Wie sieht die Situation bei den Unternehmensnachfolgen aktuell aus?
Nach aktuellen Schätzungen steht im Zeitraum von 2018 bis 2022 in rund 150.000 Familienunternehmen die Übergabe an. Dies entspricht 30.000 Übergaben pro Jahr. Davon sind auch Hotellerie und Gastronomie als besonders von Familienunternehmen geprägte Wirtschaftszweige stark berührt. Und da die Generation der Baby-Boomer (also die geburtenstarken Jahrgänge der 50er und 60er) dem Rentenalter immer näherkommt, wird diese Dynamik in den kommenden Jahren voraussichtlich auch nicht abnehmen.
Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf die Unternehmensnachfolge?
Grundsätzlich werden die Auswirkungen der Corona-Krise nicht so weitreichend sein, dass Unternehmensnachfolgen allgemein davon dauerhaft betroffen sein werden. Die Wirtschaft wird sich, davon sind Ökonomen unisono überzeugt, zwar zunächst zurückgehen, aber sich dann auch wieder erholen. „Aber natürlich muss man sich in Hotellerie und Gastronomie genau die Entwicklungen anschauen. Die Branche ist hart von den Schließungen und Reiseverboten betroffen, und die Unternehmen müssen zunächst wieder wirtschaftlich in die Spur finden und ihre Strategie und Marktpositionierung festigen. Dabei unterstützen die Hilfsangebote von Bund und Ländern“, sagt Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Alexander Thees, Partner bei der Wirtschaftskanzlei Beiten Burkhardt in Düsseldorf und Geschäftsführer des Kooperationspartners BBWP Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Sei dieser Prozess abgeschlossen, könnten bestehende Pläne der Unternehmensnachfolge aber umgesetzt und künftige gefasst werden, ist er sich sicher. „Die Corona-Krise ist ein harter Einschnitt. Aber die Unternehmensnachfolge ist die Zukunft und sollte daher bei allen aktuellen Erwägungen weiterhin eine Rolle spielen. Es gibt eine Zeit nach Corona.“
Kann die Unternehmensnachfolge durch die Krise einfacher werden?
„Das hängt davon ab“, sagt Alexander Thees. „Natürlich sind wirtschaftliche angeschlagene Betriebe weniger leicht zu übergeben als gesunde, weil die Nachfolger nicht unbedingt ein Unternehmen in schwerem Fahrwasser übernehmen wollen, sondern sich möglicherweise anders orientieren.“ Auf der anderen Seite kann der wirtschaftliche Rückgang aber natürlich auch den Unternehmenswert reduzieren, sodass auch größere Betriebe, erbschaft- beziehungsweise schenkungsteuerfrei übergeben werden könnten. Auch der Wert des reinen betrieblichen Immobilienvermögens kann in Folge der Corona – Krise gesunken sein. „Das Risiko, bei den stark steigenden Preisen für Grund und Boden in den vergangenen Jahren in eine teure Erbschaftsteuerfalle zu tappen, war groß. Gegebenenfalls reduzieren sich nunmehr die Immobilienpreise, sodass die steuerlichen Freigrenzen oftmals nicht mehr überschritten werden.
Ist jetzt vielleicht sogar der richtige Zeitpunkt für die Übertragung?
Ohne Risiko von erbschaftsteuerlichen Folgen den Betrieb zu übernehmen, klingt natürlich verlockend. Aber ist dazu wirklich geraten? „Wenn die Unternehmensnachfolge ohnehin ansteht, lässt sich ein Rückgang in der Bewertung natürlich nutzen, um schnell zuzugreifen. Im kommenden Jahr kann es bereits wieder anders aussehen“, rät Alexander Thees. Er differenziert aber: „Allein um das Risiko einer Erbschaft- beziehungsweise Schenkungsteuerzahlung zu umgehen, sollte niemand die Unternehmensnachfolge übers Knie brechen. Der Prozess muss steuerlich, rechtlich und strategisch genau strukturiert werden.“
Wie sollten Unternehmer in der Krise konkret vorgehen?
Die Krise geht vorbei und die Wirtschaft wird wieder zulegen, da sind sich die Experten einig. Aber natürlich bringt es nichts, einfach auf Besserung zu warten. „Unternehmer können die aktuelle Phase für gezielte, zukunftsorientierte Restrukturierungsmaßnahmen nutzen und ihre Prozesse und Strukturen überdenken. Jeder Betrieb hat hinreichendes Optimierungspotenzial, das jetzt für die Zukunft ausgeschöpft werden kann. Dann können die Nachfolger ein gesundes Unternehmen mit guten Aussichten übernehmen“, betont Alexander Thees.