung durch einen Rechtsanwalt ist Arbeitgebern im Gastgewebe daher sehr zu empfehlen.

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