Der akute Mitarbeitermangel entwickelt sich zu einer der größten Bedrohungen für gastronomische Betriebe, noch einmal deutlich verschärft durch die Corona-Pandemie. Monatelange Kontaktbeschränkungen haben die besondere Bedeutung von Freundschaften, Familie und sozialen Kontakten bewusst gemacht. Und Industrie und Einzelhandel locken mit vermeintlich familienfreundlicheren Arbeitszeiten. „Es geht schon lange nicht mehr ums Geld – es geht um Lebensqualität“, sagt Strandhaus-Inhaber und „Grillpapst“ Klaus Winter.
Gastgeberleidenschaft trifft Work-Life-Balance
Zusammen mit seiner Ehefrau Jasmin Schwabe-Winter, Restaurantfachfrau und Sommelière, hat Winter nun „die Bombe platzen lassen“: Das STRANDHAUS hat künftig am Wochenende geschlossen – und die Mitarbeiter damit jeden Samstag und Sonntag frei. Damit möchten die Winters wertvolle Fachkräfte aus anderen Branchen zurückholen und die Gastronomie für sie wieder attraktiv machen. Dabei kann sich das Ehepaar nicht über mangelnde Loyalität der Kolleginnen und Kollegen beschweren – ganz im Gegenteil. „Wir haben im Strandhaus ein erstklassiges Team, die Fluktuation ist minimal“, betont Jasmin Schwabe-Winter. Aber fällt doch einmal ein Mitarbeiter weg – beispielsweise aufgrund Umzugs oder Schwangerschaft – lässt sich die Stelle fast nicht mehr besetzen.
Monatelang keine Bewerbung – trotz 14 Monatsgehältern
Dabei ist das STRANDHAUS nicht nur bei seinen Gästen beliebt, sondern gilt auch in der Gastroszene am Bodensee als gute Adresse für Arbeitnehmer. „Wir haben versucht, eine einzige Stelle in unserem Küchenteam neu zu besetzen. Mit Stellenanzeigen, Rundfunkwerbung und Social-Media-Anzeigen“, sagt Winter. Und der Aussicht auf 14 Monatsgehälter, die völlig unüblich sind in der Branche. Das ernüchternde Ergebnis nach sechs Monaten: Keine einzige Bewerbung. Doch so wie ihm ergeht es in letzter Zeit fast allen Gastronomiebetrieben. Überall suchen Restaurants und Hotels händeringend nach qualifizierten Mitarbeitern.
Fachkräfte zurückholen aus Lebensmittelhandel und Industrie
Zahlreiche Fachkräfte haben, nicht zuletzt aufgrund monatelanger Unsicherheiten durch Lockdowns und Schließungen, die Branche gewechselt. Doch wer beispielsweise in einen Supermarkt gewechselt hat, sieht sich ebenfalls mit ungünstigen Arbeitszeiten konfrontiert: Viele Supermärkte sind bis 20 oder gar 22 Uhr geöffnet – und das auch am Samstag. Ganz ähnlich verhält es sich laut Winter in der Industrie: „Ein ausgebildeter Koch wird im Lager oder an der Maschine eines Industriebetriebs immer nur ein angelernter Hilfsarbeiter sein. Obwohl er eine qualifizierte Ausbildung absolviert hat und eine wertvolle Fachkraft ist.“ Jasmin Schwabe-Winter ergänzt, dass viele Köchinnen, Köche und Servicekräfte ihren Beruf ursprünglich aus echter Leidenschaft gelernt hätten, „denn auch wir können uns bis heute keinen schöneren Beruf als den des Gastgebers vorstellen“.
Positive Resonanz von Team und Gästen
Als die Winters vor Kurzem die frohe Botschaft im Team verkündeten, konnten es die meisten kaum glauben. „Bei allem, was wir jemals für unsere Kolleginnen und Kollegen verbessert haben, hat diese Nachricht regelrechte Begeisterung ausgelöst“, so Winter. Dass sie auch von ihren Gästen fast ausnahmslos positives Feedback bekommen haben, hat das Unternehmerpaar hingegen selbst überrascht: „Aber wir sind überzeugt davon, dass beide Seiten etwas davon haben. Denn bei glücklichen Mitarbeitern fühlen sich auch Gäste besonders wohl.“