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Was die europäische Zahlungsstrategie für Reiseveranstalter und Hotels bedeutet

Steckt die Digitalisierung in vielen Bereichen auch noch fest – im Zahlungsverkehr ist sie im vollen Gange. Jahr für Jahr schwindet die Bedeutung von Bargeld am Kassentresen. Corona hat dem Trend zum kontaktlosen Bezahlen einen kräftigen Schub gegeben. Und der Onlinehandel, der vollständig auf elektronische Zahlungsprozesse angewiesen ist, nimmt stetig zu. Wie also sieht das digitale Bezahlen der Zukunft aus – gerade auch im Hinblick auf das Gastgewerbe?
Wasan Tita | iStockphoto

Für das Bezahlen gilt zunächst einmal: Sicher muss es sein. Aber auch komfortabel! Wer es schafft, den lästigen Zahlvorgang auf wenige Klicks zu reduzieren, dem öffnen die Verbraucher den virtuellen Geldbeutel. Viele Prozesse laufen dabei über Karten. Kreditkarten gibt es seit Jahrzehnten, Debitkarten wie die girocard finden sich in jeder Geldbörse. Auch eWallets wie Apple Pay oder Google Pay sind derzeit noch nichts anderes als eine schicke und praktische elektronische Umverpackung für die darin hinterlegten Karten.

Kreditkarten können mehr

Der Grund für die Kartendominanz in der westlichen Welt sind die zahlreichen Funktionen, die die Kartenunternehmen über die Jahre entwickelt haben. Die Karte als „Container“ für die IBAN, um eine sofortige Transaktion über das Konto anzustoßen, ist dabei noch die einfachste Lösung. Gerade Kreditkarten können viel mehr: Mit ihnen gelingt auch die Rückerstattung von Zahlungen und die zeitliche Entzerrung von Zahlungszusage und Zahlungsausführung. Auf dieser Funktion basiert das Hotelgeschäft: Bei der Buchung eines Aufenthalts dient die Karte als Nachweis der Solvenz und Authentizität eines Gastes. Beim Einchecken kann ein Betrag reserviert werden, beim Auschecken wird die Karte belastet und die Zahlung durchgeführt. Das bedeutet hohe Sicherheit für den Hotelier in jeder Phase der Dienstleistung, denn diese Prozesse wirken sofort, während Überweisungen meist einen oder mehrere Tage dauern können.

Die Echtzeitüberweisung beschleunigt den Zahlungsverkehr

Diesen Anachronismus wollte der Europäische Zahlungsverkehrsausschuss EPC durch die Einführung von SEPA Credit Transfer Instant (auch als SCT Inst, Instant Payments oder Echtzeitüberweisung bekannt) beseitigen. Seit 2017 ist der europaweite Banktransfer, der rund um die Uhr innerhalb von 10 Sekunden ausgeführt wird, schon möglich – doch auch aufgrund zu geringer Beteiligung ist das Verfahren auch 2021 noch nicht zur Normalität im Geldverkehr geworden. Daher hat sich Ende 2020 die EU-Kommission zur Strategie für den Zahlungsverkehr geäußert. Darin nimmt SCT Inst eine zentrale Rolle ein. Der direkte Transfer von Konto zu Konto soll der europäische Standard werden, idealerweise über Banking-Apps auf dem Smartphone. Dadurch soll eine Alternative geschaffen werden zur Kartenzahlung, die in der Regel über Systeme der amerikanischen Kartenriesen VISA und Mastercard läuft.

Request to Pay erweitert die Möglichkeiten

Doch in der bisherigen Ausprägung schränken Überweisungen ihre Nutzer zu sehr ein. Zahlungsempfänger müssen auf die Ausführung durch den Zahlungspflichtigen warten. Der Weg der Eingangsbestätigung über den Kontoauszug ist zu umständlich und stellt die Systeme in Hotellerie und Gastronomie vor ungelöste Herausforderungen. Lastschriftbasierte Zahlungen bergen das Risiko des Zahlungsausfalls. Die Lösung für diese Stolpersteine soll mit der neuen Funktion „Request to Pay“ (RTP) kommen.

RTP ist jedoch kein Geldtransfer, sondern eher ein Nachrichtenkanal. Auf diesem Kanal sendet der Zahlungsempfänger eine Nachricht an die Banking-App seines Kunden, dass der Betrag X zu bezahlen ist. Das kann eine einfache Nachricht mit wenigen Pflichtangaben sein, aber auch die komplette Rechnung aus einem eBilling-Prozess.

Fünffache Auswahl

Der Kunde hat nun fünf Möglichkeiten. Er kann die Zahlung generell ablehnen, er kann sie jetzt akzeptieren oder später akzeptieren, und er kann sie jetzt terminieren oder später terminieren. Seine Entscheidung wird umgehend zurückgemeldet. Mit der Nachricht verknüpft ist eine Zahlungsanweisung, zum Beispiel SCT Inst, die je nach Entscheidung des Kunden automatisch ausgeführt wird. Entscheidet er sich für „Jetzt akzeptieren“, wird das Geld umgehend freigegeben und trifft wenige Sekunden später ein.

Mit diesem Instrument erweitern sich die Funktionen der Überweisung erheblich. Insbesondere der Entscheidungsweg „Jetzt terminieren“ hat das Potenzial, die Reservierungsfunktionen der Kartenzahlung zu ersetzen. Im konkreten Fall würde der Gast beim Check-In eine RTP-Nachricht erhalten, die im Buchungssystem bereits vorkonfiguriert wurde und eine Zahlungsauslösung für den Tag der Abreise enthält. Wenn der Gast sie akzeptiert, wird die Zahlung an diesem Tag zur vorgegebenen Zeit automatisiert ausgelöst. Falls sich beim Check-Out zum Beispiel durch Belege von der Hotelbar ein anderer Betrag ergibt, kann eine zusätzliche oder alternative RTP-Nachricht die Korrektur vornehmen.

Fit für den digitalen Euro

Ab Juni 2021 soll Request to Pay den europäischen Zahlungsverkehr bereichern. Doch die echte Markteinführung wird noch etwas länger auf sich warten lassen. Derzeit müssen noch Fragen wie die Zahlungsgarantie oder die Ausgestaltung von Reservierungen auf Konten beantwortet werden, die essenziell sind für eine Funktionalität, welche den Leistungen der Karte ebenbürtig ist. Dieser Prozess läuft noch, doch es lohnt sich, ein Auge darauf zu haben. Denn überweisungsbasierte Zahlungen bedeuten nicht nur den Abschied von Kartengebühren, sondern ebnen zugleich den Weg zum E-Euro, der digitalen Währung, die die EZB in jüngsten Erklärungen in Aussicht gestellt hat.

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