Immer wieder fordern Verbände, Organisationen oder auch die Politik mehr Barrierefreiheit, aber was bedeutet dies und warum hat es so einen hohen Stellenwert in der heutigen Zeit?
Eigentlich handelt es sich bei Barrierefreiheit um einen Begriff aus der Immobilienwirtschaft. Dabei geht es darum, öffentliche Gebäude, Wohnungen, Verkehrsmittel, Arbeitsstätten oder auch Freizeitangebote für alle Menschen zugänglich zu machen. In den letzten Jahren tauchte das Wort jedoch auch gehäuft im Zusammenhang mit Kommunikation oder dem Internet auf. Im Zentrum dieses Vorhabens steht die Idee, dass alle Menschen Zugang zum gesellschaftlichen Leben und dessen Annehmlichkeiten haben.
Neben dem demografischen Wandel steigt auch die Zahl der Schwerbehinderten in Deutschland immer weiter und befindet sich aktuell bei 7,8 Millionen. Gerade bei über 64-Jährigen liegt die Quote sogar bei fast 25 Prozent1. Mit einer Einwohnerzahl von 83,7 Millionen2 braucht in der Bundesrepublik somit fast ein Zehntel der Bevölkerung spezielle Unterstützung, entweder durch Hilfsmittel oder andere Personen. Neben Mobilitätseingeschränkten bezieht sich dies selbstverständlich ebenso auf Taube, Blinde oder andere mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen. Daneben können aber auch Eltern mit einem Kinderwagen von manchen dieser Anpassungen profitieren und gerade im Alter erweisen sich beispielsweise stufenfreie Zugänge für jeden als eine Bereicherung. Für das Gastgewerbe oder die Hotellerie bedeutet dies, dass Zuständige im besten Fall Gebäude an bestehende Vorgaben anpassen müssen, Personal auf die speziellen Bedürfnisse schulen oder den Internetauftritt bedarfsgerecht für jeden gestalten.
Warum braucht es mehr Barrierefreiheit in der Hotellerie und Gastronomie?
Durch die steigenden Zahlen bei Seniorinnen und Senioren sowie bei Schwerbehinderten wächst eine immer größere Gruppe mit speziellen Bedürfnissen für die Gastronomie und den Tourismus heran. Gerade im gehobenen Alter nimmt die Reiselust bei vielen Bundesbürgern wieder stark zu und der Genuss tritt immer öfter in den Vordergrund. Insbesondere nach der Rente steht ihnen viel Zeit zur Verfügung und Destinationen in der Nähe des eigenen Wohnorts gewinnen dabei immer mehr an Beliebtheit. Zudem verfügt diese Gruppe häufig über ausreichend finanzielle Ressourcen, um sich ein solches Vergnügen leisten zu können. Solche Umbauten eröffnen daher für einige Inhaberinnen und Inhaber einen völlig neuen Markt, der sich aufgrund des demografischen Wandels in Deutschland stetig erweitert.
Im Mai 2002 trat das Behindertengleichstellungsgesetz in Kraft. Was bedeutet dies für Hotelbetreiber und Gastronomen?
Neben der wachsenden Zahl an Mobilitätseingeschränkten findet sich die Pflicht zur Barrierefreiheit im öffentlichen Raum auch seit 22 Jahren im Gesetz verankert. 2016 gab es eine Erweiterung der bestehenden Vorgaben. Nach dem Gesetz von 2002 müssen neu errichtete Gaststätten beziehungsweise solche, die sich nach dem 1. November 2002 einem größeren Umbau oder einer Erweiterung unterzogen, Barrierefreiheit bei ihrer Infrastruktur bieten. Hier geht es vor allem um bauliche Vorgaben für Mobilitätseingeschränkte. Dazu gehören unter anderem rollstuhlgerechte Zugänge, Aufzüge, Treppenlifte oder Rampen sowie eine behindertengerechte Toilette. So wollen Verantwortliche allen die Teilnahme am öffentlichen Leben ermöglichen. Dabei existieren jedoch auch Ausnahmen: Im Falle eines unzumutbaren Aufwands oder sollte die räumliche Lage einen Umbau nicht gestatten, können Betreiberinnen und Betreiber eine Befreiung von dieser Auflage erreichen.
Nicht jeder kann sich einen großen Umbau leisten. Braucht es wirklich immer große Änderungen oder reichen manchmal schon kleine Anpassungen?
Gast: „Wo finde ich die Toiletten?“ Kellner: „Im Keller.“ Dieses oder ähnliche Gespräche finden gerade im Restaurant wahrscheinlich sehr häufig statt. Besonders in älteren Gebäuden gibt es kaum Ausweichmöglichkeiten im Erdgeschoss. Gerade für Seniorinnen beziehungsweise Senioren oder Rollstuhlfahrer kann dies jedoch dazu führen, dass sie während des Restaurantbesuchs nicht auf Toilette gehen können. Statt eines großen Umbaus oder des kostenspieligen Einbaus eines Aufzugs bietet sich in manchen Fällen auch eine unkompliziertere Lösung. Durch die Installation eines Treppen- oder Plattformlifts kann eine barrierefreie Toilette in Reichweite des Möglichen rücken. Dieses Beispiel zeigt gut, dass es nicht immer einen groß angelegten Umbau braucht, sondern manchmal schon kleine Änderungen eine entscheidende Wirkung erzielen können.
Wie entdecken Inhaberinnen beziehungsweise Inhaber mögliche Hürden in ihrem Betrieb?
Neben den klassischen Stufen existieren selbstverständlich weitere Barrieren im Alltagsgeschäft. Diese zu erkennen, erweist sich für Besitzerinnen und Besitzer von Hotels und Gaststätten nicht immer als unkompliziert. Hilfe bieten hier beispielsweise ein Gespräch mit Betroffenen, eine passende Schulung des Personals oder auch der Fragebogen des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands3 zu diesem Thema.
Welche Anpassungen braucht es schlussendlich für mehr Barrierefreiheit?
Neben behindertengerechter Infrastruktur benötigt es ebenso betriebliche Anpassungen, wie die Schulung von Personal zur korrekten Bedienung von Mobilitätseingeschränkten.
Checkliste für einen barrierefreien Umbau:
Hotel:
- barrierefreier Rollstuhlparkplatz
- stufenloser Hoteleingang
- Aufzug, Treppen- beziehungsweise Plattformlifte oder Rampen, um unbeschwert weitere Stockwerke zu erreichen
- breite Türen, viel Bewegungsfläche für Gästezimmer, Eingangsbereich und Flure
- ebene Dusche, absenkbare Waschbecken, Haltegriffe am WC im Gästebad
- Schulung des Personals zum Wahrnehmen der Bedürfnisse von Mobilitätseingeschränkten
Gastronomie:
- barrierefreier Rollstuhlparkplatz
- stufenloser Eingang
- rollstuhlgerechte Toilette (möglichst im Erdgeschoss)
- Schulung des Personals zum Wahrnehmen der Bedürfnisse von Mobilitätseingeschränkten
Diese Checkliste bietet nur einen kleinen Überblick und beschränkt sich dabei auf Menschen mit einer Mobilitätseinschränkung beziehungsweise einem Rollstuhl oder einem Rollator. Während diese oft, vor allem für einen Rollstuhl, viel Platz benötigten, sieht die Situation bei Blinden oder Tauben komplett anders aus. Gerade Sehbehinderte bevorzugen oft einfachere Mechanismen, genaue Kennzeichnungen und eher kleinere Räume, in denen sie sich einfacher zurechtfinden. Weitere Ausführungen zu den Bedürfnissen anderer Schwerbehindertenklassen lassen sich in den Verordnungen, Zielvereinbarungen und Normen zur Barrierefreiheit im öffentlichen Raum finden.
Weitere Informationen finden Sie unter www.lift-experten.de
1 https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Behinderte-Menschen/_inhalt.html
2 https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Bevoelkerungsstand/_inhalt.html
3 https://www.dehoga-bundesverband.de/fileadmin/Startseite/05_Themen/Barrierefreiheit/BKB_Handbuch_barrierefrei_komplett.pdf