„Das Fleisch war viel zu durchwachsen und völlig überwürzt, eine Frechheit mir so etwas zu servieren“, äußert ein Gast lautstark, nachdem er eine Kellnerin an seinen Tisch gerufen hat. Sie werde es dem Koch ausrichten, antwortet die Auszubildende zur Restaurantfachfrau. Als der Gast fragt, was er als Entschädigung für das schlechte Essen bekommt, erhält er die Antwort: „Tut mir leid, aber dafür bin ich nicht zuständig.“
Argumente wie „ich bin dafür nicht zuständig“ oder „Sie hatten das doch genauso bestellt“, dürfen in einem Reklamationsgespräch nicht fallen, findet Simone Stargardt, Fachfrau für Personalmanagement und Inhaberin der privaten Weiterbildungs-Akademie carriere & more Südwest. „Gerade in der Hotellerie und Gastronomie kann jede zur Zufriedenheit eines Gastes gelöste Beschwerde zur Kundenbindung beitragen“, betont die Trainerin. Das sogenannte Beschwerde-Paradoxon zeigt: Gäste, die sich beschwert und eine zufriedenstellende Reaktion erfahren haben, belohnen dies mit besonderer Treue und empfehlen ein Lokal oder ein Hotel häufiger weiter, als jemand, der diese Erfahrung nicht gemacht hat.
Formel für Beschwerdebehandlung
Wenn unzufriedene Gäste ihren Unmut äußern, empfiehlt Stargardt, die auch Auszubildende und Angestellte im Dienstleistungsbereich schult, die Gewinn-Formel zu nutzen. Jeder Buchstabe des Wortes GEWINN steht dabei für einen Schritt in der Beschwerdebehandlung:
G: Gehör schenken, aktiv und aufmerksam zuhören, reklamierende Gäste ausreden lassen und nicht unterbrechen
E: Einfühlungsvermögen zeigen und sich entschuldigen – auch, wenn der Beschwerdegrund nicht in der eigenen Verantwortung liegt
W: Wiederholen der Fakten um sicherzugehen, den Anlass der Beschwerde richtig verstanden zu haben.
I: Initiative ergreifen und nach Lösungen suchen. Dabei möglichst offene Fragen stellen wie „Wie könnten wir das Geschehene wieder gut machen, was schlagen Sie vor?“
N: Notizen machen, vor allem, wenn es im Nachgang des Gespräches etwas zu erledigen gibt oder Informationen weitergegeben werden müssen
N: Nachsorge, das heißt: Wenn die Reklamation gelöst ist, bei den Gästen noch einmal nachfragen, ob sie mit der Lösung zufrieden sind und alles in Ordnung ist
Im Zweifel für den Gast
Auch wenn sich nicht genau feststellen lässt, ob eine Reklamation berechtigt ist, sollte derjenige, der eine Beschwerde annimmt, dem Kunden entgegenkommen. „Ein unzufriedener Gast, der sich vor Ort beschwert, ist oft unangenehm. Einer der unzufrieden ist und sich nicht beschwert, jedoch viel schlimmer“, folgert Stargardt. Denn Studien belegen: Unzufriedene Kunden erzählen bis zu zehn Menschen in ihrem Umfeld von ihrem Ärger. „Im schlimmsten Fall kann ein Hotel oder Restaurant nicht nur den einen Gast, sondern viele weitere verlieren. Vor allem, wenn sich Reklamierende in Online-Bewertungen negativ äußern“, ergänzt die Trainerin. Deshalb gelte: Beschwerden klären, bevor sie zu eskalieren drohen. Laut Forsa-Umfragen beschweren sich 40 Prozent aller Deutschen nicht, weil sie keine Erfolgschancen sehen oder weil sie sich nicht trauen. Das zeigt umgekehrt, dass diejenigen, die sich beschweren, glauben dafür einen triftigen Grund zu haben.
Wütende Gäste beruhigen
„Kommentare in den sozialen Medien oder auf Bewertungsportalen lassen Respekt und Freundlichkeit manchmal vermissen“, weiß die Akademie-Inhaberin auch aus eigener Erfahrung. Einige Gäste können werden auch im direkten Gegenüber ausfällig. „Respektlosigkeiten und Beleidigungen muss sich niemand gefallen lassen. Das heißt allerdings nicht, dass man einem schreienden Kunden entgegenbrüllen kann“, betont Stargardt: Stattdessen gilt: freundlich bleiben, bestimmt handeln. Oft lassen sich aufgebrachte Gäste beruhigen, wenn sie höflich, ruhig und am besten namentlich gebeten werden, das Problem sachlich, der Reihe nach zu schildern.
Eine Entschädigung anbieten
Stellt sich heraus, dass ein Essen oder Zimmer, über das sich der Gast beschwert, tatsächlich nicht in Ordnung ist, muss ein Ausgleich angeboten werden. „Das kann ein Zimmer-Upgrade, ein Getränk oder ein Dessert auf Kosten des Hauses sein“, gibt Stargardt Beispiele. Wer sich unsicher ist, was er einem unzufriedenen Gast als Wiedergutmachung anbieten kann, sollte sich nicht scheuen zu fragen, was sich der Reklamierende als Entgegenkommen vorstellt. „Selbst, wenn eine überzogene Forderung kommen sollte, wie ein kostenloser Aufenthalt, lässt sich in einem folgenden Gespräch meist eine Lösung finden, die für beide Seiten zufriedenstellend ist“, weiß die Expertin.
Kleine Geste – große Wirkung
„Nicht jeder Gast, der sich beschwert, erwartet eine Kompensation. Manchen ist es viel wichtiger, dass ihr Anliegen ernst genommen wird“, so Stargardt. Ein unbedingt ehrlich gemeinstes: „Es tut mir sehr leid, dass Sie nicht zufrieden waren; ich verspreche Ihnen, ich werde Ihre Kritik mit allen Beteiligten prüfen“, zeigt dem Gegenüber, das sein Einwand nicht ins Leere läuft. Wenn dann – für den Gast unerwartet – noch eine kleine Wiedergutmachung erfolgt, beispielsweise in Form eines Getränkegutscheins, zeigen sich die Meisten freudig überrascht und quittieren die kleine Geste mit besonderer Treue und Weiterempfehlungen.