Herr Hoenig, wie viel Emotionalität darf in den unternehmerischen Entscheidungsprozess einfließen?
Die Auswertung von Zahlen ist zeitaufwändig. Erfolgreiche Hoteldirektoren verbringen etwa 80 Prozent ihrer Zeit mit Mitarbeitern und Gästen. Die übrigen 20 Prozent sind nicht immer ausreichend, um sich einen vollumfassenden Überblick über Zahlen zu verschaffen. Der Lockdown war für mich als leidenschaftlicher Gastgeber ein Horrorszenario – für den Zahlenmenschen in mir war es aber eine einmalige Chance. Ich habe jeden operativen Prozess reflektiert und mir überlegt, was sich optimieren lässt. Auch habe ich mir speziell die negativen Bewertungen angeschaut. Oft hatte ich bereits eine persönliche Vermutung für die Ursachen – die dann von Zahlen bestätigt wurden. Zum Beispiel, dass bestimme Beschwerden nicht nur auf die gleiche Zimmerkategorie, sondern auf bestimme Zimmer fielen, oder dass vermehrt Gäste auswärts aßen – obwohl wir über ein prämiertes Spitzenrestaurant verfügen. Auf Grundlage der Daten haben wir dieses Jahr einen hohen sechsstelligen Betrag in die Renovierung von Zimmern und in die Digitalisierung von Prozessen investiert. Und wir haben uns dazu entschlossen, Übernachtungen nur noch inklusive Halbpension anzubieten. Das war sicher eine der mutigeren Entscheidungen, rückblickend aber eine der besten.
Welche Erfolge resultierten daraus?
Die Preisbereitschaft für die Zimmer ist deutlich gestiegen und durch den höheren Umsatz im Restaurant und in der Logis freuen wir uns über deutliche Zuwächse im TRevPAR. Weiterhin sparen wir durch die Digitalisierung von Prozessen sehr viel Zeit und somit auch Geld: Allein durch die Anschaffung einer digitalen Zeiterfassung und die eines Korrespondenzmanagers konnten wir die Kosten eklatant senken und die Zufriedenheit bei Gästen und Mitarbeitern steigen.
Wie blickt der Zahlenmensch in Ihnen auf den wohl bald auf zwölf Euro steigenden Mindestlohn?
Ich finde diese Entwicklung richtig und hier in der Neumühle zahlen wir bereits über zwölf Euro Stundenlohn. Ich bin davon überzeugt, dass Dienstleistung in Zukunft noch sehr viel teurer werden und die Hotellerie sich fundamental verändern wird. Unsere Dienstleistung inklusive Gastfreundschaft wurde und wird von zu vielen Menschen als selbstverständlich gesehen. In der Zukunft kann der Gast wählen, ob er eine günstige Übernachtung möchte oder Luxus. Und mit Luxus meine ich keine goldenen Wasserhähne, sondern Personal, das sich mit echter Leidenschaft um seine Gäste kümmert
Es wird also teurer. Löst das dann auch denMitarbeitermangel in der Branche?
„Nur mit Zimmern verdient man Geld“, heißt es oft. Möglich, doch ich glaube, künftig verdient man nur mit Emotionen. Daher sind gute Mitarbeiter unabkömmlich und müssen entsprechend entlohnt werden. Beides möchte und tue ich: In der Neumühle verdienen 90 Prozent der Mitarbeitenden übertariflich. Ich habe den Anspruch, eine gute Dienstleistung zu erbringen, daher habe ich auch die Bereitschaft hohe Gehälter zu zahlen. Nur so kann das Gut „Dienstleistung und Gastfreundschaft“ in seiner Wertigkeit zu anderen Branchen aufschließen.
Herz und Verstand gehen also Hand in Hand?
Es gibt ein kluges Zitat von Steve Jobs: „Es macht keinen Sinn, kluge Köpfe einzustellen und ihnen dann zu sagen, was sie zu tun haben. Wir stellen kluge Köpfe ein, damit sie uns sagen, was wir tun können.“ Ich habe das Gefühl, dass dieses Mindset noch auf dem Weg zu vielen Entscheidungsträgern ist. Bei uns hat jeder Mitarbeiter eine Stimme, die gehört und verstanden wird. Und jede Idee, die wir umsetzen, honorieren wir. Meine Abteilungsleiter leiten ihre Abteilungen fast autonom, ich schaffe nur die Rahmenbedingungen. Tatsächlich scheint mir die monetäre Herausforderung die kleinere zu sein. Viel wichtiger ist, dass wir anfangen unseren Mitarbeitenden zu vertrauen und ihnen die Möglichkeit geben, im Job auch etwas bewegen zu können. Und sie wertzuschätzen für das was sie sind: nämlich keine Human Ressource, sondern leidenschaftliche Gastgeber mit großen Herzen und vielen guten Ideen.
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