Auch das Gastgewerbe kann von der rasanten Entwicklung der Digitalisierung enorm profitieren. Nach einer Studie, die das Institut Economix im Auftrag des Ministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) Mitte 2016 erstellt hat, führt die Digitalisierung bis zum Jahr 2030 vor allem dazu, dass sich der Arbeitsmarkt radikal verändern wird, hin zu immer mehr IT-basierten Berufen. Im Gastgewerbe ist nach dieser Prognose ein Abbau von 244 000 Stellen zu erwarten. Dennoch bleibt der Personalmangel das Hauptproblem der Branche. Mithilfe der Digitalisierung lässt sich diesem Trend aber besser begegnen, hilft sie doch, einige personalintensive Bereiche im Gastgewerbe neu zu organisieren.
Technik kann Personal entlasten
Überall dort, wo Personal mit den Gästen interagiert, ist Digitalisierung sicherlich nur schwer vorstellbar. Einen Hauptanteil an Einsparpotenzialen bietet die Digitalisierung im Bereich der Beschaffung. Dort lässt sich durch digitale Prozesse die tägliche Arbeit enorm erleichtern. Andere Industrien wie Automobilzulieferer oder die Baubranche sind auf diesem Gebiet dem Gastgewerbe weit voraus. Sie erreichen durch den Einsatz digitaler Bestellsysteme schon seit vielen Jahren eine deutliche Effizienzsteigerung.
Möglich wird dies durch die intelligente Vernetzung von Bestellsystemen mit den Lieferanten, die betriebsübergreifende Bündelung von Einkaufsvolumina oder auch durch einen ganzheitlichen Ansatz von E-Procurement bis hin zu Procure-to-Pay: Das heißt, der Bündelung aller Aktivitäten im Beschaffungsprozess – von der Warenbeschaffung über den Wareneingang bis zu Erhalt und Zahlung von Lieferantenrechnungen. Im Sinne des Benchmarkings können diese digitalen Prozesse für die Hotelbranche als Vorbild dienen.
Die Erfahrung in diesen Branchen hat gezeigt, dass die Grundvoraussetzung für ein funktionierendes Beschaffungssystem die enge Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit den Zulieferern ist. Beschaffungsprozesse, Vorlaufzeiten und Mindestbestellmengen auf Lieferantenseite, Mindestlagermengen, Produktionsabläufe und aktuelle Anforderungen auf Kundenseite – alles muss im ständigen Austausch stehen.
Zweite Grundvoraussetzung ist eine klare Preisstruktur. Bis heute ist die Beschaffungsstruktur im Gastgewerbe vor allem durch Intransparenz und undurchsichtige Rückvergütungsvereinbarungen geprägt. Hier muss ein radikales Umdenken auf beiden Seiten stattfinden. Es muss ausgeschlossen werden, was heute noch gang und gäbe ist: Dass ähnlich aufgestellte Hotels und Gastronomiebetriebe teilweise sehr unterschiedliche Einkaufskonditionen bei ein und demselben Großhändler haben. Nicht umsonst haben die Inhaber und speziell Einkäufer chronisch das Gefühl, sie würden zu viel für den Einkauf zahlen.
Es bedarf eines einheitlichen Bestellsystems, übersichtlich und einfach zu bedienen – eines modernen Bestellsystems, über das man bei allen Lieferanten bestellen kann. Und das am besten gleichzeitig. Weiter bedarf es einheitlicher Schnittstellen zu Lieferanten und vor allem der Integration eines Warenwirtschaftssystems. Denn nur durch die exakte Erfassung der Lagerbestände und deren Verbrauch kann ein ganzheitliches E-Procurement-System funktionieren.
Darüber hinaus muss es besonders flexibel sein, denn das Gastgewerbe ist nicht nur saisonal ein besonderer Wirtschaftszweig. Und schließlich sollen durch die Anbindung an Kassensysteme, mit der die Verbräuche automatisch erfasst und nachverfolgt werden können, Inventuren zum Kinderspiel werden.
Nach einer Studie der Hochschule Heilbronn kostet eine analog durchgeführte Bestellung aufgrund von Such- und Kommunikationskosten bis zu 74 Euro. Im Durchschnitt liegt der Aufwand bei rund 39 Euro pro Bestellung. Durch den Einsatz einer systematisierten E-Procurement-Software können die Kosten auf 28 Euro pro Bestellung reduziert werden, was eine Reduktion um 25 Prozent bedeutet. Verhindert werde der Weg dorthin lediglich durch die emotionale Haltung der Einkaufsverantwortlichen und mangelndes Vertrauen gegenüber den technologischen Möglichkeiten, so die Studie weiter. Dieses psychologische Moment lässt sich mithilfe eines externen Partners auflösen.
Um die Beschaffung nachhaltig effizient zu gestalten, sind vor allem permanentes Controlling und regelmäßige Verhandlungen mit den Lieferanten notwendig. In regelmäßigen Abständen kann eine externe Einkaufsgesellschaft dies übernehmen und als neutrales „Bindeglied“ zwischen Hotel und Lieferant die Beschaffung koordinieren. Der Lieferant verhandelt zentral mit dem Dienstleister und erreicht durch standardisierte Bestellwege Kostenersparnisse, mit denen er unter anderem die Dienstleistung des externen Partners finanzieren kann. Der Hotelier oder Gastronom hat damit, ähnlich wie in anderen Branchen, keinen zusätzlichen Kostenaufwand. Er kann sich voll und ganz auf seine Kernkompetenz konzentrieren. Und sind einmal die Voraussetzungen und die Strukturen geschaffen, gehört „Controlling by Bauchgefühl“ der Vergangenheit an.
Über den Autor
Artin Martinian ist Geschäftsführer der PPM GmbH. Als Handelsunternehmen 1996 gegründet, hat PPM Anfang 2016 ein neues Produkt entwickelt, das PPM-System, eine Beschaffungsplattform für mittelständische Hotels und Gastronomiebetriebe.