Herr Reinhard, können Sie uns beschreiben, was die veränderten Rahmenbedingungen am Arbeitsmarkt für den Arbeitnehmer im Einzelnen bedeuten?
Das ist in der Tat eine sehr interessante Entwicklung. Bevor die Corona-Pandemie zugeschlagen hat, konnten vor allem Betriebe im Gastro- und Freizeitbereich aus einer Vielzahl an Bewerbern wählen. Vor allem Studenten waren hier allzeit beliebte Arbeitskräfte – günstig, flexibel und einsatzbereit. Durch die beiden Lockdowns während der Corona-Krise waren allerdings viele Studenten gezwungen, ihre Wohnungen aufzugeben, weil sie ihre Jobs verloren und sich die Mieten nicht mehr leisten konnten. Erst einmal wieder bei den Eltern eingezogen, haben sich viele mit der Situation mittlerweile arrangiert und sind schlichtweg nicht mehr auf 450 Euro Jobs angewiesen. Und diejenigen Studenten, die weiterhin in den Städten wohnen geblieben sind, haben sich meist andere 450 Euro Jobs gesucht. Folglich steht diese doch große Gruppe an potentiellen Arbeitnehmern nur noch in deutlich niedrigerem Maße den Unternehmen in jenen Branchen zur Verfügung, die am stärksten von Corona-Maßnahmen betroffen sind.
In diesen Branchen profitieren Arbeitnehmer also von der Corona-Krise. Dafür sieht es in den Branchen, die durch Corona profitiert haben, wieder anders aus. Ein Job als Kassierer:in in einem Discounter, der Produkte für den täglichen Bedarf wie Lebensmittel verkauft, war nie so interessant, wie es aktuell der Fall ist. Nicht weil der Job plötzlich mehr Spaß macht, die Work-Life-Balance passt oder man hier deutlich mehr verdient – es geht schlichtweg darum, dass die Jobs sicher sind. Also können diese Branchen jetzt aus vielen Bewerbern die besten auswählen – für Arbeitnehmer bedeutet dass meist tendenziell schlechtere Arbeitsbedingungen.
Das ist nachvollziehbar – aber lassen Sie uns nochmal einen Blick auf den Gastro- und Freizeit-Sektor werfen. Viele Unternehmen sind wieder auf flexible Arbeitskräfte angewiesen, stehen aber vor dem Problem, dass sich weniger potentielle Arbeitnehmer bei ihnen bewerben. Sie haben als Gründer der Job-App „use2connect“ sicherlich eine besondere Sicht auf den Bewerbungsprozess, oder?
Das ist richtig und Sie greifen mit Ihrer Frage direkt das Kernthema auf, welches wir mit unserer App verändern möchten: den Bewerbungsprozess. Unserer Philosophie nach, sind die Prozesse und Herangehensweisen, wie Unternehmen heute nach Personal suchen nicht mehr zeitgemäß.
Wie meinen Sie das?
Sehen Sie, im Prinzip suchen die Unternehmen zwar nach Mitarbeitern, aber sie suchen nicht wirklich. Sie schalten Anzeigen und hoffen dann darauf, dass potentielle Arbeitnehmer selbst im jeweiligen Medium suchen, die Stellenanzeige sehen und sich dann bewerben. In Branchen, wo es weniger offene Stellen wie Jobsuchende gibt, funktioniert das auch oft noch gut. Ist es aber anders herum, funktioniert das nur noch bedingt.
Aber was sind die Alternativen?
Wirklich suchen, und zwar aktiv. Viele Unternehmen setzen bereits heute auf direkte Ansprache potentieller Arbeitnehmer über die Schaltung von Anzeigen bei Facebook, Instagram und andere Social Media Kanäle und das ist auch sinnvoll. Die Nutzung von Social Media Plattformen war vor Corona schon hoch. Seit der Corona-Krise ist die Nutzung aber nochmal deutlich angestiegen – auch bei den älteren Generationen. Warum also passiv darauf hoffen, dass die richtigen Jobkandidaten exakt jene Medien nutzen, bei denen ich eine Anzeige geschaltet habe, zumal es da ja etliche gibt, wenn ich sie aktiv über Social Media ansprechen kann? Ein nettes Video mit “Hey, wir sind das Team hinter … und wir suchen DICH als Verstärkung. Du suchst…? Dann freuen wir uns darauf, dich kennen zu lernen!” kann deutlich effektiver sein als eine Stellenanzeige in einem oder auch 3 Medien.
Verstehe, aber nur die wenigsten Unternehmen kennen sich hier aus und wissen, wie sie hier überhaupt ansetzen sollten…
Das ist natürlich richtig. Die meisten Unternehmen arbeiten aber bereits mit Werbeagenturen zusammen, die hier eventuell unterstützen können und darüber hinaus gibt es immer mehr Agenturen, die sich genau auf dieses Thema spezialisieren.
So wie Sie mit use2connect?
Nicht wirklich. Wir verfolgen da einen nochmal anderen Ansatz. Wie der Name schon sagt, können sich bei use2connect Unternehmen mit Jobsuchenden verbinden, ähnlich wie bei einer Partnerbörse. Ehrlicherweise muss man aber sagen, dass wir hier noch am Anfang stehen. Natürlich freuen wir uns über jedes Unternehmen, dass sich bei uns kostenlos registriert und unsere Mitarbeiter-Suche nutzt – aber noch sind wir keine vollwertige Alternative, die alle anderen Möglichkeiten obsolet macht. Noch nicht!
Herr Reinhard, das hört sich alles sehr spannend an. Vielen Dank für Ihre interessante Einschätzung und die Einblicke, die wir durch das Gespräch gewinnen durften. Und natürlich viel Erfolg mit Ihrer App.