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Gespenst oder Wirklichkeit: Personalmangel in der Gastrobranche aus Sicht von zwei Gastronomen

Während der Pandemie sind zahlreiche Arbeitskräfte in andere Branchen abgewandert und – so die Befürchtung - würden so schnell nicht wiederkommen. Doch war diese Sorge tatsächlich begründet? Christian Bauer, Branchenkenner und CEO der Managementlösung für Gastronom:innen resmio, beleuchtet zwei gegensätzliche Standpunkte und zeichnet eine Zukunftsperspektive für die Branche und ihre personellen Herausforderungen.
„Kleine Burg“, „dasfiaker“
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Personalmangel: Digital ist nicht immer die Lösung

Weniger als ein Viertel der Gaststätteninhaber:innen zählt laut einer resmio-Umfrage den Personalmangel zu einer der großen Herausforderungen dieser Wintersaison. Sinkende Gästezahlen und die steigenden Energiepreise wiegen für die Gastrobetreibenden schwerer. Wie verwoben der Personalmangel allerdings mit den Herausforderungen ist, weiß Stephen Willms vom Fine-Dining-Restaurant „Kleine Burg“ in Oldenburg. Im Januar 2023 habe sein Gastronomiebetrieb mehr Umsatz gemacht als im Januar des Vorjahres. Zugleich liegen aber die Kosten 30 bis 40 Prozent höher.

Als Quereinsteiger aus dem IT-Bereich ist der heutige Gastronom gegenüber digitalen Lösungen sehr offen. Willms führt neben der „Kleinen Burg“ ein weiteres Lokal, in dem junge Berufstätige Burger und Pommes per QR-Code bestellen. Für den Geburtstag der Oma, ein Date oder den Hochzeitstag ist dieses Konzept jedoch nicht geeignet: “Gastgebersein kann nicht digitalisiert werden”, sagt Willms. Damit bleibt ein Fine-Dining-Restaurant auf gut ausgebildete Service-Kräfte angewiesen – und von denen gibt es immer weniger. In Oldenburg, beobachtet er, habe es an den Berufsschulen früher drei Gastronomie-Klassen gegeben, heute sei es eine.

Knackpunkt: Fehlende Wertschätzung für das Berufsbild Gastronom:in

In Österreich nimmt Tom Weber, Inhaber von „dasfiaker“ ebenso wahr, wie stark die Gastronomie in Konkurrenz mit anderen Branchen – insbesondere mit dem Einzelhandel – getreten ist – und das nicht erst seit der Corona-Pandemie. Von den Abgänger:innen österreichischer Tourismusschulen bleibe nur ein geringer Anteil der Gastronomie treu. In die Zukunft schaut Weber jedoch mit Optimismus: Eine handfeste Lehre werde für junge Leute wieder attraktiv werden. Voraussetzung dafür ist mehr Wertschätzung, die Weber in seinem Daily Business hochhält: „Ob jemand im Anzug oder in Arbeitshose in unser Restaurant kommt, er oder sie erhalten den gleichen erstklassigen Service”, sagt Weber. Und von der Aushilfe bis zum Küchenchef zahlt Weber seinen Mitarbeiter:innen ein Gehalt, das auch mit anderen Branchen mithalten kann.

Potenziale: Qualitätsdenken kehrt zurück

Die allgemeine Preissteigerung in der Gastronomie ist eine Medaille mit zwei Seiten. Gäste zeigen sich bereit, tiefer in die Tasche zu greifen, wenn ihre Ansprüche an exzellenten Service und feine Küche erfüllt werden. Dafür hat Weber die Speisekarte umgeschrieben, das eine oder andere Angebot gestrichen und sich noch stärker auf die traditionelle Küche konzentriert. „Unseren Gästen wollen wir mit einem guten Gulasch oder Eintopf im Gedächtnis bleiben”, sagt er. Der höhere Preis, den die Gäste zahlen, bedeutet für Weber: Er kann seine Mitarbeitenden besser bezahlen und sich im Umkehrschluss auf deren Erstklassigkeit in Service und Küche verlassen. Im Vergleich zu vor der Corona-Pandemie seien die Löhne der Mitarbeitenden und Aushilfen um rund ein Viertel gestiegen.

Benefits: Fluch und Segen zugleich

Neben einem fairen Gehalt wollen sich beide Gastronomen auch durch Benefits für ihre Angestellten hervorheben. In den meisten Gaststätten gehört es traditionell dazu, dass Getränke und Essen für das Personal aufs Haus gehen. Nicht allen Mitarbeitenden ist erfahrungsgemäß jedoch bewusst, dass sie womöglich Grillgut im Verkaufswert von 500 oder 600 Euro mit nach Hause nehmen. Das ändert sich jedoch bei einem transparenten Umgang mit Zahlen. Immer ehrlich und fair – das ist Webers Motto, egal ob es um Gäste oder Mitarbeitende geht. „Wer den Umsatz und die Kosten kennt, hat eine ganz andere Verbindung zum Betrieb”, betont der Gastronom.

Willms versucht etwa, die Benefits zu ermöglichen, die auch in anderen Branchen üblich sind: flexibles Arbeiten zum Beispiel. Doch in eine Stadt wie Oldenburg kehren junge Leute meist nach dem Studium oder einigen Jahren im Beruf zurück, um ihre Kinder nah bei den Großeltern großzuziehen. Einen 9-to-5-Job kann Willms nicht allen anbieten. Genauso wenig wie sich ein Restaurant remote betreiben lässt, liegt es in der Natur der Branche, dass ein Restaurant geöffnet hat, wenn Gäste Feierabend haben. Eine Vier-Tage-Woche ist einfacher umzusetzen. „Besonders die Mitarbeitenden, die schon lange dabei sind, schätzen diese Neuerungen sehr”, erklärt er. Beim Recruiting fallen diese zwar auch ins Gewicht, aber einen Wettbewerb um Benefits in der Gastronomie will Willms vermeiden. Wichtiger sei ihm, das Gastgebersein selbst wieder attraktiver zu machen.

Social Media Recruiting: Ehrliche Einblicke statt Hochglanz

Für beide Gastronomen entwickelt sich Social Media zu einem wichtigen Recruiting-Kanal, da dieser eben jene authentischen Einblicke ins Gastgebersein vermittelt. Besonders bei Jungköchen kommt das an, erzählt Willms. Doch auch wenn berühmte Barfrauen seltener sind als Starköche, gibt es auch beim Service Potenzial für Kultstatus. Weber hat dabei viel von seinen Aushilfen unter 25 Jahren gelernt. Bei einem Weihnachtspunsch-Event gingen ihre Instagram-Reels und TikToks viral, und das zog nicht nur die Gäste an, sondern auch potenzielle Mitarbeitende.

„Heute habe ich drei Vorstellungsgespräche geführt und zwei der Kandidat:innen direkt zum Probearbeiten eingeladen. Alle sind über Social Media auf uns zugekommen”, erzählt Weber. Aktuell nutze er BeReel über sein persönliches Profil, um dort zu zeigen “wie es ist”. Statt Koch mit sauberer Jacke sehen seine Follower:innen auch mal Hunderte schmutzige Teller, die sich stapeln. Egal, ob bei BeReel, Instagram, TikTok oder Facebook, auf authentische Einblicke in das tägliche Gastgeberdasein kommt es an.

Fazit: Eine Zwei-Klassen-Gastronomie ist absehbar

Auf die Frage, ob der nach Corona ausgerufene Personalmangel sich verschärft habe oder nicht, geben beide Gastronomen zwar gegensätzliche Antworten, finden jedoch zu einem gemeinsamen Nenner: Die Gastronomie – und insbesondere der Service – verdient mehr Wertschätzung. „Am Ende hängt natürlich viel davon ab, ob die Gastronom:innen die höheren Lohnkosten auf die Gäste umschlagen können“, sagt Bauer. Willms und Weber sind sich einig, dass eine Zwei-Klassen-Gastronomie wahrscheinlich bevorsteht. Ein Teil der Gaststätten wird durch Digitalisierung Personal einsparen können. Ein anderer Teil wird sich auf hohe Qualität und exzellenten Service stützen, für den die Gäste tiefer in die Tasche greifen müssen. Im Mittelfeld: „Betriebe, die sich hauptsächlich mit Corona-Hilfen durchgeschlagen haben, stehen in diesem Frühjahr endgültig vorm Bankrott“, beobachtet Bauer. Die allgemeinen Herausforderungen der Branche erschweren auch die Personalsituation. Die Gastronomen von der „Kleinen Burg“ und „dasFiaker“ meistern die Situation, indem sie ihre Arbeitgebermarken stärken. Mit Employer Branding, fairen Gehältern und Benefits positionieren sie sich für die Zukunft der Gastronomie.

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