Ist der Gastronom für die Korrektheit der Daten in den Gästelisten verantwortlich und haftbar?
Zunächst einmal ergibt sich für den Gastronomen aus den Coronaschutzverordnungen (CoronaSchVO) die Verpflichtung, die Daten der Gäste zu erheben. Jedes Bundesland hat eine eigene CoronaSchVO, die ganz unterschiedlich ausgestaltet sein kann. Schleswig-Holstein etwa verlangt nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 der Landesverordnung zur Bekämpfung des Coronavirus (in der ab 20. Juli 2020 geltenden Fassung), dass der Betreiber einer Gaststätte die Kontaktdaten der Gäste erheben. Was das ist, steht in § 4 Abs. 2: Dazu gehören Erhebungsdatum und -uhrzeit, Vor- und Nachname, Anschrift, sowie, soweit vorhanden, Telefonnummer oder E-Mail-Adresse. Das erstaunt vor dem Hintergrund, dass der Grundsatz der Datenminimierung in der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ausdrücklich festgeschrieben ist, nämlich in Art. 5 Abs. 1 c) DSGVO.
Allerdings kann und soll an dieser Stelle nicht darauf eingegangen werden, ob die Coronaschutzverordnungen der Länder als solche rechtswidrig sind oder nicht. Das wäre gegebenenfalls vor dem zuständigen Verwaltungsgericht zu klären für den Fall, dass ein Gastronom in Anspruch genommen wird und sich etwa einem Bußgeld ausgesetzt sieht.
Der Gastwirt darf Gäste, die die Erhebung ihrer Kontaktdaten verweigern, nicht bedienen. Auch das ist in den Verordnungen geregelt.
Wie müssen Gastronomen die Daten erheben?
Dass die Daten schriftlich erhoben werden müssen, ist klar. Inzwischen gibt es allerdings auch Unternehmen, die eine digitale Lösung anbieten. Wenn die datenschutzgerecht arbeiten, dürfte das zulässig sein. Ansonsten müssen Gastronomen die Vorschriften der DSGVO beachten. Dazu gehört grundsätzlich, dass der Gast alle nach Art. 13 DSGVO erforderlichen Informationen erhält. In der Vorschrift ist geregelt, dass der verantwortliche Gastwirt dem betroffenen Gast seine Kontaktdaten angeben muss, er muss den Zweck, für den die Daten verarbeitet werden und die Rechtsgrundlagen nennen, er muss den Gast darüber informieren, wer die Daten enthält, die Dauer der Speicherung ist anzugeben und dann ist der Gast auch noch über die sogenannten Betroffenenrechte zu informieren. Die CoronaSchutzV von Hessen erklärt die entsprechenden Vorschriften der DSGVO zwar für nicht anwendbar. Das ist allerdings rechtswidrig, weil ein Landesgesetzgeber keine EU-Verordnung außer Kraft setzen kann. Das auf ein kleines Stück Papier zu packen ist schwer. Die Formblätter des DEHOGA, die ich in verschiedenen Bundesländern in Gaststätten gesehen habe, genügen diesen Ansprüchen. Keinesfalls erlaubt sind Listen, auf denen zahlreiche Gäste von verschiedenen Tischen ihre Daten angeben, sodass die späteren Gäste diese auch lesen können. Zuletzt habe ich einen Zettel gesehen, der überhaupt keine Angaben enthielt; ich sollte lediglich meine Daten angeben. Auch das ist unzulässig.
Welche Konsequenzen hat es für den Gastronomen, wenn die Liste falsche Daten enthält?
Die Daten der Gäste müssen „wahrheitsgemäß“ sein. Die Verpflichtung zur Angabe richtiger Daten betrifft zwar die Gäste und nicht den Gastwirt – eine Blick-Kontrolle wird dem Gastwirt aber wohl abzuverlangen sein, um jedenfalls jene Gäste auszuschließen, die sich mit offensichtlich falschen Angaben ihrer Verantwortung entziehen wollen. Verstöße können etwa in Niedersachsen mit bis zu 25.000 Euro geahndet werden. Ein solches Bußgeld kann nur denjenigen Gastronomen treffen, der sich erkennbar nicht um die ständig falschen Angaben seiner Gäste schert oder auf die Erhebung gleich ganz verzichtet. Geringere Verstöße können aber ebenfalls geahndet werden. Bußgeldbewehrt ist es auch, wenn die Listen für Dritte einsehbar sind. Das gilt auch, wenn diese Dritten andere Gäste sind!
Ein Fehlverhalten die Informationspflichten betreffend – siehe letzte Frage – kann theoretisch nach den Vorschriften der DSGVO mit einem Bußgeld belegt werden. Eine laxe Herangehensweise kann hier gewiss nicht empfohlen werden; ich persönlich hoffe allerdings inständig darauf, dass die Behörden hier die Mehrfachbelastung von Gastronomie und Hotellerie durch Corona angemessen zu würdigen wissen.
Wann dürfen Gastronomen die Vorlage des Ausweises von ihren Gästen verlangen?
Gastronomen dürfen die Vorlage des Ausweises von ihren Gästen nicht verlangen. Die Angaben der Gäste müssen wahrheitsgemäß sein; wenn der Gastwirt nach einer Blickkontrolle den Eindruck hat, dass diese falsch sind, kann er den Gast auffordern, die Daten zu korrigieren. Kommt der Gast dieser Bitte nicht nach, darf der Gastwirt den Gast nicht bedienen.
Wann dürfen/müssen Gastronomen die Gästelisten an die Polizei herausgeben (Unterschied wegen Bundesrecht und Landesrecht)?
Die Gastronomen dürfen die Gästelisten gar nicht an die Polizei herausgeben. Die CoronaSchVO sehen die Verwendung ausschließlich zum Zwecke der Verfolgung von Infektionsketten vor. Allerdings müssen Gastronomen die Listen dann herausgeben, wenn diese von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt werden (§§ 94, 103 der Strafprozessordnung). Beschlagnahmen sind nicht nur bei Verdächtigen möglich, sondern auch bei Zeugen oder sonstigen Dritten, die für ein Strafverfahren relevante Informationen haben könnten. Und dazu gehören auch die Listen mit den Gästen, die möglicherweise Zeugen einer Straftat geworden sind. Eine solche Beschlagnahmeanordnung muss richterlich unterschrieben sein. Der Gastwirt sollte sie sich vorlegen lassen.
Wann dürfen/müssen Gastronomen die Gästelisten an die Gesundheitsbehörden herausgeben?
Wenn eine Gesundheitsbehörde unter Hinweis auf einen festgestellten Infektionsfall die Gästelisten herausverlangt, müssen diese an die Behörden herausgegeben werden. Soweit möglich muss die Behörde allerdings eingrenzen, ab welchem Datum und ab welcher Uhrzeit die Daten verlangt werden. War der Infizierte um 12:00 Uhr erschienen und hat um 14:00 Uhr das Restaurant verlassen, so darf der Gastwirt diejenigen Gästedaten weitergeben, die etwa von 10:00 bis 16:00 im Restaurant auf erhältlich waren. Er darf nicht einfach alle noch vorrätigen Listen herausgeben.
Wann und wie müssen die Daten vernichtet werden?
Die Daten müssen nach Ablauf der in den einzelnen Coronaschutzverordnungen geregelten Aufbewahrungsfrist vernichtet werden. Nach § 4 Abs. 2 CoronaSchVO-SH sind das 4 Wochen, bisher 6, nach § 1 Abs. 13 der CoronaSchVO-Nds. (Fasung vom 22. Mai 2020) sind es nur 3. Diese Vernichtung darf auf keinen Fall in der Entsorgung im Mülleimer bzw. im Altpapier bestehen! Erforderlich ist eine vollständige physikalische Vernichtung durch Schreddern (oder auch Verbrennen).
Autor: Dr. Daniel Kötz ist Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht und für gewerblichen Rechtsschutz, außerdem zertifizierter Datenschutzbeauftragter. Er ist Partner der Düsseldorfer Kanzlei Kötz Fusbahn (https://koetzfusbahn.de/) und berät dort u.a. die Hotellerie in wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzungen und im Datenschutz. Er tritt für einen Datenschutz ein, der auch gelebt werden kann.