Welchen Stellenwert hat die Unternehmensnachfolge für die Wirtschaft und vor allem für Familienunternehmen?
Aktuellen Studien zufolge sollen in den Jahren bis 2027 jeweils 87 Milliarden Euro pro Jahr vererbt werden. Und jede fünfte Erbschaft in Deutschland hat einen Wert von mehr als einer Viertelmillion Euro. Dazu kommt die steigende Zahl von Unternehmensnachfolgen: Das Institut für Mittelstandsforschung Bonn schätzt, dass derzeit jährlich 30.000 Unternehmen zur Übergabe bereitstehen. Die Förderbank KfW kommt auf Basis ihres Mittelstandspanels auf ca. 102.000 Unternehmen pro Jahr. „Die gelungene Regelung der Vermögensnachfolge gehört damit zu den großen Herausforderungen einer Familie. Vermögensinhaber und Unternehmer wollen ihre erarbeiteten Werte schützen, erhalten und so sicher wie möglich an die nächste Generation weitergeben. Für die optimale Strukturierung sollten sie einige rechtliche, steuerliche und strategische Details beachten. Das gilt vor allem dann, wenn ein Unternehmen oder Unternehmensbeteiligungen im Spiel sind“, sagt Dr. Stephanie Thomas, Partnerin, Rechtsanwältin und Steuerberaterin bei der multidisziplinären WWS-Gruppe in Mönchengladbach, Nettetal und Aachen.
Welche Regelungen sollten Unternehmerinnen und Unternehmen vor allem beachten?
Laut Dr. Stephanie Thomas steht vor allem die Betrachtung der Steuerlast bei der Unternehmensnachfolge beziehungsweise bei der Übertragung von Unternehmensbeteiligungen im Fokus. Um diese zu optimieren, müssten der allgemeine Unternehmenswert und das betriebsnotwendige und damit verschonungsfähige Betriebsvermögen genau ermittelt werden. Dann seien individuelle Gestaltungen möglich. Sie betont: „Die Finanzverwaltung setzt oftmals nach ihrer eigenen Berechnung viel zu hohe Unternehmenswerte für die Berechnung der Erbschaft- beziehungsweise Schenkungsteuer an. Gegebenenfalls wird aber durch diese Ermittlung des Unternehmenswerts sogar eine höhere Verschonung des betrieblichen Vermögens möglich. Das gilt es detailliert zu berechnen und zu planen.“
Konkret bezieht sich die Fachanwältin für Steuerrecht auf die Ausnutzung der steuerlichen Freibeträge für Unternehmensvermögen sowie die persönlichen Freibeträge, sowohl für Unternehmens- als auch für Privatvermögen. Der Hintergrund: Alle zehn Jahre können Ehepartner und Kinder 500.000 beziehungsweise 400.000 Euro steuerfrei erhalten. „Das bedeutet, dass sich diese Freibeträge regelmäßig nutzen lassen, um die steuerliche Bemessungsgrenze zu reduzieren. Die lebzeitige Schenkungsstrategie ist das Stichwort. So lassen sich auch größere Vermögenswerte steueroptimiert übertragen, und unter gewissen Umständen kann der Unternehmenswert durch diese Schenkungsstrategie in Zusammenhang mit den Begünstigungen für Betriebsvermögen so reduziert werden, dass dieser bei der später stattfindenden vollständigen Übergabe voll verschonungsfähig ist“, stellt Dr. Stephanie Thomas heraus, die auch dazu rät, dass diese Strategie frühzeitig zu planen und die steuerlichen Folgen genau zu berechnen.
Kann es zu Schwierigkeiten mit der Finanzverwaltung kommen?
„Ein Selbstläufer ist die Unternehmensnachfolge nicht“, warnt die WWS-Partnerin. Es könnten immer wieder Schwierigkeiten auftreten, vor allem bei der Bewertung von vererbten Gesellschaftsanteilen. „Wenn es zu Konflikten zwischen Erwerber und Finanzverwaltung bei der Bewertung dieser Anteile bei Schenkung oder Erbschaft kommt, kann das schnell zum Bumerang für die Familie werden. Das gilt gerade dann, wenn die Bewertung deutlich niedriger ausfallen soll, als es in anderen Fällen üblich ist.“
Dr. Stephanie Thomas verweist zur Verdeutlichung auf ein aktuelles Urteil des Finanzgerichts Münster. Dieses hat entschieden, welcher Wert als Mindestwert heranzuziehen ist. Die Kläger sind die Erben ihrer im Jahr 2014 verstorbenen Mutter. Zum Nachlass gehörte eine Beteiligung an einer GmbH mit der Funktion einer Familienholding. Mit dem Erbfall fielen freiwillige Einziehungen von Geschäftsanteilen zusammen, das heißt, andere Gesellschafter schieden aus der GmbH aus. Die Kläger gingen davon aus, dass sich der gemeine Wert des geerbten Anteils für die Erbschaftsteuer aus dem Einziehungskurs der zurückgegebenen Anteile ableiten lasse.
Nach einer Betriebsprüfung vertrat das Finanzamt jedoch die Auffassung, dass eine Wertermittlung nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen nicht zu erkennen sei. Der gemeine Wert sei vorrangig aus Verkäufen unter fremden Dritten abzuleiten. Den gemeinen Wert des Anteils der Erblasserin an der GmbH ermittelte das Finanzamt daher anhand des Substanzwerts. Der Substanzwert ist gesetzlich definiert als die Summe der gemeinen Werte der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze abzüglich der zum Betriebsvermögen gehörenden Schulden und sonstigen Abzüge der Gesellschaft.
Was bedeutet das konkret für die Übertragung von Gesellschaftsanteilen?
Dr. Stephanie Thomas erklärt, das Finanzgericht habe die dagegen gerichtete Klage für unbegründet gehalten. Das Finanzamt habe den gemeinen Wert des Anteils zutreffend anhand des höheren Substanzwerts ermittelt. „Konkret heißt das, der Wert von Anteilen an Kapitalgesellschaften sei unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse und der Wertverhältnisse zum Bewertungsstichtag gesondert festzustellen, sofern er für die Erbschaftsteuer von Bedeutung sei. Bei der Bewertung des gemeinen Werts eines GmbH-Anteils bilde der Substanzwert nach Ansicht des Finanzgerichts stets den Mindestwert. Das gelte auch dann, wenn der Steuerzahler die Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen unter fremden Dritten geltend mache.“ Die Kläger haben gegen das Urteil Revision eingelegt. Jetzt muss der Bundesfinanzhof entscheiden, ob der gemeine Wert eines GmbH-Anteils auch aus der (freiwilligen) Einziehung von Geschäftsanteilen abgeleitet werden kann.
Wie sollten Familienunternehmerinnen und -unternehmer in Hotellerie und Gastronomie damit umgehen?
Kurz gesagt, brauchen Eigentümerinnen und Eigentümer vor allem Unterstützung bei der Wertermittlung und Gestaltung, betont Dr. Stephanie Thomas. „Durch das Urteil wird
einmal mehr deutlich, dass die gelungene und steueroptimierte Gestaltung der Vermögensnachfolge kein Selbstläufer ist. Es lauern viele Fallstricke, gerade bei der Bewertung der Assets. Das kann unerfreuliche Steuerforderungen zur Folge haben. Entscheidend ist, dass Vermögensinhaberinnen und -inhaber sich bewusst machen, dass sie für diesen Prozess erfahrene Beraterinnen und Berater brauchen, die sämtliche Ebenen und Szenarien im Blick haben. Dann gelingt die Nachfolgegestaltung.“