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Wie die Digitalisierung dem Gastgewerbe aus der Personalkrise helfen kann

Kaum dürfen Restaurants, Bars und Hotels nach dem Lockdown wieder öffnen, stehen Gastronomen und Hoteliers vor dem nächsten Problem: Die Gäste sind da, aber es fehlen Mitarbeitende. Die Rekrutierung neuer Arbeitskräfte läuft nur schleppend. Eva-Maria Bleifuss, operative Leitung von Guestline Deutschland, einem Anbieter von cloudbasierten Hospitality-Softwarelösungen, zeigt einige Möglichkeiten auf, wie Jobs im Gastgewerbe wieder attraktiver gestaltet werden können.
Hispanolistic | iStockphoto

Wie ist der Stand im Hotel- und Gastgewerbe nach dem letzten Lockdown?

Hotels und Restaurants sind wieder gut besucht, die Menschen wollen endlich raus und etwas erleben. Doch viele Angestellte im Gastgewerbe, die während der Pandemie in Kurzarbeit geschickt wurden oder gar ihren Job verloren haben, sicherten sich neue Jobs in anderen Bereichen und fehlen nun. Laut der Jobbörse Stepstone ist die Zahl der ausgeschriebenen Stellen in Hotellerie und Gastronomie im Vergleich zum Vorjahr um 62 Prozent gestiegen. Der ohnehin schon bestehende Fachkräftemangel wurde durch die Pandemie noch einmal verstärkt. Bisher galt das Hotel- und Gastronomiegewerbe als krisenfest und sicher, doch auch diese Ansicht änderte sich durch die Corona-Krise schlagartig. Daher wechselten viele in den Einzelhandel oder fanden Jobs im Gesundheitswesen. Nach Angaben des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA) sind es mehr als 325.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich notgedrungen umorientiert haben. Der Grund dafür ist allerdings nicht allein Corona.

Hat das Hotel- und Gastgewerbe ein Imageproblem?

Fragt man Beschäftigte in Hotellerie und Gastronomie nach ihrem Job, hört man oft von der guten Stimmung im Team, der familiären Atmosphäre und wie erfüllend es sein kann, im Service andere Menschen glücklich zu machen. Der Arbeitsalltag ist abwechslungsreich und das Trinkgeld oft auch nicht schlecht. Doch die Arbeit in dieser Branche birgt auch so manche Schattenseiten. Man arbeitet, wenn andere frei haben und besonders in der Gastronomie ist das Umfeld oft laut und stressig, die Tätigkeiten körperlich anstrengend. Die Bezahlung lässt teils zu wünschen übrig und die anspruchsvollen Arbeitszeiten sind oft nur schwer mit dem Privat- oder Familienleben vereinbar. Schon vor Corona wechselten Beschäftigte im Gastgewerbe häufig den Job, wie eine Statistik der Bundesagentur für Arbeit zeigt. Das gilt nicht nur für berufserfahrenes Personal, sondern auch für Einsteiger: Fast jeder zweite Koch-Azubi bricht seine Ausbildung ab. Hauptgründe dafür sind die Bezahlung und die vielen, oft nicht vergüteten, Überstunden, aber auch das durchgehend hohe Stresslevel und eine Kultur, in der man schnell als zu weich gilt, wenn man sich die Erschöpfung einmal anmerken lässt. All diese Faktoren mögen so manchen Bewerbungswilligen abschrecken, aber es gibt Möglichkeiten, wie Hoteliers dem entgegenwirken können.

Wie kann das Gastgewerbe für Arbeitnehmende wieder attraktiver gestaltet werden?

Es ist dringend notwendig, Jobprofile im Gastgewerbe zu überdenken und Arbeitsplätze deutlich aufzuwerten. Durch Digitalisierung können auch im Gastgewerbe grundlegende Veränderungen herbeigeführt werden, die zu flexiblen Arbeitsmodellen, neuen Jobprofilen und faireren Vergütungsmöglichkeiten führen.

Hotels und Gastronomie müssen ihre betrieblichen Abläufe genauestens unter die Lupe nehmen und erkennen, wo diese automatisiert werden können und müssen, um mit der technischen Entwicklung Schritt zu halten. Besonders das Back Office mit Marketing, Vertrieb, Buchhaltung und Personalplanung bietet sich dafür an. Mitarbeitende können durch die Nutzung intuitiver, leicht zu bedienender Cloud-Software ortsunabhängig arbeiten und wären so deutlich flexibler, was ihre Arbeitszeiten und Zeiteinteilung angeht. So wächst außerdem der Pool an Bewerbungen, da der Wohnort nun nicht mehr ausschlaggebend ist und sich auch Kandidatinnen und Kanditen bewerben können, die aufgrund ihrer Lebensumstände auf eine flexible Stelle und Remote-Arbeit angewiesen sind. Einzig die fachliche Qualifikation entscheidet dann darüber, wer die offene Stelle schließlich bekommt. Remote-Work-Modelle und flexible Arbeitszeiten machen das Gastgewerbe nicht nur für den Nachwuchs attraktiver, sondern bieten auch erfahrenen Mitarbeitern eine interessante Alternative zu ihrem bisherigen Berufsalltag.
Auch im direkten Kundenkontakt kann durch digitale Neuerungen viel verändert werden. Administrative, immer wiederkehrende Aufgaben, wie Buchungstätigkeiten, das Ein- und Auschecken der Gäste oder Bezahlvorgänge, können vom Gast bereits vor der Ankunft, vor Ort an einem Tablet oder Self-Service-Terminal, oder auch komplett automatisiert erledigt werden. Dadurch bleibt den Servicemitarbeitern viel mehr Zeit, in die Rolle wirklicher Gastgeber zu schlüpfen. Anstatt den ganzen Tag mit Verwaltung und Papierkram zu verbringen, hätten sie nun deutlich mehr Zeit, sich um individuelle Wünsche und Anfragen der Gäste zu kümmern und deren Aufenthalt so zu einem echten Erlebnis zu machen.

Worauf sollten Hoteliers künftig bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter Wert legen?

Statt administrativer Aufgaben sollte die Interaktion mit den Gästen in Zukunft deutlich mehr in den Vordergrund rücken. Menschenkenntnis, Fremdsprachenwissen, Kultur- und Ortskenntnisse, Freude am Improvisieren und vorausschauendes Denken werden zu Schlüsselqualifikationen für ein qualitativ hochwertiges, individuelles Gästemanagement. Sowohl im Gastgewerbe als auch in vielen anderen kundenorientierten Bereichen geht es vor allem darum, unvergessliche Service-Erlebnisse zu schaffen – und mit genügend Anpassungsfähigkeit sowie der richtigen Einstellung können auch Quereinsteiger aus fachfremden Branchen in diesem Bereich glänzen. Auch in leitenden Positionen in Vertrieb, Marketing oder Finanzwesen können Fachfremde punkten, nachdem sie durch Trainings mit den Branchen- und Produktspezifika vertraut gemacht worden sind. Intuitive Software erleichtert auch dabei das Erlernen neuer Arbeitsprozesse.

Durch die Automatisierung bestimmter Aufgaben sinkt auch der Arbeitsaufwand und es muss nicht mehr zwangsläufig die gleiche Anzahl Mitarbeiter rekrutiert werden, die vor der Krise beschäftigt waren. So werden Ressourcen freigesetzt, die anderswo gewinnbringend eingesetzt werden können. Frei gewordene Lohnkostenbudgets können genutzt werden, um andere Stellen attraktiver und wettbewerbstauglicher zu vergüten. Wer bereit ist, den Schritt in die Digitalisierung zu wagen, der investiert in die Zukunft seines Unternehmens und seiner Beschäftigten und schafft es so, neues und vielversprechendes Potenzial zu locken und zu halten.

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Über die Autorin

Eva-Maria Bleifuss leitet das operative Geschäft im deutschsprachigen Raum beim Cloud-Hospitality-Lösungsanbieter Guestline. Zuvor besetzte Sie leitende Positionen im Vertrieb bei führenden Technologie- und Hospitalityunternehmen, darunter Sabre, TrustYou und h2c. Bleifuss hat über zehn Jahre Erfahrung in der Tourismusbranche.

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