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Gleicher Lohnanspruch bei gleicher Arbeit: Equal-Pay-Grundsatz nach BAG-Urteil und was er jetzt für Arbeitgeber:innen bedeutet

Das Bundesarbeitsgericht hat mit einer neuen Entscheidung eine Rechtsprechung auf den Weg gebracht, die auch in Deutschland gleichen Lohn für gleiche Arbeit Realität werden lassen könnte. Mit seinem Urteil vom 16.02.23 hat es klargestellt, dass Verhandlungsgeschick allein kein geeignetes sachliches Kriterium ist, um eine ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen zu rechtfertigen. Rechtsanwalt Markus Schultz erläutert das Urteil und erklärt, warum die Entscheidung eine hohe Relevanz für alle Arbeitgeber:innen hat.
Markus Schultz

Abweichen von Standardarbeitszeiten, das Gewähren von Kost & Logis, Flexibilität und Schichtarbeit – die Arbeit im Gastgewerbe unterliegt häufig arbeitsrechtlichen Besonderheiten. Es handelt sich dabei um eine besonders personalintensive Branche, welche besonders unter dem Fachkräftemangel leidet. Allein im vergangenen Jahr arbeiteten rund 1.061.802 sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer im Bereich der Hotellerie und Gastronomie. Das neue Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16.02.2023 – 8 AZR 450/21 – macht deutlich, was vor allem bei der Vereinbarung von individualisierten Gehältern zu beachten ist.

Was ist passiert?

Eine Arbeitnehmerin war seit dem 01. März 2017 beim Arbeitgeber als Außendienstmitarbeiterin im Vertrieb beschäftigt. Ihr Einstiegsgehalt bis zum 31. Juli 2018 betrug 3.500,00 Euro brutto. Dieses war einzelvertraglich ausgehandelt worden. Ab dem 01. August 2018 sollte sich die Vergütung nach einem Haustarifvertrag richten, welcher eine Deckungsregelung in Höhe von 120 Euro brutto pro Stunde vorsah.

Neben dieser Arbeitnehmerin waren auch zwei männliche Kollegen als Außendienstmitarbeiter im Betrieb des Arbeitgebers tätig. Einer davon arbeitete seit dem 01. Januar 2017 bei der Beklagten. Dieser männliche Arbeitnehmer verhandelte zu Beginn seines Anstellungsverhältnisses mit dem Arbeitgeber ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von 4.500,00 Euro aus. Wegen dieser ungleichen Vergütung klagte die weibliche Arbeitnehmerin.

Mit ihrer Klage vor dem Arbeitsgericht Dresden begehrte die Klägerin von der Beklagten eine Zahlung wegen rückständiger Vergütung in Höhe von insgesamt 14.500,00 Euro brutto sowie eine angemessene Entschädigung in Höhe von 6.000,00 Euro. Die Klage wurde in den Vorinstanzen abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte ganz überwiegend Erfolg.

Wie argumentiert das Gericht?

Nach den Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts wurde die Klägerin aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt, obgleich sie die gleiche Arbeit verrichtete wie ihr männlicher Kollege. Die Vermutung einer Ungleichbehandlung begründet § 22 AGG. Die Klägerin trug Indizien vor, die eine Benachteiligung wegen ihres Geschlechts im Sinne des § 1 AGG vermuten ließen. Im Gegenzug muss dann der beklagte Betrieb darlegen und beweisen, dass eben kein Verstoß gegen § 1 AGG vorlag. Diesen Beweis konnte die Beklagte hier nicht erbringen. Weder das Argument, dass der männliche Kollege ein höheres Entgelt habe aushandeln können noch, dass der männliche Arbeitnehmer einer besser vergüteten ausgeschiedenen Arbeitnehmerin gefolgt sei, reichten aus, um das Gegenteil einer Ungleichbehandlung zu beweisen. Auch konnte sich der Arbeitgeber nicht auf eine Deckungsregelung aus dem Tarifvertrag berufen, da die Arbeitnehmerin zuvor ein einzelvertraglich vereinbartes Entgelt erhalten hat.

Was bedeutet das für Arbeitgeber im Gastgewerbe?

Der Entscheidung kommt eine hohe Praxisrelevanz zu. Bislang ist eine geschlechterspezifische Gehaltsunterscheidung nicht ungewöhnlich in Deutschland. Wie das Statistische Bundesamt am 30.01.2023 mitteilte, wurden Frauen im Jahr 2022 im Schnitt um 4,31 Euro pro Stunde geringer vergütet als Männer.

Insbesondere das Gastgewerbe zeichnet sich durch eine hohe Fluktuation von Arbeitnehmer*innen aus. Es kommt immer wieder zur Vereinbarung neuer Arbeitsverträge, da die Branche einen besonders hohen Bedarf an kurzfristig zur Verfügung stehenden Beschäftigten hat, wie z.B. in Saison-, Urlaubs- oder Messezeiten. Wir raten daher zur Vorsicht bei individualisierten Gehaltsfindungen.

Ausschließlich objektive und geschlechtsneutrale Gründe (z.B. Qualifikation oder Berufserfahrung) können eine unterschiedliche Vergütung bei gleicher Arbeit rechtfertigen. Wir empfehlen diese Gründe schriftlich zu dokumentieren.

Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung klargestellt, dass Verhandlungsgeschick kein tauglicher Grund ist, um eine ungleiche Bezahlung zu rechtfertigen.

Bei Nichtbeachtung des Equal-Pay-Grundsatzes kann es teuer werden: Arbeitnehmer*innen können dann nämlich Nachzahlungen bis hin zu Schmerzensgeld verlangen von der Arbeitgeberseite verlangen. Zur Vorbeugung arbeitsrechtlicher Konsequenzen empfehlen wir, eine Überprüfung und ggf. Überarbeitung der Arbeitsverträge vorzunehmen. Bereits vorsorglich sollten gegebenenfalls Gehälter angepasst werden, so dass Arbeitgeber*innen keine Angriffsfläche mehr bieten.

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