Verbindlichkeit und Verlässlichkeit – zwei Eigenschaften, die aktuell mehr und mehr verloren gehen. Alles wird kurzfristiger, schnelllebiger, unverbindlicher. Heute hier, morgen dort – und immer alle Optionen offen halten. Dank Internet und Smartphone sind alle Informationen jederzeit und an jedem Ort verfügbar. Wer mit jungen Menschen im Rahmen der Ausbildung zu tun hatte, weiß davon ein Lied zu singen…
Doch die zunehmende Unverbindlichkeit wirkt sich nicht nur in der Arbeitswelt aus. Auch bei Zusagen für reservierte Tische wird immer häufiger so agiert, als würde die Welt nur auf diesen Gast alleine warten. „Das ist ein Riesenproblem“, sagt eine Gastronomin sichtlich genervt. Jede Planung werde durch das Ausbleiben der Gäste immer wieder über den Haufen geworfen.
Wer mit Gastronomen spricht, hört allerorten die gleichen Beispiele: Es wird in mehreren Lokalen gleichzeitig reserviert, um sich alle Optionen offen zu halten. Es wird für mehr Personen reserviert als dann tatsächlich kommen – wenn überhaupt jemand kommt.
Die Folgen sind klar: Tische bleiben leer, und für die Gastronomen geht wichtiger und geplanter Umsatz verloren. Viel schlimmer noch: Andere Gäste müssen abgewiesen werden und gehen woanders hin – auch wenn am Ende doch noch Tische frei bleiben. Das Phänomen der No-Shows ist sicherlich nicht neu, doch gerade in den letzten Jahren hat es deutlich zugenommen.
Wie reagieren die Gastronomen darauf? Die meisten fressen den Ärger über frei gebliebene Tische in sich hinein und versuchen spontan zu reagieren. Da wird dann auch mal ein Tisch schnell an andere, wartende Gäste vergeben, wenn die reservierte Gruppe nicht pünktlich da ist. Andere – und das tun immer mehr – lassen sich bei der Reservierung eine Telefonnummer geben, um beim Ausbleiben der Gäste zumindest nachfragen zu können. Doch die Erfahrung zeigt: Meist wird das Gespräch dann nicht angenommen – der Angerufene wird schon wissen, warum… Und selbst wenn man den potenziellen Gast erreicht – die Plätze sind erst einmal leer. Immerhin weiß man dann, dass keiner mehr kommt.
Wer noch mehr Aufwand betreiben will, telefoniert die Reservierungsliste am Nachmittag noch einmal ab, um sich Uhrzeit und Personenzahl bestätigen zu lassen – man könnte es auch als Service und kleine Erinnerung für die Gäste verstehen, doch in Wahrheit geht es um Planungssicherheit für den Gastronomen. Alexis Karipidis macht das in seinem griechischen Restaurant Plaka in Bayreuth für die Samstags-Reservierungen und vor allem in der Weihnachtszeit. „Klar ist das Aufwand, doch wenn ich bei diesem Telefonat erfahre, dass statt der reservierten 15 Personen nur 10 kommen, hat es sich gelohnt“, sagt er. Für das beliebte Silvester-Menü werden die Gäste bis zu drei Mal vorher kontaktiert, ob die Reservierung noch steht. Karipidis macht das aus Erfahrung – und weil er sich nicht ärgern will, wenn Plätze frei bleiben.
Noch einen Schritt weiter gehen andere Gastronomen. Jörg Thon vom Ratskeller aus Mülheim an der Ruhr hat für größere Gruppen Verträge vorbereitet, in denen die bestellte Personenzahl definiert ist. Das macht auch Rachel Plum vom Spitzenrestaurant „Schiffchen“ in Düsseldorf. Bei kurzfristigen Absagen werden bei ihm 60 Prozent der Rechnung fällig. Das geht aber nur, weil er nur ein Menü zu einem definierten Preis anbietet.
Guiseppe Saitta, Gastronom aus Düsseldorf, kündigt bei der Reservierung größerer Tische seinen Gästen an, dass bei Nicht-Erscheinen 30 Euro pro Person berechnet werden – er sieht es zumindest als Abschreckung. Doch in Amerika und Frankreich ist das längst üblich: Über die Kreditkarte einen fixen Betrag für die Reservierung absichern und bei Erscheinen mit dem Konsum verrechnen. Reservierungen in der Hotellerie werden ja auch so abgesichert.
Kerstin Rapp-Schwan hat schon ganz krasse Erfahrungen gemacht: In einem ihrer vier Betriebe in Düsseldorf und Neuss ist mal eine bestellte Taufgesellschaft mit 60 Personen nicht erschienen. Der Schaden ist dann schnell vierstellig. Mittlerweile fordert sie bei größeren Reservierungen die Hälfte des vereinbarten Mindestumsatzes als Anzahlung, überlegt auch, bei besonderen Veranstaltungen mit Vorauskasse zu arbeiten.
Das Thema ist vor allem eines in den Städten und Metropolen. Je größer die Stadt, desto anonymer die Reservierungen, desto größer das Problem. Der DEHOGA NRW hat deshalb vor dem letztjährigen Weihnachtsgeschäft eine Medienkampagne gestartet. Das Ziel: Verständnis bei den Gästen für die Situation wecken. Alle Medien sind groß auf das Thema eingestiegen. Mit Sicherheit hat die breit angelegte Diskussion, die auch in den sozialen Medien ausgetragen wurde, ein bisschen dafür gesorgt, dass die Gäste wieder mehr zu ihren Reservierungen stehen. Der gesellschaftliche Trend zu Unverbindlichkeit und Unzuverlässigkeit wird sich damit aber nicht aufhalten lassen.