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Miete und Corona: Wann und wie ist Minderung der Gewerbemiete möglich?

Die Gewerbemiete ist stark von den Standortfaktoren abhängig. Jetzt haben Gerichte dazu geurteilt. Kann das Mietobjekt corona-bedingt aufgrund staatlicher Anordnungen nicht oder nur eingeschränkt genutzt werden, liegt ein Mangel der Mietsache vor oder es liegt ein sog. Wegfall der Geschäftsgrundlage vor. Der Mieter dürfe daher die Miete mindern. Oliver Rosbach, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, erläutert die Hintergründe der Entscheidungen und gibt Tipps für zum Vorgehen bei der Minderung.
Oliver Rosbach
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Zum 4. November 2020 ist in diesem Jahr ein zweites Mal die Öffnung von Gastronomiebetrieben mit Ausnahme von Betriebskantinen und der Abgabe und Lieferung von mitnahmefähigen Speisen und Getränken untersagt worden. Gleiches gilt für Übernachtungsangebote zu touristischen Zwecken. Am 25. November wurde beschlossen, dass der Lockdown light vorerst bis zum 20. Dezember verlängert wird.

Gastronomie ist Standortfaktor

Das Hotel- und Gaststättengewerbe ist damit neben anderen kulturellen Angeboten besonders stark von den Maßnahmen des Bundes und der Länder betroffen. Bricht der laufende Umsatz, besonders das nun eingeplante Weihnachtsgeschäft, weg, zeichnet sich ein Niedergang der Branche ab.

Ohne geeignete Mittel wie staatliche Förderungen, Versicherungen oder innovative Ideen wird es zu einer Verödung der Innenstädte und des gesellschaftlichen Lebens kommen. Das Hotel- und Gaststättengewerbe stellt ohne Zweifel besonders in den Städten einen Standortfaktor dar, der ausschlaggebend für die Bewertung der Attraktivität verantwortlich ist. Doch gerade die Gewerbemiete ist stark von den Standortfaktoren abhängig. Da liegt es nahe, die Belastungen nicht nur auf den Schultern der Gastronomen zu verteilen, sondern auch die Vermieter in die Pflicht zu nehmen.

Urteile im Frühjahr: Öffentlich-rechtliche Beschränkungen kein Mangel der Mietsache

Bereits nach den ersten Kontaktbeschränkungen im März 2020 aufgrund der Corona-Pandemie stellten etliche große Einzelhändler die Zahlung der Ladenmiete auf den Prüfstand. Die Frage war, wer den Schaden trug, wenn durch eine öffentlich-rechtliche Maßnahme wie dem „Lockdown“ Verkaufsstätten, Restaurants, allgemein Gewerbeflächen mit Publikumsverkehr geschlossen werden mussten. Die öffentlich-rechtlichen Regelungen richteten sich weder gegen Mieter noch Vermieter, sondern verboten im Rahmen von Hygienemaßnahmen schlicht die Ansammlung von vielen Menschen, um das Infektionsrisiko niedrig zu halten. Sie waren aufgrund der Pandemie erlassen worden und dienten der Aufgabe der öffentlichen Hand, die Bevölkerung zu schützen. Aus diesem Grund waren die Maßnahmen während der ersten Kontaktbeschränkungen gerichtlich nicht erfolgreich angegriffen worden.

Besonders Adidas sorgte mit seiner medienwirksam platzierten Weigerung, die Ladenmiete bei behördlicher Schließung zu entrichten, für Empörung in der Öffentlichkeit. Es wurde als unangemessen empfunden, dass Adidas wegen der Zwangsschließung der Verkaufsläden mit den Vermietern in Verhandlungen über eine Minderung des Mietzinses ging.

Entsprechend fielen auch die ersten Urteile vor den Landgerichten aus: Das Landgericht Zweibrücken und das Landgericht Frankfurt/Main lehnten eine Minderung der Miete im Einzelhandel ab. Es läge weder ein Mangel der Mietsache, noch ein Fall der Unmöglichkeit vor. Die Frage konzentriert sich darauf, ob öffentlich-rechtliche Beschränkungen, die ihre Ursache nicht in der konkreten vermieteten Sache haben, einen Mangel darstellen oder nicht. Die Urteile der beiden Gerichte lehnten einen Mangel und auch den Wegfall der Geschäftsgrundlage ab und führten dazu, dass der Mieter von Gewerbeflächen die zeitweise Schließung allein tragen mussten.

LG München: Mangel der Mietsache

Hoffnung für die Gastronomie bietet jetzt eine Entscheidung des Landgerichts München I: Kann das Mietobjekt corona-bedingt aufgrund staatlicher Anordnungen nicht oder nur eingeschränkt genutzt werden, liegt ein Mangel der Mietsache vor.

Im Gegensatz zu den bisherigen Urteilen sieht das Urteil des LG München I die öffentlich-rechtlichen Maßnahmen nicht einseitig in der Risikosphäre des Mieters. Der Mieter dürfe daher die Miete mindern. Soweit die Verkaufsflächen aufgrund der Maßnahmen nur beschränkt zugänglich sind, wäre die Miete entsprechend quotal herabzusetzen. Es wäre außerdem eine Störung der Geschäftsgrundlage gegeben, da die Parteien die Folgen einer eintretenden Corona-Pandemie und Infektionsschutzmaßnahmen durch den Staat offenkundig nicht bedacht haben und so den Vertrag kaum geschlossen hätten. Das Urteil entspricht in großen Teilen der mietrechtlichen Systematik, wonach Mängel der Mietsache in der Regel zunächst in der Risikosphäre des Vermieters liegen. Ob die Entscheidung des LG München I einen Richtungswechsel einleitet, wird sich in den kommenden Entscheidungen zeigen und hängt stark von den Bedingungen im Einzelfall ab.

Teil 2

LG Mönchengladbach: Wegfall der Geschäftsgrundlage

Das Landgericht Mönchengladbach hat sich aktuell mit der Frage der Schließung eines Gewerbebetriebs mit Publikumsverkehr aufgrund der ersten Beschränkungen der Öffnung von Einzelhandelsgeschäften auseinandergesetzt. Ein Mangel der Mietsache liegt nach Ansicht des Gerichts nicht (!) vor, aber ein sogenannter Wegfall der Geschäftsgrundlage.

Das hatte auch das Urteil des LG München, siehe oben, so gesehen: Die Einschränkung des Geschäftsbetriebs stellt eine schwerwiegende Störung des Vertragszwecks dar. „Da das Risiko für die Betriebsuntersagung in gleichem Maß außerhalb des Risikobereichs von Mieter und Vermieter lag, ist eine Anpassung auf die Hälfte des Mietzinses angemessen.“ Die Hälfte, so das salomonische Urteil des Landgerichts. Für eine Vertragsanpassung aufgrund Wegfall der Geschäftsgrundlage und die Minderung gelten also ähnliche Überlegungen: Wie stark ist aufgrund der Beschränkungen der Gebrauchswert der Miet- oder Pachtsache im Einzelfall eingeschränkt?

Einschränkungen des Minderungsrechts im Vertrag?

Zunächst ist es im Gewerbemietrecht erforderlich, den Vertrag genau anzusehen. Häufig finden sich Einschränkungen des Minderungsrechts, wonach dieses ausgeschlossen ist, solange die Forderung nicht unbestritten oder rechtskräftig festgestellt ist. Das sollte genau geprüft werden. Andernfalls riskiert der Mieter die Kündigung.

Minderung – Mieter und Vermieter sollten sofort reagieren

Hat die Mietsache einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder beeinträchtigt, so ist der Mieter für die Zeit, in der der Mangel besteht, von der Entrichtung der Miete oder eines angemessenen Teils befreit. Die Minderung ist demnach eine gesetzliche Folge des Mangels. Die Berechtigung zur Minderung entsteht mit dem Zeitpunkt, in dem der Vermieter Kenntnis von dem Mangel erlangt. Der Zeitraum, in dem eine Berechtigung zur Minderung der Miete besteht, endet mit Beseitigung des Mangels. Also lautet der  Tipp für den Mieter: Jeden Mangel sofort schriftlich anzeigen. Und spiegelbildlich der Tipp für den Vermieter: Jeden angezeigten Mangel sofort prüfen. Nur so lässt sich feststellen, ob der Mangel vorliegt, wie schwer dieser wiegt und worauf er beruht.

Was ist ein Mangel?

Ein Mangel ist die Abweichung der tatsächlichen Beschaffenheit der Wohnung von der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit. Dazu können nicht nur baulich bedingte Mängel (Schimmelbildung, Wasserschaden), sondern auch Beeinträchtigungen anderer Art (Lärm, Staub, Ungeziefer) gehören.

Die Minderung der Miete berechnet sich grundsätzlich nach der insgesamt gezahlten Miete (Bruttomiete), also inklusive der Betriebskosten. Das bedeutet, dass auch am Ende der Abrechnungsperiode, in die die Zeit der Beeinträchtigung der Mietsache fällt, die Minderung noch einmal anhand der danach vorliegenden Betriebskostenabrechnung berechnet werden sollte.

Welche Höhe der Minderung ist gerechtfertigt?

Die Höhe der Mietminderung richtet sich grundsätzlich nach dem Umfang der Beeinträchtigung des Vertragszwecks. Das ist meist streitig. Im Zweifel bleibt dies der Einschätzung des erkennenden Gerichts überlassen. Auch im Fall von Betriebsschließungen aufgrund der Corona-Pandemie ist der Fall nicht zwingend eindeutig: nicht immer ist der vertragsgemäße Gebrauch nur mit Publikumsverkehr möglich. Der Mieter kann dabei sein Recht zur Minderung der Miete verwirken, wenn er trotz des Vorliegens eines Mangels über längere Zeit hinweg die Miete anstandslos und ohne Vorbehalt zahlt. Die Beurteilung kann im Einzelfall schwierige Entscheidungen nach sich ziehen, insbesondere, wenn wie derzeit eine unklare Rechtslage besteht.

Welche Konsequenzen hat „Wegfall der Geschäftsgrundlage“?

Wie zuvor berichtet, setzt das Landgericht Mönchengladbach im Fall der Schließung des Gewerbebetriebs auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage. Der Vorteil für das Gericht besteht darin, die Frage der Zurechnung der Risikosphäre zu umgehen und die Beeinträchtigung wie ein Naturereignis auf die Vertragsparteien zu verteilen. Doch auch hier wird abzuwägen sein, wie stark die Einschränkung des Vertragszwecks den jeweiligen Vertragspartner trifft.

Aufgrund der schwierigen rechtlichen Fragen, die sich stellen, wird es ratsam sein, zunächst unter den Parteien eine außergerichtliche Einigung zu versuchen. Doch auch hierzu sollten sich die Parteien beraten lassen. Erst wenn dies nicht gelingt, sollte man an ein gerichtliches Verfahren denken. In der Rechtsprechung zeichnet sich jedenfalls ein Wandel von der einseitigen Belastung der Gewerbemieter hin zu einer Verteilung des Risikos auf alle Vertragsparteien ab.

Autoreninfo:
Oliver Rosbach, Mag. Art.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht aus Nürnberg

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