Stromausfälle durch Starkschnee in Ost- und Süddeutschland, dann Abfall der Netzfrequenz im Stromnetz auf die untere Grenze eines sicheren Netzbetriebes, kurz später Anstieg auf die obere Grenze eines sicheren Netzbetriebes, Kohleausstieg ab 2022 (parallel zum Atomausstieg bis 2022), Schlagabtausch über die Gas-Pipeline Nord Stream 2 (die den deutschen Mehrbedarf durch die Energiewende sicherstellen soll), Untersagung einer Schnell-Ladestation für Elektroautos (damit das Stromnetz nicht überlastet), Regierungswarnung vor Hacker-Angriffen auf die Stromversorgung, längster und größter Stromausfall der Berliner Nachkriegsgeschichte usw.. Schon diese aktuellen Meldungen zeigen, dass auch ein lang anhaltender, flächendeckender Stromausfall nicht völlig ausgeschlossen ist.
Auswirkungen im Hotel
Was passiert in einem Hotel, wenn der Strom ausfällt? – In den Gästezimmern geht das Licht aus. Auch wenn es nicht passieren darf, lässt es sich nicht ausschließen, dass zudem ein Teil der Gäste von elektronischen Türschlössern eingeschlossen wird.
Gleichzeitig können die Gäste die Rezeption nicht mehr erreichen, um auf ihre Notlage aufmerksam zu machen: Dank der inzwischen flächendeckend verbreiteten IP-Telefonie genügt der Ausfall eines Routers, damit ab dem Moment des Stromausfalls keine Festnetztelefonie mehr möglich ist. Befindet sich das Hotel an einem Verbraucherschwerpunkt, an dem sogenannte Mikrozellen unterhalb der Sendemasten eingesetzt werden, ist auch der Mobilfunk nicht notstromversorgt und fällt zeitgleich mit dem Strom aus.
Es lässt sich auch nicht ausschließen, dass im Moment des Stromausfalls Gäste den Aufzug benutzt haben – und nun darin eingesperrt sind. Üblicherweise wäre das ein Fall für die Feuerwehr – doch selbst wenn es gelingt, per Handy die Notrufzentrale zu erreichen, sei darauf hingewiesen, dass es beispielsweise für Berlin Hochrechnungen gibt, denen zufolge die Feuerwehr bei einem Blackout 3-5 Tage brauchen würde, um alle Menschen aus stecken gebliebenen Fahrstühlen zu befreien.
Die Gäste, die ihre Zimmer verlassen konnten und nicht im Aufzug stecken geblieben sind, werden sich dank beleuchteter Fluchtwege und ausgeschilderter Treppenhäuser auf den Weg zur Rezeption machen. Hier ist mit einem Ansturm aufgeregter und aufgebrachter Gäste zu rechnen.
Die wenigsten Gäste werden bei den ersten Anzeichen eines Stromausfalls abreisen. Auch sie sind es ja gewöhnt, dass der Strom nach einigen Minuten wiederkommt. Aber mit zunehmender Zeit wird sich der Abreisewille häufen. Das führt zu der Herausforderung, Gäste ohne jegliche IT, ohne Kasse, ohne Kartenzahlung auszuchecken.
Wenn dies gelingt, wollen sie ihre Autos aus dem Parkhaus holen. Das Licht funktioniert nicht, aber die meisten Handys verfügen ja über eine Taschenlampen-Funktion. Kritischer wird es, wenn zahlreiche Gäste in einer Tiefgarage mit ausgefallener Lüftung ihre Motoren starten. Dass das Sektionaltor „eigentlich“ Strom braucht, damit es geöffnet werden kann, könnte zum Problem werden.
Problematisch wird die Situation auch für hilfsbedürftige alte, kranke oder behinderte Gäste im Haus – eine „Inventarisierung“ der Gäste ist unumgänglich, um von ihnen zu erfahren und ihnen helfen zu können. Dabei zeigen sich weitreichende Parallelen zwischen Hotels und Krankenhäusern, weil Hotels im Notfall vor recht ähnlichen Herausforderungen stehen.
Es sind zwei „Prozesse“ zu unterscheiden: bis zu dieser Stelle der Prozess der geordneten Gästeabreise, man kann es auch den „Evakuierungsprozess“ nennen. Doch das nur der erste Teil. Ein Blackout ist ein lang anhaltender, flächendeckender Stromausfall, in dessen Folge alles ausfällt, was mit Strom versorgt wird, und die gesamte Infrastruktur zum Erliegen kommt – mit offenem Ende. Daraus resultiert auch die Frage nach dem „Prozess“ der Betriebsfortführung unter erschwerten Bedingungen.
Hotelbetrieb im Blackout-Fall
Einige Stichworte genügen, um das Ausmaß deutlich zu machen: Beleuchtung ohne Strom? – Die Ausgabe von Kerzen würde das Brandrisiko immens erhöhen. Heizung ohne Strom? Haus- und Zimmer-Reinigung ohne Strom, ganz abgesehen von Bettzeug und Handtüchern? Küche ohne elektrische Geräte, Kühlung und Lebensmittelnachschub? Müllentsorgung ohne funktionierende Müllabfuhr? Zudem funktionieren die in den meisten Gegenden erforderlichen Pumpen für Wasser (und Abwasser!) ohne Strom nicht. Das Thema IT, Kasse und Kartenzahlung braucht auch noch eine Lösung. Und so weiter.
Drei Einzelaspekte sind noch zu vertiefen:
Die meisten Hotels haben engagierte und loyale Mitarbeiter, die sich bis zur eigenen physischen und psychischen Belastungsgrenze um das Hotel und seine Gäste kümmern. Doch irgendwann werden sie realisieren, dass auch ihre Familien zu Hause betroffen sind – und sie werden sich um ihre Angehörigen kümmern wollen. Wenn sie aber erst einmal nach Hause gefahren sind, wird es mit zunehmender Dauer des Blackouts schwerer, ins Hotel zurückzukommen. Im Zweifelsfall werden die Mitarbeiter nicht einmal mehr erreichbar sein.
Wenn der Hotelbetrieb aufrechterhalten werden kann, wird das Hotel Begehrlichkeiten wecken und zum Anziehungspunkt für jedermann, der sich aufwärmen möchte, der sanitäre Einrichtungen nutzen möchte, der hofft, dass die Hotelküche noch über Reserven verfügt. Kurzum: Es muss mit einem ungewollten Ansturm gerechnet werden, der auch Sicherheitsfragen aufwirft.
Ein weiterer Aspekt hat sich in vergleichbaren Situationen als Realität erwiesen: Hotels bieten sich aus Sicht des Krisenmanagements hervorragend als Notunterkünfte an, weil sie über eine fast perfekte Infrastruktur verfügen. Die oben angesprochenen Fragen der Betriebsfortführung unter erschwerten Bedingungen wird dann der Katastrophenschutz lösen – ob dessen Vorstellungen sich aber mit denen der Hotelleitung decken, ist eine andere Frage.
Vorsorgemöglichkeiten
Stromausfälle lassen sich von einem einzelnen Hotel nicht verhindern und ein Blackout schon gar nicht. Es kann aber eine technische Vorsorge getroffen werden, die es erlaubt, die schlimmsten Auswirkungen abzumildern, etwa eine Notstromabsicherung der kritischsten Funktionen. Dabei muss es insbesondere darum gehen, dass die Gäste unter allen Umständen ihre Zimmer, den Aufzug, das Gebäude und das Parkhaus verlassen können und möglichst auch noch die Rezeption erreichen, wenn sie Hilfe brauchen. Ohne jegliche Vorsorge würde die technische Infrastruktur vollständig zusammenbrechen, und dabei ist die auf dem Vormarsch befindliche Digitalisierung mit App-Steuerungen oder Servicerobotern hier noch unbetrachtet geblieben.
Man kann auch noch einen Schritt weitergehen: Die Installation einer Photovoltaik (PV)-Anlage ist für viele Hotels schon unter rein betriebswirtschaftlichen Erwägungen von Interesse. Damit sie auch bei einem Stromausfall weiterarbeitet, ist allerdings eine Abtrennung vom öffentlichen Stromnetz erforderlich; die PV-Anlage muss „inselbetriebsfähig“ sein. Wird auf diese Weise eine eigene Stromerzeugung im Blackout-Fall gewährleistet, können dadurch auch weniger kritische, aber für die Aufrechterhaltung des Hotelbetriebs wichtige Bereiche aufrecht erhalten werden, etwa die Lebensmittelkühlung, Wasserver- und Abwasserentsorgung, Beleuchtung, evtl. Heizung und IT.
Es geht aber nicht primär um teure Investitionen. Zuallererst geht es um die Auseinandersetzung mit der Gefahr eines Blackouts. Es geht um die Frage, was zu tun ist, wenn es soweit kommt, um organisatorische Maßnahmen, um eine Notfallplanung.
Die Antworten sind für jedes Hotel andere: Gibt es überhaupt elektronische Türschlösser, einen Aufzug, eine Küche? Welche Alarmierungsmöglichkeiten sind bereits vorhanden? Verfügt ein nachhaltigkeitsorientiertes Haus vielleicht längst über Solarstrom? Kann notfalls das Wasser aus einem Pool für die Abwasserentsorgung zweckentfremdet werden? Und so weiter. Eine Notfallplanung basiert auf den konkreten Bedingungen des Hauses und muss individuell erstellt werden.
Aber es gibt auch allgemeingültige Antworten, denn es geht besonders um eine Sensibilisierung der Mitarbeiter, um die jeweiligen Aufgaben und Rollen, um das Training etwa des Umgangs mit aufgebrachten Menschenmengen. Und darum, den Mitarbeitern klarzumachen, dass auch deren private Vorsorge nötig ist, damit sie im Fall der Fälle dem Hotel zur Verfügung stehen können. Die Hotelleitung sollte solch eine Vorsorge vielleicht wie eine Versicherung betrachten – und einmal abklären, ob ihre Betriebsausfallversicherung auch den Fall eines Blackouts abdeckt…
Autor
Tobias Greilich hat ein wirtschaftswissenschaftliches Studium absolviert, war jahrelang auf Direktorenebene in der Hotellerie tätig, berät und unterstützt heute Hotels in unterschiedlichen Bereichen und zählt hunderte Hotelbetriebe zu seinen Kunden. Er hat unter anderem zwei Hotellerie-Fachbücher sowie ein Fachbuch über das Blackout-Szenario veröffentlicht. Der Autor steht unter tobias.greilich@gmx.de für Leserfragen zur Verfügung.