„Unvorhersehbarkeit prägt die aktuelle wirtschaftliche Lage und Unternehmen sehen sich ständig wechselnden Marktbedingungen, technologischen Veränderungen und auch globalen Herausforderungen gegenüber. In solch einem turbulenten Umfeld kommen schnell auch finanzielle Schwierigkeiten auf, die sogar etablierte Unternehmen in existenzielle Krisen stürzen. Wenn der Druck steigt und die Schieflage unausweichlich erscheint, müssen Betriebe nach effektiven Lösungen suchen, um ihre eigene Zukunft zu sichern. Viele erweisen sich eigentlich als sanierungsfähig, wenn sie rechtzeitig über eine Sanierung unter Insolvenzschutz nachdenken und sich dabei professionell beraten lassen. Zwei zentrale Instrumente, die das deutsche Insolvenzrecht hier bereitstellt, sind das Schutzschirmverfahren und die Eigenverwaltung, die es ermöglichen, die Firma unter gerichtlicher Aufsicht selbst zu sanieren und gleichzeitig die Kontrolle über den Betrieb zu behalten. Dabei handelt es sich jedoch auch nicht um ein Allheilmittel, sondern um einen gesetzlichen Rahmen, der mit der richtigen Einstellung eine geordnete Restrukturierung ermöglicht. Während immer noch große Teile der Bevölkerung von Insolvenzverfahren als dem endgültigen Ende einer Unternehmensgeschichte ausgehen, bieten diese vom Staat geschaffenen Verfahren Geschäftsführern und CEOs die Möglichkeit, den Turnaround zu schaffen und oft sogar gestärkt aus der Krise hervorzugehen.
Retten statt untergehen
So geht es darum, Firmen, die grundsätzlich tragfähige Geschäftsmodelle besitzen und teilweise unverschuldet in die Krise geraten, durch eine Phase finanzieller Neuordnung zu begleiten, ohne dass sie ihre operative Kontrolle verlieren. Dabei setzt das Schutzschirmverfahren (Paragraf 270d Insolvenzordnung) auf das Prinzip der Eigenverantwortung und Flexibilität der Chefetage, unterstützt durch die Aufsicht eines gerichtlich bestellten Sachverwalters, der die Interessen der Gläubiger wahrt. Dadurch lassen sich Restrukturierungsmaßnahmen wie Kostensenkungen, Neuverhandlungen von Verträgen oder auch die Umschuldung von Verbindlichkeiten verhältnismäßig zügig und zielgerichtet umsetzen. 2012 im Rahmen des Gesetzes zu weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) eingeführt, richtet sich das Schutzschirmverfahren an Unternehmen, die zwar noch nicht zahlungsunfähig sind, aber denen eine Zahlungsunfähigkeit droht oder die bereits eine Überschuldung aufweisen. Diese Situation soll die Durchführung des Verfahrens wieder bereinigen und dabei die Firma gleichzeitig frühestmöglich sanieren, ohne in einer Regelinsolvenz mit typischerweise volkswirtschaftlich deutlich höheren Ausfällen für die Gläubiger oder gar einer strafbewehrten Insolvenzverschleppung für den Geschäftsführer zu enden.
Mit dem Schutzschirmverfahren aus der Krise segeln
Für die Einleitung dieses Verfahrens muss das Unternehmen dann mehrere Anträge beim zuständigen Insolvenzgericht stellen. Im Speziellen handelt es sich um den Antrag auf gerichtliche Bestimmung der Frist zur Vorlage des Insolvenzplans (§ 218 Abs. 1 InsO), den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 13 InsO) sowie den Antrag auf vorläufige Eigenverwaltung (§ 270 Abs. 2 Nr. 1 InsO). Gleichzeitig braucht es auch eine Bescheinigung nach § 270d, in der eine Gutachterin oder ein Gutachter klar nachweist, dass eine Zahlungsunfähigkeit droht oder das Unternehmen überschuldet, aber eine Sanierung nicht aussichtslos ist. Bei den Gutachtern handelt es sich um einen in Insolvenzthemen erfahrenen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer beziehungsweise Rechtsanwalt oder eine Person mit vergleichbarer Qualifikation, die bisher noch nicht mit dem schuldnerischen Unternehmen zusammengearbeitet hat. Als wichtig erweist es sich hier, dass der Antrag früh genug beim Gericht eingeht, bevor die Zahlungsunfähigkeit doch noch eintritt. Nach der Eröffnung des Verfahrens genießt der Betrieb einen dreimonatigen Schutzschirm, währenddessen er vor Zwangsvollstreckungsmaßnahmen geschützt bleibt. Dieser Teil des Verfahrens findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, es liegt in der Entscheidung des Unternehmens, wer darüber informiert wird. In den ersten drei Monaten besteht somit die Chance, in Ruhe und ohne den üblichen Gläubigerdruck von außen einen Sanierungsplan zu erstellen.
Lichtblick unter dem Schirm
Wenn die Firma den benötigten Sanierungsplan innerhalb der gesetzten Frist von drei Monaten beim Insolvenzgericht einreicht, kommt es zu einer Beendigung des Schutzschirmverfahrens und die angestrebte Aufarbeitung kann in Form einer Insolvenz in Eigenverwaltung beginnen. Selbst wenn jedoch innerhalb der vorgegebenen Zeit kein Konzept vorgelegt wird, gilt der Prozess noch nicht als gescheitert, auch dann kann das Gericht ein Eigenverwaltungsverfahren eröffnen. Nach der Finalisierung und der Einreichung des Plans entscheiden die Gläubigerinnen und Gläubiger, ob sie diesen Plan, der ihnen in aller Regel deutlich höhere Quotenzahlungen als eine Regelinsolvenz bietet, für gut befinden. Ist das der Fall, kann das Verfahren nach acht bis zwölf Monaten aufgehoben werden und das Unternehmen ist wieder frei. Nur wenn gar keine realistischen Aussichten mehr auf eine Sanierung bestehen, kommt es zu einer Einleitung des Regelinsolvenzverfahrens und einer endgültigen Bestellung einer Insolvenzverwalterin beziehungsweise eines Insolvenzverwalters und der damit verbundenen Zerschlagung oder den Verkauf des Unternehmens. Die Vorteile eines Schutzschirmverfahrens liegen klar im ausbleibenden Kontrollverlust, dem Vollstreckungsschutz und dem Erhalt der Unternehmensbeziehungen. So kann das Unternehmen ab der Anordnung des Schutzschirms für drei Monate Löhne und Gehälter aus den Mitteln des Insolvenzgeldes finanzieren. Zudem kann die Geschäftsleitung ungünstige, auch langfristige Verträge in dieser Zeit auflösen sowie verkürzte Kündigungsfristen im Miet- und Arbeitsrecht für sich nutzen.“