Gastgewerbe-Magazin: Wie sehr ist die Hotellerie in Deutschland schon digitalisiert – auch im Hinblick auf andere Länder?
Maximilian Waldmann: Die Hotellerie in Deutschland ist leider noch eine digitale Wüste. Allerdings muss ich diese Aussage gleich etwas differenzieren: Der Digitalisierungsgrad vor der Ankunft im Hotel funktioniert schon sehr gut. Webpräsenz, Buchungsmöglichkeiten – da steht Deutschland anderen Ländern in nichts nach, auch wenn mobile Buchungen in China noch deutlich einfacher und schneller funktionieren…
Die Probleme fangen an, wenn man das Hotel betritt. Da hat sich seit 50 Jahren nichts getan. Der Ablauf ist immer noch der gleiche: Ich muss anstehen, den Meldeschein ausfüllen, die Kreditkarte übergeben und einen wahnsinnig komplexen und komplizierten Prozess durchlaufen. Das wiederholt sich dann wieder beim Check-out und kostet einfach viel Zeit. Bei der Betrachtung dieser Prozesse spreche ich noch gar nicht davon, wie ich auf dem Zimmer ein Essen bestelle – nämlich mit dem Telefon.
Baustellen gibt es viele, Lösungen noch viel mehr. Wo macht Digitalisierung aus Ihrer Sicht Sinn?
Digitalisierung macht immer dann Sinn, wo es um manuelle und repetitive Prozesse geht. Das Ausfüllen der Gästekarte ist so ein Punkt. Oder das Ausstellen der Rechnung. Viele dieser Prozesse sind, wenn sie manuell ausgeführt werden, nicht nur zeitraubend, sondern auch eine Fehlerquelle. Das kann man eliminieren und gleichzeitig eine höhere Zufriedenheit erreichen – sowohl beim Gast als auch beim Mitarbeiter. Große Unternehmen sind beispielsweise darauf angewiesen, dass die Compliance stimmt, dass die Abrechnungsdaten und Raten sauber sind. Deshalb belohnen sich auch die Hotels, die einen sauberen Prozess haben.
Digitalisierung führt nicht nur dazu, Prozesse zu vereinfachen, sondern sie auch verlässlicher und sicherer zu machen.
Wo sehen Sie die Hemmnisse für Digitalisierung in der Hotellerie? Warum sind wir in Deutschland noch nicht so weit?
Das Hauptproblem ist, dass es der Hotellerie – zum Glück – aktuell sehr gut geht. „Es funktioniert doch alles“, könnte man meinen. Fakt ist aber: Wer digitale Services anbietet, wird schneller wachsen und eine höhere Zufriedenheit bei den Gästen erzielen.
Entscheidend ist, dass das Fundament für die Digitalisierung stimmt. Und dazu muss ein Umdenken stattfinden, ein Kulturwandel, der durch die Digitalisierung angestoßen wird. Das ist nicht mit einer App oder einem digitalen Feature getan. Die Hotellerie braucht ein klares und besseres Verständnis für die zukünftigen Gäste, insbesondere, wenn noch mehr Mitglieder der oft zitierten Generation Y und Z als Business-Gäste auftauchen. Bis 2020 werden 70 Prozent der Geschäftsreisenden zu dieser Zielgruppe gehören. Wer auf diesen Zug rechtzeitig aufspringt, hat den Zuwachs bei den jungen Reisenden.
Werden also die Probleme bekommen, die diesen Weg nicht mitgehen?
Ich denke schon. Man sieht jetzt schon, dass die Kettenhotellerie immer stärker wird. Warum? Weil diese mit der Implementierung von digitalen Prozessen schon am weitesten sind. Und wer solche Prozesse als Gast schon einmal erlebt hat, will es immer wieder. Die Gäste gewöhnen sich schnell daran. Wer diese Gäste einmal verloren hat, kann sich nur schwer wieder zurückholen.
Als wir 2015 mit der Entwicklung von Conichi angefangen haben, waren es ein paar innovative Individualhotels, die sich mit der Digitalisierung des Check-in und Check-out beschäftigt haben. Inzwischen hat es für alle führenden Geschäftshotels in jeder Stadt höchste Relevanz und Priorität.
Ihre Lösung Conichi macht viele Prozesse einfacher. Wie und für wen macht es Sinn?
Wir versuchen mit Conichi die Prozesse für Geschäftsreisende einfacher zu machen. Das ist eine wichtige Zielgruppe, zu der in den Städten 50 bis 60 Prozent der Gäste gehören. Die haben eine hohe Relevanz für die Hotels, und der Umgang mit ihnen muss deshalb ein zentraler Baustein sein.
Wir haben uns angeschaut, welche Prozesse für diese Zielgruppe wirklich relevant und wichtig sind und da gehört Check-in und Check-out auf jeden Fall dazu. Ein digitales Türschloss ist nett, bringt dem Gast aber keinen großen Nutzen. Wenn das Hotel aber meine Daten schon hat, wenn ich das Haus betrete und der Check-in quasi im Vorbeigehen erledigt wird, spare ich mir als Geschäftsreisender jede Menge Zeit. Wenn das Hotel meine Daten aus der App hat, wird auch die Rechnung am Ende richtig ausgestellt sein. Das begeistert mich dann.
Wo ist der Hauptnutzen eines digitalen Prozesses? Beim Gast oder beim Hotelier?
Das ist eine zentrale und oft gestellte Frage. Aber es geht bei der Digitalisierung aus meiner Sicht nicht darum, wer einen Vorteil hat. Es geht vielmehr darum, dass wir Prozesse grundlegend neu denken, anders mit den Gästen umgehen und durch effizienteres Vorgehen mehr Zeit für neue Ideen und einen neuen Umgang mit dem Gast finden. Dieses Verständnis ist extrem wichtig, dass es eben nicht um einen Vorteil für irgendjemanden geht, sondern um völlig neue Prozesse und Verhaltensmuster. Optimierungen sind dann die logische Konsequenz und kommen ganz automatisch.
Verringert nicht die Digitalisierung das, was die Branche ausmacht: das Persönliche, den direkten Kontakt?
Ganz ehrlich: Der Check-in oder Check-out ist doch nicht der persönliche Touch-Point, den sich alle wünschen. Das ist ein gestresster Prozess, der keine Zeit für Persönliches lässt – sowohl für den Gast als auch für den Mitarbeiter. Aber eigentlich geht es doch darum, den Umsatz zu steigern. Dafür brauche ich Wissen über den Gast und Zeit, um auf ihn einzugehen. Wenn ich es schaffe, die notwendigen, aber oft auch lästigen Prozesse zu digitalisieren und zu automatisieren, dann habe ich ganz neue Kontaktmöglichkeiten mit dem Gast, kann eine ganz andere Atmosphäre, beispielsweise für Up-Sales, schaffen.
Gibt es Ihr ideales „digitales“ Hotel bereits?
Es gibt ganz viele Konzepte, die aus meiner Sicht, das ganz hervorragend machen. Für mich bedeutet ein digitalisiertes Hotel aber nicht, dass dieses Haus keine Mitarbeiter mehr hat. Ein tolles Produkt hat der Hotelier, bei dem keine manuellen Prozesse mehr existieren, der aber einen zukunftsfähigen Service hat, der mich als Gast begeistert. Das ist übrigens in jeder Kategorie von Hotel möglich und genau das zeichnet die 500 Smart-Hotels, die mit uns zusammenarbeiten, aus.
Was muss ich als Unternehmer tun, um ein Smart-Hotel zu werden?
Grundsätzlich wollen wir unsere Leistungen für jedes Hotel anbieten – egal, welche Struktur vor Ort vorhanden ist. Das sollte innerhalb von zwei Wochen zu schaffen sein. Sie kontaktieren uns und können nach einer kurzen Prüfung die Applikation herunterladen und mit dem Smart-Check-in und Check-out beginnen. Das kostet 2,50 Euro pro Zimmer und Monat und ist eine geringe Gebühr, denn wir wollen möglichst viele Hotels erreichen, um unsere Lösung als Standard zu etablieren. Durch die Zusammenarbeit mit HRS sind wir hier einen großen Schritt vorangekommen, weil wir theoretisch über 25 Millionen Nutzer haben.
Über conichi
Die im Jahr 2014 von Maximilian Waldmann entwickelte Hotel-Technologie conichi bietet Geschäftsreisenden einen nahtlosen Hotelaufenthalt mit der firmeneigenen Reise-App. Ein smarter Check-in/out sowie die Zahlung per Smartphone sparen Reisenden Zeit und erhöhen die Zufriedenheit unterwegs. Das Hotelbuchungsportal HRS investierte 2016 zehn Millionen Euro in conichi und integrierte die Technologie bereits in die eigene App, um besonders Geschäftskunden häufiges Reisen komfortabler zu gestalten. Neben mehreren Büros in Europa besitzt conichi auch Dependancen in China und den USA.