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„Gerade im Vertragsrecht gibt es viele offene Flanken“

Abgesagte Messen und Events, Reise- und Ausgehverbote in Zeiten von Corona treffen das Gastgewerbe hart, ganz besonders die aktuell verfügte komplette Schließung sämtlicher gastronomischen Betriebe. Ebenso stellen sich wichtige rechtliche Fragen, etwa den Umgang mit Stornierungen oder die Stundung von Miet- und Pachtzahlungen. Rechtsanwalt Dirk Hermanns (ihrhotelrecht.de) gibt Antworten.
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Welche besonderen rechtlichen Schwierigkeiten treffen Hoteliers und Gastronomen in Zeiten von Corona?

Die allgemeinen wirtschaftlichen Folgen durch den vom Corona-Virus verursachten weitgehenden Stillstand des öffentlichen Lebens sind noch gar nicht abzuschätzen. Klar ist wohl nur, dass es zu einer spürbaren Rezession kommen wird. Hotellerie und Gastronomie indes sind bereits seit Ausbruch des Virus massiv betroffen: Abgesagte Messen und Events, Reise- und Ausgehverbote treffen das Gastgewerbe hart. Dazu kommen derzeit auch weitreichende rechtliche Fragestellungen, betont der Bielefelder Rechtsanwalt Dirk Hermanns (ihrhotelrecht.de): „Gerade im Vertragsrecht gibt es viele offene Flanken. Was passiert mit bestehenden Verträgen, wenn diesen aufgrund der allgemeinen Beschränkungen nicht nachgekommen werden kann? Wie sichere ich meine Liquidität, wie vermeide ich, bereits erhaltene Zahlungen sogar erstatten zu müssen?“ Damit müssten sich Unternehmer im Gastgewerbe aktuell mehr denn je auseinandersetzen – und zwar sowohl in Richtung von Gästen als auch in Richtung von Verpächtern, Lieferanten und Co.

Wie gehen Hoteliers mit Stornierungen um?

„Bei dieser Frage muss man zwischen zwei Ausgangssituationen unterscheiden. Es gibt Gäste, die Zahlungen erstattet erhalten möchten, und es gibt Gäste, die noch nichts gezahlt haben und Buchungen stornieren möchten. Aber in beiden Fällen ist der Hotelier in einer in der Regel guten Verhandlungsposition, weil die gleiche Rechtsprechung gilt“, erklärt der Rechtsanwalt, der seit vielen Jahren vorrangig Hoteliers und Gastronomen berät. Auf die Buchung, den sogenannten Hotelaufnahmevertrag, findet das Mietrecht Anwendung. Hotelunternehmer müssen somit ihre Leistungen lediglich anbieten. Ob der Gast diese Leistungen nutzt oder nicht, bleibt dem Gast überlassen. „Dies ergibt sich unmittelbar aus den gesetzlichen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches nach § 537 zum Mietrecht. Danach trägt grundsätzlich der Gast das Verwendungsrisiko. Er muss auch dann das vereinbarte Entgelt zahlen, wenn er an der Nutzung der Hotelleistungen gehindert wird, wie es aktuell der Fall ist.“ Diese Rechtslage gilt auch dann, wenn der Gast aufgrund von Corona die Buchung storniert. Auch dann ist das vereinbarte Entgelt für die gebuchte Leistung einzufordern, betont der Rechtsanwalt, weil die gleiche Rechtsauffassung greift. Ob dies allerdings auch gilt, wenn wie jetzt aktuell die Bewegungsfreiheit einer ganzen Gesellschaft eingeschränkt und gastronomische Betriebe vollständig geschlossen bleiben müssen, ist dagegen zumindest fraglich. Aber selbst wenn man dieses Verwendungsrisiko nicht ausschließlich oder überwiegend dem Gast als Mieter aufbürden würde, muss und darf man aufgrund der aktuellen Situation davon ausgehen, dass diese Beschränkungen in einigen Wochen wieder aufgehoben werden. Es handelt sich aus heutiger Sicht um vorübergehende Leistungshindernisse. Das bedeutet, dass bis dahin die gegenseitigen Pflichten aus Verträgen quasi ruhen. Auch insoweit kann dem die Vorauszahlung zurückfordernden Gast entgegengehalten werden, dass diese Forderung jedenfalls aktuell unbegründet ist.

Existieren alternative Möglichkeiten?

Viele Hoteliers wollen ihre Gäste natürlich nicht verlieren und scheuen sich davor, ihre Ansprüche wirklich durchzusetzen, weiß Dirk Hermanns. Daher kann und sollte auch die Möglichkeit eingeräumt werden, die gebuchten Leistungen zu einem späteren Zeitpunkt in Anspruch zu nehmen, wenn die aktuell bestehenden Beschränkungen wieder aufgehoben sind. „Das kann eine verträgliche Lösung darstellen, auch wenn Hoteliers nicht in jedem Fall verpflichtet sind, die Leistung zu einem späteren Zeitpunkt erneut anzubieten. Das Risiko, die gebuchten Zimmer nutzen zu können, liegt auch in Zeiten des Corona-Virus grundsätzlich beim Gast. Das folgt der Auffassung, dass durch die Umbuchung auf einen späteren Zeitpunkt die Interessen beider Seiten angemessen berücksichtigt werden“, nennt der Hotelrechtsanwalt wesentliche Argumente.

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Wie gehen gastgewerbliche Unternehmer mit ihren Miet- und Pachtverträgen um?

Dirk Hermanns berät aktuell eine Reihe von Hoteliers und Gastronomen dabei, die Verpflichtung zur Mietzinszahlung vorerst auszusetzen und für eine gewisse Zeit auf die Miete beziehungsweise Pacht zu verzichten, ohne Konsequenzen für die vertragliche Situation fürchten zu müssen. „Dabei ist ein Zeitraum bis zum Ende der behördlichen Einschränkungen denkbar, der gegebenenfalls um einen bestimmten Zeitraum verlängert werden kann, um eine wirtschaftliche Anlaufphase zu ermöglichen, sobald die Normalisierung wieder eingetreten ist.“ Ein juristisches Argument für die Aussetzung der Zahlungen ist für den Rechtsanwalt, dass der vertragsgemäße Gebrauch der gastgewerblichen Immobilie nicht mehr möglich sei. Das Risiko, dass der vertragsgemäße Gebrauch aufgrund der öffentlich-rechtlichen Beschränkungen nicht mehr gewährleistet werden kann, liege grundsätzlich auf Seiten des Vermieters. Es sei denn, dieses Risiko ist in den Miet- oder Pachtverträgen anders und zulasten des Mieters/Pächters vereinbart. Das gilt es jeweils zu prüfen. Dirk Hermanns stellt aber auch heraus: „Es geht um eine gemeinschaftliche Lösung der Situation. Wir wollen die Existenz sichern, und das ist wichtig für beide Seiten.“ Gerade auch deshalb, weil bei Nichtzahlung von ein oder zwei vollständigen Mieten oder Pachten weitreichende rechtliche Konsequenzen drohen, bis hin zur fristlosen Kündigung des Miet- oder Pachtvertrages. Das gilt es unbedingt zu vermeiden. Aber dazu bedarf es auf beiden Seiten rechtlicher Beratung, die den Parteien das wirtschaftliche Risiko deutlich vor Augen führen und so die Vorteile einer gemeinschaftlichen Lösung aufzeigen und verdeutlichen können.

Was sind die konkreten Schritte?

Hermanns rät, dass Hoteliers und Gastronomen schnellstmöglich Kontakt zu Gästen und Vermietern aufnehmen sollten, um die Lage zu besprechen. Der Anwalt hat für seine Mandanten Schreiben entworfen, in denen die Situation dargelegt und begründet wird. „Unternehmer sollte derzeit rechtlichen Rat in Anspruch nehmen. Rechtsanwälte können die individuelle Situation bewerten und die richtigen Schritte ergreifen.“

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Interviewpartner Dirk Hermanns (Foto: Dirk Hermanns)

Themen in diesem Artikel
CoronaMietvertragStornierung

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