Herr Hanssmann, der Coronavirus erschüttert das Hotel und Gaststättengewerbe. Große Teile unserer Mitglieder mussten über viele Wochen zwangsschließen. Die HDI Versicherung hat bereits Ende März erklärt, dass der Coronavirus in der Betriebsschließungsversicherung (BSV) mit abgedeckt ist. Andere Versicherer teilen uns mit, dass der Coronavirus nicht in der BSV abgedeckt ist. Können Sie uns das erklären?
Wolfgang Hanssmann: Die aktuelle Krise ist für uns alle, aber besonders für die gesamte Gastronomie und die Tourismusbranche eine extrem große Belastung. Zum Versicherungsschutz über die BSV kann ich hier aber nur für die HDI Versicherung sprechen und nicht für den gesamten Versicherungsmarkt. Für uns als HDI stand immer fest, dass wir uns im Zweifelsfall für das Wohl unserer Kunden entscheiden. Die Grundidee bei der BSV ist, Betrieben die mit Lebensmitteln zu tun haben oder dem Heilwesen angehören, eine Möglichkeit zu bieten, sich gegen Risiken aus einer Schließung aufgrund des Infektionsgesetz abzusichern. Hierbei ist man bisher immer von lokal begrenzten Schadenereignissen wie Salmonellen oder Legionellen und von behördlichen Einzelverfügungen ausgegangen. Niemand hat damit gerechnet, dass es zu einer flächendeckenden Schließung von tausenden Betrieben aufgrund von präventiven Allgemeinverfügungen kommen könnte. Als HDI Versicherung machen wir dies aber nicht zum Problem unserer Kunden.
Was bedeutet das genau?
Kunden, die bei der HDI Versicherung eine BSV mit Bezug auf das Infektionsschutzgesetz abgeschlossen haben, durften aufgrund unserer Bedingungen zu jeder Zeit darauf vertrauen, dass auch neuartige Krankheiten und Erreger von ihrem Versicherungsschutz erfasst sind. Der neuartige Coronavirus fällt hierunter, auch wenn dieser nicht separat aufgeführt wird. Dazu stehen wir jetzt natürlich auch. Betriebsschließungen aufgrund des Coronavirus sind somit in allen bestehenden BSV-Policen von HDI mitversichert. Ich bin überzeugt: Wenn man Kundenorientierung ernst meint, kann man gar nicht anders handeln.
Sie erwähnten gerade, dass die Grundidee einer Betriebsschließungsversicherung ist, Risiken aus einer Schließung für u.a. lebensmittelnahe Betriebe abzusichern. Für das Hotelgewerbe wurde jedoch keine entsprechende Schließungsanordnung ausgesprochen, sondern nur Einschränkungen auferlegt.
Das ist korrekt und aus diesem Grund haben wir uns zusätzlich sehr schnell der bayrischen Lösung angeschlossen. Ich weiß, dass die bayrische Lösung von vielen kritisch gesehen wird. Aber uns gibt die Lösung eine Möglichkeit auch Hotelbetreibern zu helfen. Denn Schließungsverordnungen, so wie sie für Restaurants, Gaststätten oder auch Bars galten, gab es für Hotels nicht. Hotels wurden dennoch massive Einschränkungen auferlegt. Sie durften zwar geöffnet bleiben, aber das Ausbleiben von Gästen führte teilweise zu erheblichen Umsatzeinbußen. Durch die fehlende behördliche Schließanordnung fehlt aber eine wesentliche Bedingung für den versicherten Schadenfall. Um Hotelbetreibern eine schnelle und wirtschaftlich sinnvolle Lösung zu bieten sind wir, zusätzlich sehr schnell der bayrischen Lösung beigetreten. Die Betriebsschließung des Restaurantanteils eines Hotels wird natürlich vollumfänglich nach unseren Bedingungen und nicht nach dem bayerischen Modell reguliert.
Viele Betriebe sind verunsichert, dass die staatlichen Unterstützungen nicht gezahlt werden, wenn es zu einer Zahlung aus der Betriebsschließungsversicherung kommt oder dass diese mit angerechnet werden. Wie stehen Sie dazu?
Die Verunsicherung kann ich nachvollziehen. Aus diesem Grund haben wir ein Gutachten erstellen lassen, welches für mehr Klarheit sorgen soll. Daraus geht eindeutig hervor, dass Zahlungen aus der BSV keinen Einfluss auf das Anrecht auf staatliche Unterstützungen, wie beispielsweise Soforthilfemaßnahmen oder Kurzarbeitergeld haben. Schließlich gilt auch hier ein Bereicherungsverbot.
Herr Hanssmann, Sie haben zum Wohle Ihrer Kunden entscheiden. Nun erhalten Ihre Kunden aber Änderungskündigungen. Wie passt das zusammen?
Die aktuelle Coronakrise hat einen Konstruktionsfehler in den Bedingungen der BSV sichtbar werden lassen. Denn ausgelegt und kalkuliert wurde die Betriebsschließungsversicherung für Einzelfälle. Dafür, wenn einzelne oder eine überschaubare Anzahl von Betrieben von Infektionen direkt betroffen sind und diese dann aufgrund behördlicher Anordnung vorübergehend schließen müssen. Auch wenn wir jetzt umfassend reguliert und Schadenzahlungen geleistet haben – Betriebsschließungen aufgrund von präventiven Allgemeinverfügungen entsprechen grundsätzlich nicht dem Grundgedanken und der Leistungsfähigkeit der BSV. Vor allem diesen Punkt haben jetzt in unseren neuen Bedingungen klargestellt.
Sind zukünftig Pandemien wie zum Beispiel Coronavirus, nicht über die BSV versicherbar?
Die betrieblichen Folgen einer Epidemie, auch einer Pandemie werden auch weiterhin über unsere BSV versicherbar sein. Wir werden auch zukünftig bei meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserregern verbunden mit einer behördlichen Einzelanordnung leisten. Das gilt auch, wenn ein Betrieb aufgrund einer Einzelanordnung geschlossen wird, um ein Übergreifen meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger aus einem fremden Betrieb zu verhindern. Die betriebswirtschaftlichen Folgen von Betriebsschließungen aufgrund einer Pandemie sind somit weiterhin privatwirtschaftlich versicherbar, nicht jedoch in Kombination mit flächendeckenden Allgemeinverfügungen.
Welche Veränderungen nehmen Sie noch bei den HDI Bedingungen für die BSV vor?
Zusätzlich, zu den bereits genannten Veränderung, wurde in den neuen Bedingungen der BSV eine vierwöchige Wartezeit aufgenommen. Wir hatten einige Kunden, welche erst wenige Tage vor dem offiziellen Shutdown eine BSV abgeschlossen haben. Darüber hat auch das ZDF Magazin frontal 21 berichtet. Diese Kunden entschädigen wir jetzt natürlich genau so, wie alle anderen Kunden auch. Durch die neue Wartezeit möchten wir den Betrieben aber einen Anreiz bieten, künftig rechtzeitig vorzusorgen. Weiterhin wurden einige Punkte genauer definiert, beispielsweise zur Anrechnung staatlicher Leistungen oder der Ausschluss von Mehrfachleistungen für einen Versicherungsfall innerhalb eines Jahres.
Herr Hanssmann, nach den Erfahrungen der letzten Monate, welche Zukunft sehen Sie für die BSV?
Die BSV bleibt auch in Zukunft für Betriebe aus dem lebensmittelnahen Bereich oder Betriebe rund ums Heilwesen existenziell. Meine jüngsten Erfahrungen zeigen auch, dass Kunden bei Ihrer Entscheidung viel stärker auf das das Verhalten eines Versicherers im Schadenfall achten. Denn wir sehen ja gerade alle wie wichtig das ist. Ich gehe auch davon aus, dass sich aufgrund des Coronavirus zukünftig auch andere Branchen für eine BSV interessieren werden. Hier werden wir bald erste Produkte sehen. Als Spezialist für Gewerbeversicherungen sehe ich HDI in diesem Bereich auch für die Zukunft gut aufgestellt.