Nach fast zweimonatiger Schließung dürfen Restaurants und Cafés unter den Auflagen des jeweiligen Bundeslands ihre Gäste wieder willkommen heißen. Damit bahnt sich vorerst und schrittweise das Ende einer Zeit an, die selbst für die stresserprobten UnternehmerInnen dieser Branche Herausforderungen einer neuen Dimension bedeuteten. „Im Austausch mit vielen unserer Klienten zeigt sich nun, welche Veränderungen im eigenen Laden und vielleicht auch im eigenen Kopf dazu beigetragen haben, die Krise zu bewältigen, und die auch weiterhin von Vorteil sein können“, so Christian Bauer, Geschäftsführer von resmio. Er fasst die neun wichtigsten Learnings zusammen:
1. Social Media nicht länger freiwillig
Dass der Unternehmensauftritt auf Facebook, Instagram & Co. für die Kommunikation mit Gästen förderlich ist, war auch vor der Krise bekannt. Wie entscheidend der Aufbau einer eigenen Reichweite in den digitalen Medien aber sein kann, rückte erst jetzt in das Bewusstsein vieler Betriebe. Von der bloßen Sichtbarkeit bis hin zum Aufbau einer richtigen Community stehen die Chancen von Social Media heute stärker im Fokus denn je.
2. Mini-Budgets mit großer Wirkung
Dass auch zusätzliches Budget in die digitale Kommunikation fließen kann, um gezielt Sichtbarkeit zu schaffen, gehört ebenso zu den Maßnahmen, die viele Restaurants jetzt neu entdecken. „Schon für geringe, zweistellige Beträge können auf Facebook genau die Menschen im Umkreis des Betriebes erreicht werden, die eigentlich zur Laufkundschaft gezählt hätten“, so Bauer. Wichtige Infos zu veränderten Öffnungszeiten oder Angeboten erhalten so die nötige Aufmerksamkeit.
3. Rückhalt vom System
Ein Learning, das nicht alle Betriebe der Branche im gleichen Ausmaß erfahren haben – die Strukturen von Behörden und Ämtern stehen Betroffenen zur Seite. Von unbürokratischen Einmalzahlungen über die Stundung von Zahlungen bis hin zum Kurzarbeitergeld für Mitarbeiter: „Fehlte in anderen Ländern Europas jegliches Sicherheitsnetz, zeigte Deutschland flächendeckend ein Mindestmaß zeitnaher Hilfestellungen“, vergleicht der Experte.
4. Zusammenhalt der Branche
Einen viel wichtigeren Anlaufpunkt, um plötzliche Sorgen zu teilen, bildeten die AkteurInnen der Branche jedoch für sich selbst. Ob das vom Sternekoch Max Strohe gestartete Projekt „Kochen für Helden“, das Mahlzeiten für medizinisches Personal bereitstellte oder theisolatedchef, der auf Instagram Rezepte aus verschiedensten Restaurants Berlins teilt, entstanden in der Zeit des Shutdowns zahlreiche Initiativen und Kooperationen, die die UnternehmerInnen auch weiterhin vernetzen.
5. Mitarbeitende sind Helden
In einer Branche, in der unbefristete Arbeitsverträge, Mini-Jobs und studentische Aushilfen zur Tagesordnung gehören, schärfte die Krise den Blick vieler ArbeitergeberInnen auf das wichtigste Gut ihrer Betriebe: die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Für eine Vielzahl der Beschäftigten bedeutete der Stopp des Tagesgeschäfts die sofortige Arbeitslosigkeit. Dass auch und gerade sie eine besondere Form der Unterstützung und Absicherung brauchen, wurde sowohl in der Gesellschaft als auch unter den Gastronomiebetreibenden deutlich“, so Bauer.
6. Neue Vertriebswege
„Der Shutdown machte Restaurants mal eben zum Online-Shop – der Absatz über Liefer- und Abholservice blieb als Einziger bestehen“, beschreibt der Experte. „Das verlangte von den Betroffenen schnelles Handeln.“ Auch Restaurants, die das Außer-Haus-Geschäft bisher nicht bedienten, mussten die Strukturen, sei es mit der Kooperation größerer Liefer-Apps oder ohne, erlernen. „Ob die Restaurants diese Form des Vertriebs nach den jetzigen Neueröffnungen wieder beenden, bleibt zu beobachten.“
7. Bedeutung der Kommunen
Die erste Anlaufstelle für GastronomInnen, um Informationen über Hilfeangebote oder aktuell über die Auflagen zur Wiederinbetriebnahme der Gewerbe zu erlangen, sind die jeweiligen Kommunen. Dass diese insgesamt eine herausragende Bedeutung für die deutsche Gastronomie haben und dieser in ganz unterschiedlichem Ausmaß gerecht werden, wurde durch die Krise besonders deutlich. „Über die Verantwortung der Kommunen, auch für Corona-unabhängige Themen wie Gaststättensterben und Personalmangel, wird aktuell offener und kritischer diskutiert als zuvor – eine wichtige Entwicklung“, fasst Bauer zusammen.
8. Akzeptanz für das Unveränderbare
Die wichtigsten Learnings, die die Betreibenden aus der herausfordernden Zeit mitnehmen können, gehen jedoch über das Operative hinaus. „In der Natur eines Gastronomen oder einer Gastronomin liegt es, täglich hunderte Baustellen mit dem Ziel eines glücklichen Gasts zu koordinieren. Gibt es ein Problem, muss umgehend eine Lösung gefunden werden“, weiß Bauer. Bei den Problemen der letzten Wochen hingegen, waren den UnternehmerInnen die Hände gebunden. „Diesen Zustand zu akzeptieren und trotzdem zuversichtlich zu bleiben, war eine Aufgabe, an der viele Betreibende gewachsen sind“, weiß der Experte.
9. Sehnsucht auf beiden Seiten
Das wohl aber grundlegendste Learning, das sich sowohl bei den GastronomInnen als auch ihren Gästen im Zeitraum der letzten Wochen zeigte: Restaurants, Cafés, Kantinen, Kneipen – die Funktion, die von den Inhabern bis zum Tellerwäscher alle Beschäftigten der Branche für die Gesellschaft erfüllen, geht über das Essen und Trinken hinaus. „Es sind Orte der Begegnung, die nun, nachdem wir sie für wenige Wochen nicht aufsuchen konnten, auch wieder als so bedeutend wahrgenommen werden.“