In der Coronakrise will Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) gewerblichen Mietern bei Konflikten mit unkooperativen Vermietern helfen. Sie wolle für Gewerbemiet- und Pachtverhältnisse „gesetzlich klarstellen, dass Beschränkungen infolge der Covid-19-Pandemie regelmäßig eine Störung der Geschäftsgrundlage darstellen“, sagte Lambrecht dem Handelsblatt. Weitere Informationen zum Thema Mietminderung wegen Corona finden Sie in unserem Artikel „Miete und Corona: Wann und wie ist Minderung der Gewerbemiete möglich?„.
Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA Bundesverband) und der Hotelverband Deutschland (IHA) begrüßen die jetzt von der Bundesjustizministerin angekündigte Gesetzesinitiative zur Änderung des Mietrechts und drängen auf eine Verabschiedung noch während des Dezember-Lockdowns. Die Initiative sieht eine gesetzliche Klarstellung dahingehend vor, dass staatlich angeordnete Beschränkungen für Gewerbemieter, die die angemieteten Räume dadurch gar nicht mehr oder nur stark eingeschränkt nutzen können, eine Störung der Geschäftsgrundlage für ein Mietverhältnis bedeuten.
Anders als von Teilen der Immobilienwirtschaft behauptet, scheitere eine faire Lastenteilung zwischen Verpächtern und Pächtern meistens an der fehlenden Einigungsbereitschaft der Immobilieneigentümer. In einer im Oktober durchgeführten DEHOGA-Umfrage teilten 28 Prozent der Betriebe mit, dass ihnen der Verpächter mit Minderung oder Verzicht entgegengekommen sei. Im Umkehrschluss melden 72 Prozent der gastgewerblichen Betriebe, dass die Verpächter kein Verständnis für die dramatische Situation zeigten und den Betrieben nicht in Form von Minderung oder Verzicht entgegengekommen seien. An der Umfrage haben sich fast 1.200 Unternehmer beteiligt.
Es könne nicht sein, dass Hotels und Restaurants allein das Risiko der Covid-19-Pandemie tragen. Zur Veranschaulichung nennen die Verbände ein Beispiel: Ein Hotel zahlte im letzten Jahr bei einer Million Euro Umsatz pro Monat 300.000 Euro Pacht. Der Umsatz entsprach einer Belegung von 80 Prozent. Wenn nunmehr diese Pacht in Höhe von 300.000 Euro auch bei einer Belegung von 10 Prozent fällig wird und dieser Zustand über Monate anhält, ist das Unternehmen akut von Insolvenz bedroht. Das ist umso dramatischer als ausgerechnet diese Betriebe bislang auch fast komplett durchs Raster der Hilfsmaßnahmen von Soforthilfe über Überbrückungshilfe bis Novemberhilfe gefallen sind beziehungsweise zu fallen drohen.
Der DEHOGA und Hotelverband Deutschland fordern bereits seit März eine rechtliche Klarstellung zur Pachtanpassung in Pandemiezeiten. Mit Blick auf die weiterhin dramatische Lage der Hotels und Restaurants müssen Bundesregierung und Parlament jetzt handeln.
Rechtsanwalt sieht Vorhaben mit Skepsis
Der Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Oliver Rosbach, zeigt sich mit Blick auf die Initiative skeptisch. Es bleibe abzuwarten, wie sich das Vorhaben so umsetzen lässt. „Denn der Wegfall der Geschäftsgrundlage ist ein Sonderfall der Vertragsstörung. Jetzt Sonderfälle zu bilden, kann weitere Schwierigkeiten und Unklarheiten mit sich bringen. Umso genauer die Regelung im Gesetz formuliert wird, desto größer die Rechtsunsicherheit bei den nicht geregelten Störungen.“, so Rosbach abschließend.
Zentraler Immobilien Ausschuss (ZIA): Unsinnige Diskussion
Der Präsident des Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA), Dr. Andreas Mattner, betonte diesem Zusammenhang bei der Diskussion um eine Änderung des Gesetzes, nicht sämtliche jahrhundertelang und pandemieerprobten Grundsätze auf einmal über Bord zu werfen, die bereits alle auf Ausgleich angelegt seien. „Angesichts dieser Zahlen ist die pauschale Anwendbarkeit des Wegfalls der Geschäftsgrundlage auf Mietverträge entschieden abzulehnen. Bilaterale und passgenaue Vertragsanpassungen können die Vertragsparteien besser selbst als durch rechtliche Anordnung aushandeln. Das haben die Beteiligten in den letzten Monaten bewiesen“, so Mattner.
Heftige Kritik von Dorint-Chef Dirk Iserlohe: ZIA verbreitet „Fake-News“
In seinem zweiten offenen Brief an den ZIA formuliert Hotelunternehmer Dirk Iserlohe eine heftige Kritik am Verband: „Die Pressemitteilung vom heutigen Tag ist ein weiteres Beispiel einer brutalen, unerbittlichen Lobbyarbeit“, so Iserlohe in seinem Schreiben. Diese falsche Einstellung werde sich laut Iserlohe jedoch am Ende für den Verband nicht auszahlen. Der ZIA würde damit Schiffbruch erleiden, was nur dazu führen würde, dass die Verbandsmitglieder mit einem schwächeren Vermögen aus der Krise gehen.
Iserlohe wirft Mattner vor, dass er sich weder mit den beiden Hauptgeschäftsführern der Hotelverbände – Ingrid Hartges (DEHOGA) und Markus Luthe (IHA) – hinsichtlich der Überschrift seiner Presseerklärung „Lediglich bei zehn Prozent der Gewerbemietverhältnisse Einigung offen“ ausgetauscht hat, noch bei ihm selbst Rat dazu gesucht habe.
Der Dorint Aufsichtsratschef stellt weiter fest, dass, wenn man die angebliche Statistik des ZIA untersucht, sofort auffalle, dass von den Verantwortlichen weder Hotels und Gastronomie-Betriebe, die Event- und Messebranche, noch weitere Branchen befragt worden sind. Eben genau die Unternehmen, die mit Miet- und Pachtansprüchen durch die Zeit der Restriktionen belastet sind. „Daraus resultiert, das die Bezugsgröße der Statistik des ZIA schlichtweg falsch ist“, schreibt Dirk Iserlohe. Er führt weiter aus, dass sich der Verband, wenn sich doch schon fast alle geeinigt haben, doch keine Sorgen um die – aus Verbandssicht – unbedeutende „Restmenge“, zu machen brauche. Der ZIA könne sich also ruhig weiter als Verband des frühzeitlichen Kapitalismus outen. Die Geschäftsführung und der Aufsichtsrat der Dorint Hotelgruppe fühlen sich weder durch den ZIA würdig vertreten, noch werde man sich mit solch egozentrisch, ja rüden Gebaren im wirtschaftlichen Umfeld identifizieren