Gastgewerbe-Magazin: Herr Eglin, Sie stellen seit 2015 Cider her. Wie sind Sie zur Ciderherstellung gekommen?
Steve Eglin: Erstmals in Berührung kam ich mit Cider während meines Studiums. Ich lebte 2010/11 ein Jahr in Tallinn und entdeckte das riesige Repertoire an industriell hergestelltem Cider in Estland. Später als ich dann in einer großen Brauerei als Produktentwickler arbeitete, entstand der Wunsch, wieder kleiner und handwerklicher zu arbeiten. Ich hatte mich zu diesem Zeitpunkt aufgrund meines Interesses schon theoretisch mit der Ciderherstellung beschäftigt und griff diesen Gedanken wieder auf. Außerdem sind Bier-, Wein- und Schaumweinherstellung verwandte Verarbeitungsprozesse. Alles dreht sich um die Vergärung mit Hefe. Ich kündigte 2014 meinen Job und bewarb mich bei sämtlichen dänischen Ciderherstellern um ein Praktikum und bekam die Chance dann auch. Dänische Ciderhersteller sind zum größten Teil kleine, oft 1-Personen-Betriebe, welche großen Wert auf ihre handwerkliche Herstellung legen. Das entsprach genau meiner Vorstellung. So kam ich in Kombination mit meinem Wissen aus dem Studium zur Ciderherstellung und gründete 2015 meine Kelterei.
Wie und wo produzieren Sie Ihren Cider?
Man kann sich die Art meiner Ciderproduktion als Champagner-Verfahren vorstellen. Der Unterschied besteht darin, dass es keine Weintrauben sondern Äpfel sind, die verarbeitet werden. Der Saft wird kalt aus den Äpfeln gepresst und spontan mit den auf der Apfeloberfläche befindlichen Hefen im Tank vergoren. Danach wird der entstandene Jungwein als klassische Flaschengärung weitervergoren und reift zu Cider. Den nächsten Schritt, das Rütteln, kennt jeder, der schon einmal eine Sektkellerei besucht hat. Die Flaschen werden kopfüber in Eichenbretter gesteckt, damit die Hefe in den Flaschenhals absinkt und anschließend entfernt werden kann. Es entsteht nach zwei Jahren ein klares, prickelndes, goldgelbes Getränk. Ich produziere in einer kleinen ehemaligen Fleischerei. Die Räumlichkeiten lagen Jahre brach und wurden so wieder zum Leben erweckt.
Was ist das Besondere an Ihrem Cider?
Wie der Name meines Unternehmens „Pirn’sche Kälterei“ schon sagt, hat das Handwerk wie ich es betreibe viel mit Kälte zu tun. Das bedeutet, dass alle wichtigen Schritte zum Herstellen meines Ciders in den kälteren Jahreszeiten passieren. Da der Cider auf natürlich Weise, also ohne Zugabe von im Labor gezüchteten Hefen hergestellt wird, braucht die Herstellung wesentlich mehr Zeit als ein industrielles Produkt. Kälte und viel Zeit ergeben in Kombination eine schonende Herstellung und einen fruchtigen Cider, in welchem so viele Aromen der Äpfel wie möglich bewahrt worden sind. Ich möchte ja auch keine Aromen hinzufügen müssen. Eine Flaschengärung führt zudem zu feineren Kohlesäureperlen, welche das Aroma nicht so stark kaschieren wie bei industriellen Produkten.
Wie würden Sie den Geschmack von Cider beschreiben – für Menschen, die ihn noch nie probiert haben?
Cider kann sehr vielfältig sein, da jede Region seine speziellen Apfelsorten hat. Ich versuche mal den Cider der Sächsischen Schweiz zu beschreiben: Öffnet man die Flasche riecht man sofort die fruchtigen Apfelaromen, wie man sie von vollreifen rot-gelben Äpfeln bzw. deren Saft kennt. Der erste Schluck überrascht mit seiner Trockenheit. Da der Saft vergoren wurde, darf man kein süßes Getränk erwarten. Das erste Gefühl wird von fruchtigen Aromen, welche an Äpfel und Birnen erinnern abgelöst. Wer es nicht genau weiß, dem ist nicht bewusst, dass er ein alkoholisches Produkt trinkt, welches fast 7 Vol% aufweist, da der Geschmack nach Alkohol nur sehr dezent wahrgenommen werden kann. Vervollständigt wird das Geschmacksbild durch das leichte Prickeln der Kohlensäure auf der Zungenoberfläche, welches wesentlich dezenter ist, als jenes, was man von normalen Sekt kennt.
Cider wird häufig auch als Bier bezeichnet. Ist er nun Wein oder Bier?
Einige Menschen denken, dass Cider Bier ist. Wahrscheinlich, weil es im English oder Irish Pub in der gleichen Liste wie Bier aufgeführt wird. Die Flaschen sehen dort auch sehr ähnlich aus. Es ist gelb in der Farbe und schäumt auch. Cider ist jedoch von seiner Herstellung her weit von Bier entfernt. Da sehe ich abgesehen vom Vergären mit Hefe nur wenig Zusammenhänge. Bier wird aus Malz, Hopfen und Wasser hergestellt, Cider aus Früchten. Für Cider gibt es lebensmittelrechtlich auch keine Vorgaben wie das Reinheitsgebot beim Bier. Der Experimentierfreude sind keine Grenzen gesetzt. Stille Cider kann man durchaus als Fruchtwein bezeichnen. Cider mit Kohlensäure sind Fruchtschaumweine bzw. Fruchtsekte.