Thomas Imbusch ist einer der Namen, der in den letzten Wochen in der Welt der Gastronomie am meisten genannt wurde. Der erst 31-jährige Hamburger, bekannt durch seine Tätigkeit als Küchenchef in dem im Off Club integrierten Fine Dining Restaurant »Madame X« von Tim Mälzer, erfüllt sich einen lang gehegten Traum: Das eigene Lokal mit eigenen Regeln. Wer auf der Suche nach abgehobenem Ambiente mit ausgefeilter Speise- und Weinkarte ist, wird enttäuscht sein. Tisch über Bookatable oder OpenTable buchen? Auch Fehlanzeige.
Auf der Internetseite des Hotspots dann die Lösung auf dem Weg zum Platz an der Tafel: Es gibt ein Ticketsystem, bei dem vorab die Bezahlung entrichtet werden muss. In Zeiten der No-shows ein sinnvolles Konzept, um leer gebliebenen Tischen und der Verschwendung hochwertiger Lebensmittel vorzubeugen. Der Buchende erfährt auch gleich den Preis für das Mahl bei Thomas Imbusch, derzeit zwischen 95 und 119 Euro pro Person, abhängig vom Wochentag. Getränke und auch Ergänzungen des Essens werden vor Ort berechnet.
Flexible Preisgestaltung in der Gastronomie – Top oder Flop?
Doch was unterscheidet das 100/200 vom typischen Sterne-Restaurant?
Das Offensichtliche ist die Location: Nahe der Hamburger Elbbrücken auf einer denkmalgeschützten Fläche gelegen, bietet sich den Gästen an fast jedem Platz der berühmte Elb-Blick. Betritt der Gast die heiligen Hallen, reduziert sich der Begriff Halle erst einmal auf Küche. Bitte? Ja, das ist schon richtig so, eine überdimensionale Küche, leicht erhoben auf einem Podest mit Platz drum herum zum Sitzen. Ist doch die Küche seit jeher der Inbegriff von nicht enden wollenden Parties und langen Nächten mit intensiven Gesprächen. Dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit und Gemütlichkeit wollte Imbusch mit seinem Restaurant aufgreifen. Die maximal 40 Sitzplätze bieten jedem Gast das Gefühl, mitten drin zu sein – im Geschehen, der Küche und dem Genuss. Mittelpunkt ist der Molteni-Herd, der das Kernstück und zugleich Namensgeber ist. 100° zum Kochen, 200° zum Backen. Es kann so einfach sein.
Und dann?
Erst einmal werden die Gänge 1 bis 5 im Stehen, Lehnen oder Vorbeigehen eingenommen. Wer selbige ausgesucht hat? Niemand, denn das ist der nächste Unterschied: Der Chef kocht und das Volk speist. Am Liebsten das ganze Tier. So können Teile eines Huhns ihren Weg in diverse Häppchen, die Suppe und den Hauptgang finden. Nach den Vorspeisen geht es tatsächlich an den Tisch. Hier kommen dann nach und nach die Gaumenfreuden, oft und gerne vom Chef Thomas Imbusch persönlich serviert. Für das süße Finale zeichnet sich Patissier Mario Michaelis verantwortlich und auch die Weinauswahl wird nicht dem Zufall, sondern Sommelière Sophie Lehmann überlassen.
Wer die Presse verfolgt, wird einerseits hungrig und andererseits neugierig. Und in des ein oder anderen Gastronomen-Kopf entsteht vielleicht der verwegene Gedanke nach Ausbruch aus den Standards und dem Ausleben der Kreativität.
Warum nicht? Vielleicht bietet das Konzept der Wohnzimmer-Genussküche in kleinem Kreis ein ganz neues Portfolio an Anlaufstellen für Gourmet-Freunde und Experimentier-Köche. Wer bei Freunden eingeladen wird, muß schließlich auch essen, was auf den Tisch kommt.