Allen voran: Zahlt die Betriebsunterbrechungsversicherung? Oder ist die Betriebsschließungsversicherung die richtige Versicherung, wenn wegen der Corona-Krise die Ladenschließung angeordnet wurde oder Mitarbeiter in Quarantäne und Kurzarbeit sind? Und was tun, wenn die Versicherung sagt, dass der Lockdown durch Corona nicht mit abgedeckt ist?
Rechtsanwalt Arne Podewils, Fachanwalt für Versicherungsrecht, hat die wichtigsten Antworten auf die häufigsten Fragen zusammengefasst.
Wegen Corona und Covid-19 musste ich meine Firma schließen. Welche Versicherung zahlt meine Umsatzeinbußen, die laufenden Kosten und andere finanzielle Schäden?
Grundsätzlich sichert eine Betriebsschließungsversicherung den Betrieb gegen die Auswirkungen einer nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtigen Krankheit ab (IfSG, früher Bundesseuchengesetz). Ob der Corona-Virus dazu gehört, hängt von den jeweils vereinbarten Bedingungen ab. Dazu später mehr.
Die Betriebsunterbrechungsversicherung oder die Praxisausfallversicherung können greifen, aber nur wenn eine zusätzliche Deckungserweiterung nicht nur für Sachschäden, sondern auch für behördliche Schließungen nach dem Infektionsschutzgesetz mit inbegriffen ist. Je nach Einzelformulierung ist die Deckungserweiterung auf sogenannte „unbenannte Gefahren“ ausgeweitet – was sich auch auf das Coronavirus auslegen lässt. Besser sieht es aus bei modernen Versicherungsprodukten wie der sogenannten All-Risk-Deckung, die nicht ausschließlich bei einem Sachschaden greifen.
Eine Ertragsausfallversicherung deckt leider keine Ausfälle wegen Corona ab.
Welche Voraussetzungen müssen vorliegen, damit die Versicherung zahlt?
Die Anspruchsvoraussetzungen sind in den jeweiligen Versicherungsbedingungen sehr unterschiedlich formuliert. In den Policen, die wir bisher geprüft haben, ist Voraussetzung, dass die „zuständige Behörde eine Betriebsschließung behördlich angeordnet haben muss“. Wer also seinen Friseursalon geschlossen hat, bevor die Schließung offiziell angeordnet war, steht unter Umständen für diesen Zeitraum ohne Schadensdeckung da.
Welche Behörde muss die Schließung anordnen?
Genügen allgemeinen Anordnungen oder muss die Schließung konkret für meine Branche oder sogar mein Unternehmen gelten, damit ich Versicherungsschutz habe – das ist eine Frage, über die im Moment noch gestritten wird – auch, weil dies in den meisten Versicherungsbedingungen unklar geregelt wird. Aus unserer Sicht wird sich die Rechtsauffassung durchsetzen, dass allgemeine und zum Teil überregionale Anordnungen, etwa der Landesregierung, ausreichen. Denn entscheidend ist das Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers, und der erkennt keinen Unterschied zwischen einer von Seiten der Behörden allgemeinen und einer konkret angeordneten Betriebsschließung.
Welche Behörde kann die Schließung anordnen?
In Fall von Pandemien wie Corona gilt: Die Maßnahmen zur Schließung von Unternehmen dürfen die Bundesländer aufgrund des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) erlassen. In diesem Gesetz ist auch geregelt, dass die jeweiligen Landesregierungen durch Rechtsverordnungen bestimmen, welche (untergeordneten) Behörden entsprechende Gebote und Verbote aussprechen dürfen.
Das heißt: Die Zuständigkeiten und Behörden werden im Einzelfall und situationsbedingt auf Landesebene festgelegt.
Hat es Auswirkung auf meinen Versicherungsschutz, welche Behörde die Schließung anordnet?
Bundesweit wurden auf Länderebene seit Beginn der Corona-Krise zahlreiche Rechtsverordnungen erlassen, in denen die Zuständigkeiten organisiert wurden.
Das hat auf den Versicherungsschutz in der Regel keine Auswirkung, weil dort meistens lediglich von „zuständigen Behörden“, die die Schließung anordnen, die Rede ist.
In sehr vielen Fällen sollten aus unserer Sicht daher allgemeine und zum Teil überregionale Anordnungen ausreichen.
Die Versicherung weigert sich zu zahlen, weil in meinen Versicherungsbedingungen Covid-19 nicht aufgelistet ist.
Das klingt zunächst absurd, da der Virus (SARS-CoV-2 / Covid-19) Ende vergangenen Jahres überhaupt erst als Krankheitserreger beim Menschen auffiel.
Das heißt aber nicht, dass der Versicherungsschutz automatisch nicht gilt oder deswegen gelten muss. Hier kommt es auf den Wortlaut der Police an.
Es gibt Versicherungsbedingungen, die nur pauschal auf die Regeln zu meldepflichtigen Krankheiten im Infektionsschutzgesetz (InfSG) verweisen. Diese bieten nach unserer Rechtsauffassung Versicherungsschutz, da Covid-19 seit Februar 2020 eine nach dem InfSG meldepflichtige Krankheit ist.
Es gibt aber auch Versicherungsbedingungen, die nur die in §§ 6 und 7 InfSG namentlich genannten Krankheiten erfassen.
Einige Versicherer nutzen dies aus, um die Deckung abzulehnen – Covid-19 sei dort nicht aufgelistet und daher ein Schaden durch die aktuelle Pandemie nicht versichert, heißt es dann.
Aus unserer Sicht ist dieses Argument nicht sehr stabil. Denn: Wenn die Versicherungsbedingungen Bezug auf die meldepflichtigen Krankheiten nach dem InfSG nehmen, muss auch Covid-19 erfasst sein, da es durch eine Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit vom 01.02.2020 zu einer meldepflichtigen Krankheit deklariert wurde.
Tatsache ist auch, dass viele Versicherer angesichts der drohenden Inanspruchnahme wegen Corona derzeit ihre Neu-Verträge umgestalten, wie der Deutsche Maklerverbund berichtet.
Ein Mitarbeiter ist in Quarantäne. Muss ich die Versicherung informieren?
Ja, geben Sie der Betriebsschließungsversicherung unbedingt Bescheid, dass ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin wegen des Corona-Virus in Quarantäne ist. Zum einen weil die Meldung zu Ihren Vertragsobliegenheiten zählen könnte und zum anderen weil in den meisten Fällen die weiter zu leistenden Lohnkosten durch die Versicherung abgesichert sind.
Welche Anzeigepflichten muss ich beachten?
Das ist eine wichtige Frage, denn oftmals gibt es hier kaum Spielraum.
Prüfen Sie selbst Ihren Vertrag genau oder lassen Sie ihn von einem Spezialisten prüfen. Meistens gibt es mehrere Anzeigepflichten, die beachtet werden müssen, um den Versicherungsschutz nicht zu gefährden. Wichtig ist: Der Versicherungsfall, also die Schließung, muss sofort der Versicherung gemeldet werden.
Auch ist es oftmals nötig, den zuständigen Behörden zu melden, dass man auf Ihre Anordnung schließen musste und prüfen werden, ob Entschädigungsansprüche bestehen. Warum ist das wichtig? Weil manche Versicherer verlangen, dass Sie etwaige Entschädigungsansprüche (nach dem InfSG) bei den zuständigen Behörden anmelden – und das ohne Verzug.
Zahlt eine Betriebsschließungsversicherung auch die teilweise Schließung des Betriebs, Kurzarbeit oder Ausfälle einzelner Abteilungen?
Das kommt auf die Versicherungsbedingungen an. Mitunter sind auch die Kosten der Schließung einer Betriebsstätte versichert. Hier kommt es auf die konkreten Bedingungen ab.
Wie viel und was zahlt die Betriebsschließungsversicherung?
Auch hier kommt es wieder darauf an, was zwischen Ihnen und der Versicherung vereinbart wurde. Muss der ganze Betrieb schließen, werden in den meisten Fällen pauschalisierte oder konkret anhand des Jahresgewinns heruntergerechnete Tagessätze für den vereinbarten Zeitraum (30 bis 60 Tage) gezahlt. Zudem werden in den meisten Fällen die Lohnkosten übernommen, wenn Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit behördlichem Tätigkeitsverbot versehen sind.
Wenn Entschädigungsansprüche nach dem InfSG gegen den Staat bestehen, was zahlt dann die Versicherung?
Ganz einfach: Wenn Sie durch eine angeordnete Schließung nach dem InfSG Anspruch auf Entschädigung durch die Behörden haben, wird keine Versicherungsleistung erbracht.
Ob Sie einen Entschädigungsanspruch haben oder nicht – das wird sich vielerorts noch zeigen, wenn die Hilfspakete und Soforthilfen des Bundes und der Länder fertig geschnürt sind. Da ist noch vieles in der Schwebe.
Wenn ein Entschädigungsanspruch besteht oder die Wahrscheinlichkeit dafür steigt, sollten Sie Ihre Versicherungsbedingungen unter die Lupe nehmen. Nicht selten sind Sie dann berechtigt, vom Versicherer ein zinsloses Darlehen in Höhe der Versicherungsleistung zu verlangen.
Die Versicherung hat die Zahlung abgelehnt oder reagiert nicht. Was ist zu tun?
Nach unserer Erfahrung ist das die übliche Reaktion, wenn das erste Schreiben vom Unternehmen selbst und nicht von einer Kanzlei verschickt wird. Das ist absurd, aber leider die Realität.
Das heißt: Es empfiehlt sich, von Anfang an einen erfahrenen Fachanwalt für Versicherungsrecht die Versicherungsvereinbarungen prüfen zu lassen und alle Ansprüche an die Versicherung über diesen Weg anzumelden. Vergessen Sie nicht, dass die Versicherer geradezu überschwemmt werden von Anfragen und alles tun, um Zeit und Geld zu gewinnen.
Nach unseren bisherigen Erfahrungen muss leider davon ausgegangen werden, dass die meisten Versicherungen zunächst abweisend reagieren und jeden Fehler bei der Anmeldung sofort zu ihren Gunsten nutzen.
In meinen Versicherungsbedingungen wird die Schließung wegen einer Pandemie nicht erwähnt
Sollten die konkreten Versicherungsbedingungen keinen Versicherungsschutz für den Seuchenfall enthalten, lohnt es sich zu prüfen, ob eine Falschberatung durch den Versicherungsmakler besteht. Denn dieser hätte unter Umständen auf die Möglichkeit einer Versicherung gegen Seuchenschäden hinweisen müssen.
Autor: Arne Podewils, Fachanwalt für Versicherungsrecht LL.M., Düsseldorf (www.mzs-recht.de)
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