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Kurzarbeit: Ist Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer zulässig?

Der vor kurzem verlängerte Teil-Lockdown zwingt viele Arbeitgeber zur Anordnung von Kurzarbeit. Nachdem sich in der Phase des ersten Lockdowns viele Arbeitnehmer kooperativ verhalten haben, kommt es nun vermehrt zu Streitigkeiten. Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht, gibt Antworten auf die in diesem Zusammenhang regelmäßig auftauchenden Fragen.
Alexander Bredereck
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Darf der Arbeitgeber gegen den Willen des Arbeitnehmers Kurzarbeit einführen?

Der Arbeitgeber benötigt für die Einführung eine Rechtsgrundlage. Eine solche kann sich im Arbeitsvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder in einem anwendbaren Tarifvertrag finden. Unklar sind momentan die Wirksamkeitsvoraussetzungen einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung. Bis zu einer abschließenden Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts können noch mehrere Jahre vergehen. Bis dahin müssen Arbeitgeber damit rechnen, dass Arbeitnehmer sich gegen die Einführung der Kurzarbeit auch nachträglich noch (erfolgreich) zur Wehr setzen. Fehlt eine (wirksame) Grundlage, benötigt der Arbeitgeber die Zustimmung des Arbeitnehmers.

Inwieweit ist der Betriebsrat bei der Einführung von Kurzarbeit zu beteiligen?

Wenn es einen Betriebsrat gibt, benötigt der Arbeitgeber dessen Zustimmung. Diese muss notfalls vor der Einigungsstelle erstritten werden. Im Rahmen der zu schließenden Betriebsvereinbarung können dann, für die Arbeitnehmer verbindlich, Einführung und Begleitumstände der Kurzarbeit geregelt werden. Der Betriebsrat sollte daher frühzeitig in die Pläne eingebunden werden.

Welche Möglichkeiten hat der Arbeitgeber, wenn sich der Arbeitnehmer der Kurzarbeit verweigert?

In Betrieben mit Betriebsrat kann die Einführung über eine Betriebsvereinbarung für den Arbeitnehmer verbindlich erfolgen. In Betrieben ohne Betriebsrat sind die Möglichkeiten des Arbeitgebers eingeschränkt. In Kleinbetrieben mit regelmäßig nicht mehr als zehn Mitarbeitern kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigen. Auch soweit der Betrieb zwar kein Kleinbetrieb ist, aber der Arbeitnehmer noch kein halbes Jahr dabei ist, greift das Kündigungsschutzgesetz noch nicht. Soweit der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz geschützt ist, muss der Arbeitgeber bei einer Kündigung mit einer Kündigungsschutzklage rechnen.

Wie sind die Erfolgsaussichten für den Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess?

Eine Rechtsverteidigung bei einer betriebsbedingten Kündigung könnte schwierig werden, da der Arbeitgeber durch die Beantragung von Kurzarbeit zu erkennen gibt, dass der Arbeitsausfall nur vorübergehend ist. Im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung ist aber der dauerhafte Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit zwingend. Aus dieser Zwickmühle wird sich der Arbeitgeber häufig nur durch entsprechend hohe Abfindungszahlungen befreien können.

Welche Erfolgsaussichten hätte eine Änderungskündigung?

Das lässt sich aufgrund der fehlenden, bzw. veralteten Rechtsprechung nicht sicher sagen. Das Problem wird hier zudem sein, dass die Kündigungsfrist eingehalten werden muss. Schon deshalb dürfte eine Änderungskündigung allenfalls für zukünftige Krisen sinnvoll sein. Eine außerordentliche, fristlose Änderungskündigung halte ich für kaum durchsetzbar.

Dürfen Arbeitgeber frei entscheiden, wen sie in welchem Umfang und für wie lange in Kurzarbeit schicken?

Arbeitgeber dürfen Arbeitnehmer nicht willkürlich in Kurzarbeit schicken. Etwaige Bestrafungen durch Kurzarbeit können sich später rächen. Erweist sich die Anordnung der Kurzarbeit nämlich im Nachhinein als unwirksam, kann es für den Arbeitgeber sehr teuer werden. Er muss die Vergütungsdifferenzen an den Arbeitnehmer nachzahlen, das Kurzarbeitergeld erstatten und riskiert auch im Hinblick auf die übrigen Mitarbeiter eine nachträgliche Aufhebung durch die Bundesagentur.

Heißt das jetzt, dass der Arbeitgeber aller Arbeitnehmer gleichbehandeln muss?

Er muss den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz beachten. Das bedeutet nicht, dass zwingend alle Arbeitnehmer gleichbehandelt werden müssen. Der Arbeitgeber benötigt für eine Ungleichbehandlung sachliche Gründe. Wer den Koch weiter beschäftigen kann, weil der Außerhausverkauf weiterläuft, kann durchaus die Kellner in Kurzarbeit schicken. Er darf aber nicht einzelne Kellner ungleich behandeln. Soweit für die Kellner noch Arbeit da ist, aber insgesamt viel weniger, muss er gegebenenfalls alle gleichmäßig in anteilige Kurzarbeit schicken. Der Arbeitgeber darf aber variabel auf das unterschiedliche Arbeitsvolumen der Abteilungen reagieren und eine Abteilung beispielsweise zu 50 Prozent beschäftigen, die andere aber nur zu 30 Prozent – sofern das mit dem tatsächlich gesunkenen Arbeitsvolumen übereinstimmt.

Gibt es noch andere Ausnahmen vom Gleichbehandlungsgrundsatz?

Mitarbeiter mit singulären Spezialkenntnissen dürfen unter Umständen von der Kurzarbeit ausgenommen werden, wenn der Arbeitgeber gerade jetzt die Spezialkenntnisse dringend benötigt. Das könnte in der aktuellen Phase zum Beispiel für bestimmte Mitarbeiter mit besonderen IT-Kenntnissen der Fall sein.

Kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber einen Zuschuss zum Kurzarbeitergeld verlangen?

Grundsätzlich nur, wenn das im Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder im Tarifvertrag so geregelt ist. Häufig werden die Arbeitgeber den Zuschuss anbieten müssen, damit die Arbeitnehmer der Einführung zustimmen. Dringend zu warnen ist aber vor kreativen Lösungen, die dazu führen, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Vorteile des Kurzarbeitergeldes teilen.

Was für Fälle sind das?

Ich habe jetzt bereits des Öfteren folgende Gestaltungen erlebt: der Arbeitnehmer arbeitet trotz Kurzarbeit weiter. Der Arbeitnehmer erhält Aufstockung vom Arbeitgeber auf mehr als 100 Prozent. Das ist extrem gefährlich. Die Bundesagentur für Arbeit zahlt, obwohl die Voraussetzung des Arbeitsausfalles ersichtlich nicht vorliegt. Arbeitgeber und auch Arbeitnehmer machen sich hier unter anderem wegen Betruges, bzw. Subventionsbetruges strafbar. Der Arbeitgeber macht sich zudem erpressbar. Muss er den Arbeitnehmer später doch noch kündigen, wird ihm das Ganze auf die Füße fallen.

Hilft dem Arbeitgeber in solchen Fällen, wenn der Arbeitnehmer eine andere als die bisherige Tätigkeit verrichtet?

Nein. Voraussetzung für das Kurzarbeitergeld ist nämlich, dass die Beschäftigungsmöglichkeit insgesamt wegfällt. Der Arbeitgeber muss vor der Beantragung von Kurzarbeitergeld auf alternative Beschäftigungsmöglichkeiten zurückgreifen. Nur wenn er diese nicht hat, sind die Voraussetzungen für Kurzarbeitergeld erfüllt. Dadurch, dass er den Arbeitnehmer dann aber weiter beschäftigt (egal womit) widerlegt er sich selbst.

Darf der Arbeitnehmer während der Kurzarbeit Fortbildungskurse absolvieren oder sich weiter qualifizieren?

Ja.

Wie sieht es mit Nebenjobs für andere Arbeitgeber aus?

Diese sind grundsätzlich möglich, soweit die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen dem nicht entgegenstehen. Der Arbeitnehmer darf auch nicht ohne weiteres für die Konkurrenz tätig werden.

Wie sieht es mit einer Anrechnung der Vergütung auf das Kurzarbeitergeld aus?

Soweit die Nebentätigkeit bereits vor Beginn der Kurzarbeit durchgeführt wurde, findet keine Anrechnung der Vergütung auf das Kurzarbeitergeld statt. 450-Euro-Jobs sind generell anrechnungsfrei, soweit die Summe aus dem Nebeneinkommen und Kurzarbeitergeld insgesamt nicht höher ist, als das reguläre Arbeitsentgelt ohne Kurzarbeit.

Darf der Arbeitgeber den Urlaub aufgrund von Kurzarbeit streichen?

Streichen darf er nicht. Eine anteilige Kürzung könnte möglich sein, wenn dies mit dem Arbeitnehmer, dem Betriebsrat oder im Rahmen eines Tarifvertrags ausdrücklich vereinbart wurde. Das meint zumindest der Europäische Gerichtshof in einem aktuellen Urteil.

Muss der Urlaub vor Beginn der Kurzarbeit eingesetzt werden?

Grundsätzlich ja. Allerdings nur, soweit Arbeitgeber und Arbeitnehmer noch keine verbindliche Regelung über die Urlaubszeit getroffen haben. Aufgrund der aktuellen Krisen-Situation sieht die Bundesagentur für Arbeit allerdings noch bis zum 31.12.2020 (vielleicht auch länger) davon ab, den Einsatz von Urlaub vor Einführung von Kurzarbeit zu fordern.

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Autor

Alexander Bredereck ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und auf Kündigungsschutz spezialisiert. Er ist Autor des Buches „Arbeitsrecht – Alle typischen Streitfälle und wie man sie aktiv löst“ der Stiftung Warentest und betreibt den Youtube-Kanal „Fernsehanwalt“. Rechtsanwalt Bredereck ist Landregionalleiter Berlin des DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. und Mitglied im VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V.

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