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Beschäftigung von Minijobbern: 6-Punkte-Checkliste von Experten

450 Euro-Kräfte waren und sind ein unverzichtbarer Bestandteil der Gastro-Branche. Beim Neustart der Gastronomie nach dem „Lockdown“ werden sie nun mehr denn je gebraucht. Hilfreiche Ratschläge hierzu werden in Folge #45 des GASTRObriefing des ETL ADHOGA in „Das ultimative 450 EUR Vergütungspaket“ von Arbeitsrechtler Dr. Uwe Schlegel und Steuerberater Christian Schindler vorgestellt. Darüber hinaus gibt es wertvolle Tipps für Arbeitgeber, wie sie das Angestelltenverhältnis attraktiv und nachhaltig gestalten können.
michaklootwijk | iStockphoto
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1. Finanzielle Rahmenbedingungen bei der 450 EUR-Anstellung

Der Name ist Programm: Bei 450 Euro-Jobs handelt es sich um das maximale Arbeitsentgelt eines Arbeitnehmers im Monat, wobei in der Regel der Brutto- dem Nettolohn entspricht. Denn geringfügig Beschäftigte müssen keine Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung abführen. Nur ein Eigenanteil zur Rentenversicherung in Höhe von 3,6% ist vorgesehen, wobei hier auch ein Befreiungsantrag gestellt werden kann. Selbiges gilt für den Arbeitgeber: Dieser ist ebenfalls von Beitragszahlungen zur Pflege- und Arbeitslosenversicherung befreit. Lediglich ein zu zahlender Pauschalbeitrag von rund 31,5 Prozent zur Krankenversicherung ist zu beachten. Dies entspräche einer de facto Belastung von 591,80 Euro für einen 450 Euro-Job, wie Christian Schindler im GASTRObriefing ausführt.

2. Lohn und Schicht: Mindestlohn begrenzt verfügbare Stundenanzahl

450 Euro-Jobber werden bevorzugt saisonal sowie zu Spitzenzeiten am Abend oder am Wochenende eingesetzt. Das lässt zwar an maximale Flexibilität denken, es dürfe jedoch nicht vergessen werden, dass die 450 Euro im Monat ein Gehaltsmaximum bedeuten, betont Schindler. Zudem begrenze der Mindestlohn die potenziell verfügbaren Stunden des Arbeitnehmers. Bei einem derzeit geltenden Mindestlohn von 9,60 Euro könne der geringfügig Beschäftigte auch nur maximal 46,9 Stunden im Monat beschäftigt werden. Die bis Juli 2022 geplante Anhebung des Mindestlohns auf 10,45 Euro würde demzufolge auch die maximal verfügbare Stundenanzahl auf 43,1 begrenzen. Noch einmal deutlich weniger wären es, würde der Mindestlohn auf 12 Euro angehoben werden, wie es Gewerkschaften und Stimmen aus der Politik fordern.

2.1 Steuer- und sozialversicherungsfreie Zuschläge – was gilt wann?

Auch 450 Euro-Jobber dürfen Zuschläge erhalten. Eine gute Möglichkeit, um Interessierten die im Gastgewerbe unumgänglichen Arbeitszeiten in der Nacht sowie an Sonn- und Feiertagen „schmackhaft“ zu machen. Wie Schindler von Fall zu Fall ausführt, gelten auch hier festgelegte gesetzliche Regelungen, wie viel Prozent bei derzeit geltendem Mindestlohn auf den aktuellen Stundenlohn zugeschlagen werden können.

2.2 Urlaubs- und Weihnachtsgeld – Achtung vor Fallstricken

„Weihnachtsgeld funktioniert nicht“, so die deutliche Bewertung von Christian Schindler im GASTRObriefing. Zwar habe man die Möglichkeit, zwischenzeitlich mehr als die 450 Euro zu zahlen, zum Beispiel während der Hauptsaison, allerdings müsse sichergestellt sein, dass der durchschnittliche Nettolohn im Zeitraum von 12 Monaten die festgeschriebene 5400 Euro Verdienstgrenze nicht überschreitet. Ein zusätzliches Weihnachtsgeld zum regulären Monatslohn sei daher nicht möglich. Auch Urlaubsgeld könne Minijobbern nicht gezahlt werden, ergänzt Schindler, gleichwohl sei es – wie für alle anderen Arbeitnehmer auch − möglich, eine Erholungsbeihilfe zu zahlen, auch für Ehegatten und Kinder. Arbeitsrechtler Uwe Schlegel warnt zudem eindringlich vor einer anteiligen Urlaubsabgeltung im auszuzahlenden Stundenlohn, selbst wenn damit nicht die 450 Euro-Grenze überschritten wird. „Hier lautet die Antwort leider Nein“, denn das bedeute eine „Urlaubsabgeltung im laufenden Jahr, und die ist grob illegal und hat zum Teil dramatische Folgen.“ Denn dadurch würde der Urlaubsanspruch des geringfügig Beschäftigten weder erfüllt noch abgebaut. Diesem stünde also weiterhin Urlaub zu, im Falle eines Arbeitsplatzwechsels auch Anspruch auf Entgelt.

3. Benefits eines guten Arbeitgebers: Potenziale eines attraktiven Vergütungspakets

Über Nacht- und Feiertagszuschläge hinaus hat ein Arbeitgeber noch weitere Möglichkeiten, einem potenziellen Bewerber die Stelle schmackhaft zu machen. Gerade angesichts des derzeitigen Personalmangels in der Branche sollten diese Optionen verstärkt in den Fokus rücken, so der Tenor im GASTRObriefing. Eine Möglichkeit ist die Corona-Prämie, die noch bis März 2022 ausgezahlt werden darf, und zwar ausdrücklich auch an Aushilfen, so Schindler. Die 1.500 Euro könnten sowohl in Gänze, als auch in Teilen gezahlt werden. Eine weitere Option sei es, als Arbeitgeber Zuschüsse zum öffentlichen Personennahverkehr zu leisten oder diese gar in Gänze zu finanzieren. Auch Materialien wie Smartphones, E-Bikes oder Laptops könnten nach Ansicht Schindlers überlassen werden. Im Gegensatz zu einer Übereignung sei bei einer Nutzungsüberlassung der Wert der Materialien aus rechtlicher Sicht zu vernachlässigen.

4. Urlaub und Anspruch auf Lohnfortzahlung

Zwar werde es Schindler zufolge oft vergessen, doch auch Minijobber haben natürlich einen Anspruch auf anteiligen Urlaub. Dies kann durchaus zu Irritationen über Umfang und Länge führen. Generell gilt: „Der durchschnittliche Urlaubsanspruch errechnet sich anteilig aus der Zeit, wie viele Stunden ein Arbeitnehmer am Tag und in der Woche arbeitet.“ Allerdings sei zu berücksichtigen, ob eine 5- oder 6-Tage-Woche als Grundlage der Berechnung dient. Dr. Schlegel erläutert den Fall an einem Beispiel: Arbeite ein Minijobber regulär nur samstags, stünden ihm laut Gesetz mindestens vier Wochen Erholungsurlaub im Jahr zu. „Da er ja nur einen Tag pro Woche arbeitet, entsprechen diese vier Wochen vier freien Samstagen. Nicht mehr“. Ein Recht auf anteiligen Urlaub besteht auch bei einem kürzeren Arbeitsverhältnis, und zwar auf volle Monate gerechnet, wie Schlegel betont. Der Gesetzgeber hält in diesem Fall durchaus Kurioses parat: „Hat ein Minijobber noch keine vollen zwei Monate gearbeitet, bekommt er auch nur ein Zwölftel des Jahreserholungsurlaubs.“ Wobei halbe Tage aufzurechnen seien: „1,5 Tage entsprechen zwei vollen Arbeitstagen. 2,5 Tage machen drei volle Arbeitstage. Aber alles unter 1,5 Arbeitstagen wird exakt gerechnet! Das klingt merkwürdig, entspricht aber der Rechtsprechung“, so der ETL Rechtsexperte. All das gelte auch für Krankheitszeiten, die ebenfalls anteilig bezahlt werden müssten, betont Schindler.

5. Aufzeichnung der Arbeitszeiten

Besonders bei 450 Euro-Kräften ist die Erfassung der Arbeitszeiten von Relevanz. Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit müssen hier genau notiert und für mindestens zwei Jahre aufbewahrt werden. Zwar gibt es Ausnahmeregelungen bei engen Familienangehörigen wie Ehe- oder Lebenspartnern, Kindern und Eltern, Arbeitsrechtler Uwe Schlegel warnt jedoch davor, das „Privileg“ als „Freibrief“ zu nutzen. Stichwort „Phantomlohn“: Spätestens bei Betriebsprüfungen falle auf, wenn gewisse Personen entweder nur formal angestellt seien oder aber weit über die rechtlichen Regelungen hinaus arbeiten würden.

6. Mehrere 450 Euro-Beschäftigungsverhältnisse

Aufgrund des geringen Gehalts und der geringen Arbeitszeit ist es für Minijobber durchaus ein verlockender Gedanke, parallel mehreren Beschäftigungsverhältnissen nachzugehen. „Mehrere 450 Euro-Verhältnisse funktionieren aber nur so lange, wie sie in der Summe die 450 Euro nicht überschreiten. Ansonsten werden sie zusammengerechnet und führen bei Überschreiten der 450 Euro-Grenze dazu, als ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu zählen“, erklärt Schindler. Als Arbeitgeber sollte man sich Arbeitnehmer die anderen Beschäftigungsverhältnisse bestätigen lassen. Ansonsten könne es bei einer Prüfung rückwirkend zur Versicherungspflicht kommen. „Mehrere Minijobs führen rechtlich immer dazu, dass bei mehr als einem Minijobs Sozialversicherungsabgaben und Lohnsteuer, und zwar nicht lediglich die Pauschalsteuer von 2 %, abzuführen sind“, warnt ETL-Rechtsexperte Dr. Uwe Schlegel.

Eine umfassende Darstellung der sechs Eckpunkte der ETL ADHOGA Checkliste inkl. Abbildungen zu den einzelnen Punkten im PDF-Format gibt es noch einmal hier zum download.

Zur Aufzeichnung von Folge #45 des ETL ADHOGA GASTRObriefings

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