Grundsatz: Arbeitgeber muss rechtzeitig informieren
Nach der Rechtsprechung des EuGH aus 2018 und 2022 sowie den darauffolgenden Urteilen des BAG reicht es nicht mehr, wenn Arbeitnehmer wissen, dass Urlaubstage verfallen könnten. Vielmehr müssen sie von ihren Arbeitgebern ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass und wie viele Urlaubstage noch offen sind und dass diese zum Jahresende oder zum Ende des ersten Quartals des Folgejahres verfallen können, falls sie nicht genommen werden. Erst wenn ein solcher Hinweis erfolgt, kann der Urlaubsanspruch tatsächlich erlöschen. Unterschieden werden muss im Einzelnen noch zwischen Ansprüchen, die das Gesetz gewährt und die nicht unterschritten werden dürfen auf der einen Seite sowie tarif- und arbeitsvertraglichen Urlaubsansprüchen, die über das gesetzlich notwendige Maß hinaus gewährt werden. Für alle Ansprüche gilt aber der Grundsatz, dass die Arbeitgeberseite über den noch offenen Umfang informieren muss.
Was bedeutet das für die Verjährung?
Grundsätzlich unterliegt ein Urlaubsanspruch der gesetzlichen Verjährungsfrist von drei Jahren. Allerdings beginnt diese Frist erst zu laufen, wenn der Arbeitgeber seine Beschäftigten zutreffend informiert hat. Ohne diese Information droht dem Unternehmen, dass alte Urlaubsansprüche selbst nach Jahren noch bestehen bleiben und geltend gemacht werden können.
Sonderfall Krankheit: 15-Monats-Regel
Wer dauerhaft krank ist und im gesamten Bezugszeitraum keine Chance hatte, Urlaub zu nehmen, verliert seine Urlaubstage auch ohne Hinweis nach spätestens 15 Monaten. Den Unterschied macht aus, dass hier allein die Krankheit zum Ausfall führt, nicht ein unterlassener Arbeitgeberhinweis.
Wird jemand erst im Laufe eines Urlaubsjahres krank und hätte theoretisch davor Urlaub nehmen können, verfällt der Urlaub nur dann nach 15 Monaten, wenn es zuvor eine korrekte Information des Arbeitgebers gegeben hat. Fehlt dieser Hinweis, besteht der Anspruch fort.
Urlaubsabgeltung nach Ende des Arbeitsverhältnisses
Löst sich das Arbeitsverhältnis auf, so entsteht anstelle des Urlaubstags selbst der Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Hier gilt eine andere Interessenlage: Der Arbeitgeber kann keinen Freizeitausgleich mehr gewähren.
Deshalb greifen Verjährung und tarifliche bzw. vertragliche Ausschlussfristen nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses auch ohne besonderen Hinweis. Das heißt, ehemals Beschäftigte müssen selbst darauf achten, Ansprüche rechtzeitig zu stellen.
Tipps für die Praxis
Arbeitgeber sollten direkt zu Jahresbeginn alle Mitarbeitenden schriftlich oder per E-Mail über Resturlaub informieren und klar auf den drohenden Verfall hinweisen. So beugen sie unnötigen Streitigkeiten vor.
Ein Musterschreiben finden Sie hier.
Bei länger andauernder Krankheit empfiehlt es sich, gut zu dokumentieren, ab wann eine Krankheit bestand und ob zumindest zeitweise eine Urlaubsnahme möglich gewesen wäre.
Endet das Arbeitsverhältnis, sollte rasch geprüft werden, ob noch Urlaubsansprüche offen sind. Diese gehen bei Ausscheiden in einen finanziellen Ausgleich (Urlaubsabgeltung) über, können jedoch Ausschlussfristen oder der Verjährung unterliegen.
Fazit
Die jüngere Rechtsprechung stärkt die Rechte von Beschäftigten erheblich, solange das Arbeitsverhältnis noch läuft. Arbeitgeber, die keine oder nur unklare Hinweise geben, riskieren, auf lange Zeit wachsende Urlaubsansprüche anhäufen zu lassen. Umgekehrt müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach Ende des Arbeitsverhältnisses selbst für die rechtzeitige Geltendmachung sorgen.








